Die mehr als 350 Delegierten aus 150 Kirchen des 1947 gegründeten Lutherischen Weltbundes (LWB) haben auf ihrer 13. Vollversammlung im polnischen Krakau Geschlossenheit demonstriert: In ihrer Botschaft setzen sie Signale für eine bessere Welt. So wurden Abschluss der siebentägigen Vollversammlung alle Formen der Gewalt verurteilt und zum Frieden aufgerufen. "Wir haben uns in einer Region versammelt, in der der Krieg Russlands gegen die Ukraine Hunderttausende von Toten und Verletzten gefordert hat und Millionen weitere Menschen durch die Kämpfe vertrieben wurden", betonten die Delegierten in ihrer Botschaft am Dienstag, 19. September. Die LWB-Mitgliedskirchen repräsentieren mehr als 77 Millionen Christinnen und Christen aus 99 Ländern weltweit.
Die Delegierten gedachten auch der Opfer der Konflikte in Äthiopien, Haiti, Jemen, Myanmar, Nigeria, Sudan, Venezuela, im Nahen Osten und anderer Orte. Überall auf der Welt seien die Schreie von Menschen zu hören, die verstümmelt, getötet oder vertrieben würden. Während der Versammlung hatten die Delegierten das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht, wo die Nazis rund 1,5 Millionen Menschen ermordeten, die meisten davon Jüdinnen und Juden.
In ihrer Botschaft unterstrich die Delegierten, dass sich das Böse von Auschwitz nie wiederholen dürfe. "Unser Glaube ruft uns dazu auf, Boten der Gerechtigkeit, des Friedens und der Versöhnung zu sein und denen zur Seite zu stehen, die am verletzlichsten sind", hieß es. Zudem verlangte der Weltbund mehr Klimagerechtigkeit und ein entschlossenes Vorgehen gegen die Erderwärmung.
Das Thema der diesjährigen Vollversammlung in Krakau lautete „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung.“ Gastgeberin war die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen.
Die Mitte voriger Woche begonnene Vollversammlung wählte am Samstagnachmittag den dänischen Bischof Henrik Stubkjær (61) zu ihrem 14. Präsidenten. Stubkjær war der einzige Kandidat für die Nachfolge des bisherigen Präsidenten Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa aus Nigeria. Der Däne betonte, dass in seiner siebenjährigen Amtszeit "die humanitäre und Entwicklungsarbeit" ein zentrales Feld des LWB sein solle. Stubkjær ist bekannt für sein ökumenisches Engagement. Generalsekretärin ist die estnische ev.-luth. Pfarrerin Anne Burghardt.
Nach seiner Wahl sagte Stubkjær, er wolle der weltweiten Gemeinschaft von 150 lutherischen Kirchen dienen. Der LWB werde unter seiner Leitung weiterhin auf den traditionellen vier Säulen beruhen: „Dem Einsatz für die Bedürftigen und Unterdrückten, gemeinsamen Initiativen in der Mission, gemeinsamen Anstrengungen in der Theologie und einer gemeinsamen Antwort auf die ökumenische Herausforderung.“
Eindrücke und Erfahrungen der drei Delegierten aus dem Oldenburger Land
Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg ist Mitglied im Lutherischen Weltbund und wurde durch drei Delegierte bei der Vollversammlung in Krakau vertreten.
Pfarrerin Nele Schomakers, aus Oldenburg-Eversten ist noch ganz angefüllt von den Eindrücken der letzten Woche. Ihr bleibt insbesondere in Erinnerung: „Die persönlichen Begegnungen, die Geschichten der anderen Delegierten zu hören. Und in all der Verschiedenheit und mancher Herausforderung aufeinanderzugehen können. Zu wissen, wir kämpfen gemeinsam für eine bessere Welt. Besonders betroffen hinterlässt mich die Tatsache, dass ordinierte Frauen in vielen Ländern nicht die gleichen Rechte haben wie ihre männlichen Kollegen.“ Schomakers freut sich sehr über das hartnäckige Engagement der jungen Erwachsenen im Lutherischen Weltbund und „dass wir eine Resolution zur Klimaneutralität bis 2030 auf den Weg gebracht haben.“
Auch der 23-jährige Theologiestudent Fabian Dargel berichtet von vielen beeindruckenden Momente und gute Begegnungen. „Ich freue mich darüber, dass wir unter anderem eine Resolution verabschiedet haben, in der wir Klimaneutralität bis 2030 – anstatt wie ursprünglich geplant 2050 – erreichen wollen. Außerdem freue ich mich über Resolutionen über die Sicherstellung einer Jugendquote und eine Quote für Laien. Ich bin gespannt, was daraus wird, was wir mitnehmen und weitertragen können.“
Für Pfarrer Olaf Grobleben, Beauftragter für Ökumene, interreligiöse und weltanschauliche Fragen der oldenburgischen Kirche, war insbesondere die Begegnung mit lutherischen Glaubensgeschwistern im polnischen Bielsko-Biala beeindruckend. „Hier wurde lutherische Identität erfahrbar in dem Bemühen, gelassen und unaufgeregt den eigenen Glauben in anders geprägter Umwelt zu leben und zu verantworten. Die Freundlichkeit und Zugewandtheit, mit der unsere Gruppe zum Gottesdienst am Sonntag dort empfangen und begleitet wurde empfinde ich als Symbol dafür, dass unsere Kirchen und Gemeinden auch unabhängig von Größe und Finanzkraft die Lebendigkeit unseres evangelischen bzw. lutherischen Glaubens bezeugen können. Für diese Begegnung wie für manches andere Treffen und Gespräch in diesen Tagen in Krakau bin ich sehr dankbar.“
Vollversammlung wählte neuen Rat
Die Vollversammlung wählte zudem die 48 Mitglieder des LWB-Rates neu, davon sechs aus Deutschland: Tim Götz (Bayern), Vikarin Charlotte Horn (Württemberg), Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche), Michael Martin (Bayern), Dirk Stelter (Hannover), Synodalpräsidentin Bettina Westfeld (Sachsen).
Auf seiner konstituierenden Sitzung am Mittwoch, 20. September, hat der Rat wichtige Führungsämter besetzt. Die Landesbischöfin der Nordkirche und gewählte Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes DNK/LWB, Kristina Kühnbaum-Schmidt, wurde zur Vizepräsidentin für die Region Mittel- und Westeuropa gewählt. Sie ist damit auch Mitglied im Exekutivausschuss des LWB.
Gemeinsames Wort: Vorbereitung auf das 500-jährige Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses
Die Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, und der Präfekt des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, überreichten der Dreizehnten LWB-Vollversammlung das Gemeinsame Wort.
Diese gemeinsame Reflexion von Katholiken und Lutheranern in Vorbereitung auf das 500-jährige Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses im Jahr 2030 "könnte zu einem weiteren 'Meilenstein' auf dem Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft führen, vergleichbar mit der wegweisenden Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre".
"Heute ermöglicht die Differenzierung des Konsenses Lutheranern und Katholiken, Bereiche des Konsenses zu erkennen, in denen unsere Vorgänger nur unüberwindliche Gegensätze sahen", heißt es im Gemeinsamen Wort des LWB und der DPCU.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Gemeinsamen Wort.
Der Versammlungsort: Krakau
Krakau ist die „alte“ Hauptstadt Polens, nicht weit entfernt von Auschwitz-Birkenau, wo etwa 1,1 Millionen Menschen, davon mehr als 900.000 Juden ermordet wurden. Die Vollversammlung wird die Gedenkstätte aufsuchen und sich auch mit dem christlich-jüdischen Verhältnis befassen. Gastgebende Kirche der Vollversammlung ist die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen (EAKP). Die Vollversammlung fällt in eine Zeit, in der diese kleine Kirche (60.000 Mitglieder bei einer Bevölkerung von rund 37,7 Millionen; 92 Prozent gehören der römisch-katholischen Kirche an) sich in großem Umfang in der Unterstützung ukrainischer Kriegsflüchtlinge engagiert.
Die Vollversammlung fand im internationalen Kongresszentrum in Krakau statt. Das ICE Krakow Congress Center ist ein modernes, vielseitig nutzbares Kongresszentrum im Herzen der Stadt und gilt als Flaggschiff des Wirtschafts- und Kulturraums Krakau.
Hintergrund:
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist weltweit die größte lutherische Kirchengemeinschaft. Er umfasst 150 lutherische Kirchen in 99 Ländern mit mehr als 77 Millionen Mitgliedern. Alle sechs bis sieben Jahre treffen sich rund 400 Delegierte zu einer Vollversammlung, dem höchsten Gremium der Kirchengemeinschaft.
Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) vertritt die elf deutschen Mitgliedskirchen im Lutherischen Weltbund mit mehr als 10,3 Millionen Gemeindegliedern. Zur LWB-Vollversammlung entsendet jede Mitgliedskirche je nach Größe mindestens eine Delegierte oder einen Delegierten mit Stimmrecht. Die deutschen Kirchen haben 38 stimmberechtigte Delegierte, wobei Männer und Frauen jeweils mit mindestens 40 Prozent vertreten sind (dieses Jahr 16 Männer und 22 Frauen). Mit neun jungen Erwachsenen unter 30 Jahren ist die Jugendquote von 20 Prozent der Delegierten ebenso beachtet wie die Ausgewogenheit von Laiinnen und Laien zu Ordinierten (16 zu 22).
Hier finden Sie weitere Informationen zur Vollversammlung in Krakau und zum Lutherischen Weltbund.