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Neben den beginnenden Schneefällen im Nordosten der japanischen Hauptinsel Hondshu am Mittwoch erfüllt die Menschen im Katastrophengebiet und im südlich davon gelegenen Tokio vor allem die akute Bedrohung mit Angst und Sorge, die von einer Reihe Atomreaktoren ausgeht, die in diesem Land mit seinem äußerst hohem Energiebedarf der Stromerzeugung dienen.

 

Das Beben der Stärke 9,0, das sich am 11. März ereignete, löste einen todbringenden Tsunami aus, der entlang der Küste die Millionenstadt Sendai und zahlreiche kleinere Städte dem Erdboden gleich machte. Bis 16. März war die Zahl der Todesopfer auf 3.700 gestiegen, die Behörden rechnen mit insgesamt über 10.000 Toten.

 

32.000 der insgesamt 127 Millionen Japanerinnen und Japaner sind lutherisch, eine Mehrheit davon vertreten Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB). Gemeinsam mit Angehörigen aller Glaubensrichtungen und Konfessionen beten sie, angesichts der größten Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg, die manche Japanerinnen und Japaner als „schlimmste Katastrophe der letzten 1.000 Jahre“ bewerten, für das Land und seine Bevölkerung.

 

„Von einer LWB-Konferenz in Malaysia bin ich am 14. März in ein verwüstetes Land zurückgekehrt“, berichtete Pfr. Sumiyuki Watanabe, Präsident der Evangelisch-Lutherischen Kirche Japans (ELKJ) der Lutherischen Welt-Information (LWI) am Mittwoch aus Kamata (Tokio).

 

Watanabe hatte an der LWB-Kirchenleitungskonferenz Asien teilgenommen, die vom 10. bis 13. März in Kuala Lumpur stattfand. Die Teilnehmenden hatten Kirchen und Bevölkerung Japans ebenfalls in ihre Gebete eingeschlossen.

 

Watanabe berichtete weiter, die ELKJ habe einen Katastrophenstab eingerichtet und unmittelbar damit begonnen, auf jede mögliche Weise Hilfe anzufordern und Informationen über die Situation der Bevölkerung in der Krisenregion einzuholen. „Von lutherischer, anglikanischer wie römisch-katholischer Seite fiel die Entscheidung zur Zusammenarbeit, auch mit weiteren Konfessionen.“

 

Zugänglichkeit der Katastrophenregion

Derzeit haben Gruppen, die in der von Erdbeben und Tsunami betroffenen Region Hilfe leisten wollen, keinen Zugang dorthin. Nach Angaben der in Genf angesiedelten Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften vom 16. März sind eine halbe Million Menschen obdachlos.

 

Watanabe (62) war auch 1995 an den Nothilfemaßnahmen nach dem massiven Erdbeben der Stärke 6,8 beteiligt gewesen, das über 6.000 Menschenleben hauptsächlich in dem Gebiet um die Hafenstadt Kobe forderte. Seine Einschätzung: „Unser momentanes Problem bei der Hilfeleistung liegt in der Gefahr der nuklearen Strahlung sowie der zerstörten Infrastruktur, die den Zugang in die Region verhindert.“

 

Nur den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften wurde Zugang zu dem Gebiet gewährt, in dem der Tsunami viele Strassen, Gleisstrecken und Flughäfen zerstört hat und der Betrieb zahlreicher Häfen eingestellt werden musste.

 

Der Katastrophenstab, dem auch Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kinki (ELKK) sowie der Japanischen Lutherischen Kirche (JLK) angehören, steht unter der Leitung von ELKJ-Vizepräsident Pfr. Isamu Aota. „Der Katastrophenstab ist in Ichigaya [Tokio-Zentrum] angesiedelt und wir diskutieren derzeit Möglichkeiten, wie unterschiedliche Kirchen zusammenarbeiten können“, legte Aota dar.

 

„Hoffentlich können wir schon nächste Woche zwei oder drei Leute entsenden, die klären, wie die nötige Hilfe umgesetzt werden kann“, erklärte er weiter und fügte hinzu: „1995 konnten wir nach einem halben Jahr Arbeit in Kansai [der von dem damaligen Erdbeben betroffenen Region] erkennen, dass die Region wieder auf die Beine kommen würde. Dieses Mal wird es länger dauern, da so grosse Gebiete Tohokus [im Nordwesten] dem Erdboden gleich gemacht worden sind.“

 

Die ELKJ hat zwei Gemeinden in Sendai, mit einem Pfarrer, der beide betreut. „Momentan bleibt uns nur, zu beten und die Situation zu analysieren, ansonsten müssen wir warten, bis wir aktiv werden können“, so Watanabe.

 

Solidarität

In ihren vom 15. März datierten Schreiben an den LWB und seine Mitgliedskirchen weltweit baten ELKJ, ELKK und JLK um Fürbitten und Unterstützung bei der Nothilfe nach dem Erdbeben. „Angesichts der massiven Zerstörungen durch das Tohoku-Kanto-Erdbeben blutet uns das Herz. Im Blick auf das Ausmaß der Verwüstung bleibt uns nur, zu unserem Herrn um Sein Erbarmen zu beten“, schreibt JLK-Präsident Pfr. Yutaka Kumei.

 

„Es hat den Anschein, dass sich die Situation des Atomreaktors in der Präfektur Fukushima verschärft. Zu den durch das Erdbeben und den Tsunami verursachten Schäden kann man nur sagen, dass sie ein hier in Japan nie dagewesenes Ausmaß haben. […] Wir bitten Sie darum, weiter für uns und für die Opfer dieses tragischen Ereignisses zu beten“, so ELKK-Präsident Pfr. Shigeo Sueoka in seinem Schreiben.

 

In Genf betonte LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge, der zum Zeitpunkt des Erdbebens andere Länder der asiatisch-pazifischen Region besuchte, gegenüber der LWI: „Man kann kaum ermessen, was es für die Bevölkerung und die Kirchen in Japan bedeutet, mit der Situation nach dem Erdbeben und Tsunami vor fünf Tagen konfrontiert zu sein.“

 

„Die Bilder und Berichte, die hier bei uns eingehen, machen die immensen pastoralen und diakonischen Herausforderungen deutlich, die sich stellen. Wir haben unsere Mitgliedskirchen der Fürbitte und der Solidarität der gesamten Kirchengemeinschaft wie auch unserer Bereitschaft versichert, ihre Maßnahmen zur Bewältigung dieser pastoralen und diakonischen Herausforderungen mitzutragen“, so Junge weiter.

 

Der LWB wird über seine Abteilung für Weltdienst (AWD) einen Nothilfeberater entsenden, der den Katastrophenstab der drei lutherischen Kirchen in Japan bei der Koordinierung ihrer Maßnahmen mit Zivilgesellschaft, örtlichen Behörden, Hilfsorganisationen von Religionsgemeinschaften und internationalen Nichtregierungsorganisationen unterstützen soll.

 

Die weltweite kirchliche Nothilfe- und Entwicklungsorganisation ACT-Bündnis, der der LWB angehört, steht bereit, um tätig zu werden, falls sich weiterer Bedarf abzeichnet und die japanischen Partnern Hilfe anfordern.

 

Ein Beitrag von Peter Kenny, freier Journalist aus Genf, für die Lutherische Welt-Information (LWI), den Informationsdienst des LWB.

 

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Der LWB ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegründet, zählt er inzwischen 145 Mitgliedskirchen, denen rund 70 Millionen Christinnen und Christen in 79 Ländern weltweit angehören. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. ökumenische und interreligiöse Beziehungen, Theologie, humanitäre Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit. Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz).

 

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