«Ist da noch jemand?» oder «Fisch sucht Fahrrad»: Kontaktanzeigen in Zeitungen sind heute angesichts von Dating-Apps wie Parship und Tinder selten geworden. Ganz verschwunden sind sie aber nicht.
Oldenburg/Landau (epd). Ausgerechnet im «SperrMüll» hat Monika Wehn die Liebe fürs Leben gefunden. So hieß einer der gedruckten Vorläufer des heutigen Kleinanzeigen-Portals «quoka.de», in dem die Kontaktanzeige stand, durch die Wehn mit 37 Jahren ihren Mann kennenlernte. Zehn D-Mark habe sie das damals gekostet. «Und es waren die besten zehn Mark, die ich je in meinem Leben investiert habe», sagt die heute 72-Jährige aus dem rheinland-pfälzischen Landau dem Evangelischen Pressedienst (epd) anlässlich des Valentinstages am 14. Februar, dem Tag der Liebenden.
Als Monika Wehn und ihr Mann Diethard sich vor 35 Jahren kennenlernten, «gab es noch kein Internet», erinnert sie sich. Mit einem handschriftlichen Brief wurde das erste Treffen der beiden angebahnt. «Das war ja Arbeit», unterstreicht Wehn. Wenn Menschen heute digital auf Tinder, Parship oder «elitepartner.de» nach einer Partnerin oder einem Partner suchen, geht das deutlich einfacher.
Und doch gibt es immer noch klassische und auch gedruckte Kontaktanzeigen, etwa in Anzeigenblättern oder Zeitungen wie der Oldenburger Nordwest-Zeitung. Andreas Böhn, Professor am Institut für Germanistik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), hält Kontaktanzeigen zwar für eine «eigentlich anachronistische Form», meint aber: «Gerade, dass sie mit einem größeren Aufwand verbunden sind, macht sie wertvoller.» Er vermutet, dass Menschen, die heute noch Kontaktanzeigen schalten, das tun, «gerade weil das so einen nostalgischen Touch hat und weil es vielleicht dann als etwas Herausgehobenes erscheint». Insgesamt steht für den Germanistik-Professor aber fest: «Es ist nicht mehr der Normalfall von Kommunikation.»
Böhn vergleicht Menschen, die Kontaktanzeigen schalten, mit Leuten, die «selbstgeschossene Urlaubsfotos irgendwo posten im Internet oder über einen Messenger an ihre Freunde schicken, aber dann zwischendrin doch noch mal Postkarten kaufen und die per Post losschicken». Auch Monika Wehn sagt, obwohl sie mit der Kontaktanzeige Ende der 1980er Jahre gute Erfahrungen gemacht habe, würde sie heute wohl auch im Internet suchen. «Ich würde alle Fäden ziehen, die erreichbar sind.» Und egal ob Tinder oder klassische Kontaktanzeige: «Wenn ich mich selbst nicht richtig einschätze, wenn ich selbst nicht weiß, was ich suche, kann ich nie das Richtige finden», sagt sie.
Die Richtigen zusammenzubringen, ist für Simone Janssen ihr täglich Brot. Sie betreibt in Köln eine Partnervermittlung und engagiert sich in der «Gemeinschaft der Ehe- und Partnervermittlungen». Sie sei eine «absolute Befürworterin» von klassischen Kontaktanzeigen, sagte sie dem epd. Die professionelle Partnervermittlerin hat beobachtet, dass viele Menschen auf der Suche nach Kontakt «von Online-Angeboten überfordert» seien. «Dating-Burnout» nennt sie das. Denn die Suche dort sei zeitaufwändig wie ein Nebenjob, und «der Frust wird immer größer».
Joachim von Gottberg hat Ähnliches beobachtet. Der ehemalige Professor für Medienwissenschaft an der Uni Halle an der Saale spricht von einem «Tinder-Burnout», «wenn die Suche über längere Zeit erfolglos bleibt, wenn man immer wieder neue Hoffnungen hat, die dann enttäuscht werden». Manche Suchende entwickelten auch «eine Art Suchtverhalten, sie warten immer ab, ob sie nicht vielleicht noch jemand Interessanteren oder Besseren finden, und können sich deshalb nicht entscheiden».
Er beobachtet aber auch noch etwas anderes: «Früher galten Kontaktanzeigen oft als peinlich, während heute viele Paare offen zugeben, sich über Apps wie Tinder kennengelernt zu haben.» Vor allem ältere Menschen könnten noch immer klassische Printmedien zur Kontaktaufnahme bevorzugen, vermutet Gottberg, «beispielsweise nach dem Verlust eines Partners».
Dass die digitalen Dating-Plattformen die klassische Kontaktanzeige nicht ganz verdrängt haben, berichten auf epd-Anfrage auch zwei Zeitungsverlage. In der Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit» etwa stehen nach Angaben des Verlags aktuell pro Ausgabe 30 bis 45 Anzeigen dieser Art. «Auch wenn die Zahl der Anzeigen im Laufe der Jahre zurückgegangen ist, suchen nach wie vor viele Menschen über unsere Kontaktanzeigen nach einem Partner», sagt eine Sprecherin und weist auf die Seriosität hin: «Bei den Anzeigen, die wir veröffentlichen, handelt es sich immer um echte partnerschaftliche Angebote.»
Bei der Verlagsgesellschaft der «Nordwest-Zeitung» berichtet Dagmar Fahrenholz, Teamleiterin im Kundenservice/Kleinanzeigen, von 753 Anzeigen in der Rubrik «Sie sucht ...» und 661 Anzeigen in «Er sucht ...» im vergangenen Jahr. Grundsätzlich seien die Printanzeigen rückläufig, auf den Online-Plattformen des Verlags nähmen die Aufträge aber zu. Zum Stil der Anzeigen heißt es bei dem Oldenburger Verlag, «dass Inserenten mutiger und offener in ihren Formulierungen geworden sind».
Monika und Diethard Wehn halten Kontaktanzeigen, egal ob damals oder heute, für eine Möglichkeit, überhaupt auf Menschen zu treffen, die auch auf der Suche sind. Sie hätten damals überlegt, ob sie eine Chance gehabt hätten, sich irgendwo auch nur über den Weg zu laufen. Eher nicht, glauben sie: «Wir haben 15 Kilometer auseinander gewohnt. Wir haben nichts gefunden, wo wir zum Beispiel beide regelmäßig hingehen.»