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Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Kohlfahrt, doch dann wird klar: Es ist eher eine „Kreuz-Fahrt“. Rund 20 Menschen haben am Freitag das „Sonnenkreuz“ aus der alten Justizvollzugsanstalt (JVA) an der Gerichtsstraße zu seinem neuen Standort in der JVA an der Cloppenburger Straße getragen. Anlass dafür war der offizielle Abschied vom Kirchenraum im alten Gefängnis an der Gerichtsstraße.

Bis zum 22. März werden auch die letzten Häftlinge aus der Abteilung Gerichtsstraße ausgezogen sein. Das alte Gefängnis wird dann geschlossen - und damit auch der Kirchenraum, in dem seit Eröffnung der Anstalt 1857 regelmäßig Gottesdienste gefeiert worden sind.
„Unser ‚Sonnenkreuz’, das hier unter der Lichtkuppel hing, wollten wir nicht einfach in einen Umzugswagen packen“, sagt die Gefängnisseelsorgerin Angelika Menz. „Darum wollen wir es zu Fuß nach Kreyenbrück bringen und vorher - als offiziellen Abschied vom Kirchenraum - eine Andacht für die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen der JVA, für die Inhaftierten und für die Menschen aus den benachbarten Kirchengemeinden feiern.“
Der Kirchenraum in der JVA gehört zum Gemeindegebiet der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Osternburg.

„Bis die letzten Inhaftierten umgezogen sind, halten wir noch weiter samstags nachmittags in der Gerichtsstraße den Gottesdienst ab“, so Pastorin Menz. In der Kapelle auf dem Gelände der JVA an der Cloppenburger Straße findet der Gottesdienst sonntags statt - dort soll das „Sonnenkreuz“ bald seinen neuen Platz finden.

Um beim Abschied vom Kirchenraum dabei zu sein, durchlaufen die Besucher „von außen“ zunächst die normalen Sicherheitsprozeduren im Gefängnis: den Ausweis vorzeigen und abgeben, Türen, die hinter den Gästen auf- und sofort wieder zugeschlossen werden - dazu trägt auch Angelika Menz einen dicken Schlüsselbund am Gürtel.
In der Abschieds- Andacht spricht die Pastorin über das Thema Veränderung. „‚Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ - so heißt es auch in der Jahreslosung für 2013“, sagt sie. „Nichts bleibt, wie es ist, alles ändert sich über Nacht - auch der Ort der JVA. Dieser kleine, alte Raum war und ist Kirche, auch wenn man das von außen nicht sieht. Aber jetzt ist Zeit, Abschied zu nehmen, und ich tue das mit einer Portion Wehmut und Traurigkeit. Unsere Suche nach der zukünftigen Stadt geht weiter.“

Anstaltsleiter Gerd Koop spricht über Veränderung als Wegbegleiter – und als Weg in die Zukunft. „Vor 22 Jahren stand ich hier zum ersten Mal“, erinnert er sich. „Seitdem gab es viele Veränderungen, wir haben viel verändert. Strafvollzug kann man nur mit Vertrauen praktizieren. Mit Misstrauen gibt es keine Zukunft.“ Musikalisch untermalt wird die Andacht von einem eigens für den Anlass zusammengestellten Posaunenchor.

Rund 20 Menschen begleiten das „Sonnenkreuz“ nach der Andacht bei knackig-kaltem Winterwetter auf dem Weg von der Gerichtsstraße über die Cäcilienbrücke und am Kanal entlang zur neuen JVA in Kreyenbrück. Mehrere Gruppen von Kohlfahrern beäugen unterwegs erstaunt die etwas ungewöhnliche „Kreuz-Fahrt“, bei der immer zwei Teilnehmer - darunter ehrenamtliche Mitarbeiter der JVA, ehemalige Angestellte und Gemeindemitglieder unter anderem aus Osternburg und Eversten - das Kreuz, das an einer Stange befestigt ist, auf ihren Schultern tragen.

Am Ziel in der JVA an der Cloppenburger Straße heißt es für die Kreuzgänger zunächst wieder, alle Sicherheitskontrollen zu durchlaufen, dann wird das Kreuz von der JVA-Psychologin Denise Grenz und einem Inhaftierten - stellvertretend für alle Angestellten und Insassen - in Empfang genommen. Danach gibt es Tee, Kaffee und Kekse für alle Teilnehmer des Spaziergangs.

Sobald ein neuer Platz für das „Sonnenkreuz“ gefunden ist, wird es eine feierliche Einweihung geben. Ein Datum steht allerdings noch nicht fest. „Vielleicht zu Ostern“, sagt JVA-Seelsorger und Pastoralreferent Norbert Kisse. „Das wäre ein schöner Termin.“

Das gelb- und orangefarbene, durchscheinende „Sonnenkreuz“ wurde vom Recklinghauser Künstler Ludger Hinse geschaffen. Seine Kunstwerke waren in dem großen ökumenischen Projekt „Licht des Glaubens“ in der Passionszeit 2011 im Stadtgebiet von Oldenburg in 28 Kirchen, Gemeinden und anderen Einrichtungen zu sehen. Die Kirchengemeinde St. Lamberti hatte den Menschen in der JVA das „Sonnenkreuz“, welches der Künstler eigens für den Ort ausgesucht hatte, nach Ende der Ausstellung geschenkt.

Antje Wilken

Das „Sonnenkreuz“ wurde aus der Gerichtsstraße verabschiedet.
Das Kreuz wird von der Gerichtsstraße über die Cäcilienbrücke und am Kanal entlang zu seinem neuen Standort in der JVA an der Cloppenburger Straße getragen.
Das „Sonnenkreuz“ an seinem alten Platz unter der Lichtkuppel im Gebäude der Justizvollzugsanstalt in der Gerichtsstraße.
Das Kreuz geht auf die Reise – mit Gefängnisseelsorgerin Angelika Menz und JVA-Dienstleiter Thomas Gerdes.
Die Übergabe des Kreuzes mit Gefängnisseelsorger Norbert Kisse, JVA-Psychologin Denise Grenz, einem Inhaftierten und Gefängnisseelsorgerin Angelika Menz.
Stellvertretend für alle Angestellten und Insassen nehmen JVA-Psychologin Denise Grenz und ein Inhaftierter das „Sonnenkreuz“ in der JVA in Kreyenbrück entgegen. Fotos: Antje Wilken