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„Unterwegs sein! Veränderungsideen! Ausprobieren, was geht. Selbst wenn vieles noch unklar ist – was für eine Chance!“ Wie prägend ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) für junge Menschen sein kann, machte Bischof Jan Janssen mit eindrücklichen Worten in seiner Predigt deutlich, die er im ZDF-Fernsehgottesdienst am Sonntag, 7. September, hielt.

 

Der Open-Air-Gottesdienst vom Blockhaus Ahlhorn anlässlich des Doppeljubiläums der Evangelischen Freiwilligendienste wurde live vom ZDF übertragen. Vor 60 Jahren wurde in Neuendettelsau (Bayern) erstmals zum Diakonischen Jahr aufgerufen. Vor 50 Jahren wurde diese Form gesellschaftlichen Engagements als Freiwilliges Soziales Jahr gesetzlich geregelt.

Der Oldenburger Bischof hatte selbst im Zivildienst nach dem Abitur erfahren, welch ein nachhaltiger Einschnitt die Zeit zwischen Schule und Berufsleben sein kann. „Beruflich wusste ich noch nicht so recht, wohin. Zeit gewinnen wollte ich und was Soziales austesten.“ Er leistete den Zivildienst in einem Pflegeheim. „Ich habe manchmal geschimpft über die Mühe und die Zustände. Aber ich habe da wahrlich was fürs Leben gelernt. Und einige der Alten sind mir heute noch lieb vor Augen“, sagte er.

Und so ermutigte Bischof Jan Janssen auch die jungen Menschen zum freiwilligen sozialen Engagement: „Freiwillig und dienstbar - dieses Engagement hat die Sympathie Gottes“, so Janssen der auch Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Freiwilligendienste ist.

„Wertvolles im Gepäck“ war der Gottesdienst zum Thema Aufbruch und Umbruch überschrieben, in dem drei Jugendliche aus der Region von ihrer Zeit im FSJ berichteten: Kristina Erdélyi hat ein Jahr lang in der Behindertenwerkstatt in Sandkrug mit Menschen gearbeitet, die durch einen Unfall oder andere Schicksalsschläge eine Behinderung erworben haben, Ole Skripalle hat sein FSJ in einem integrativen Kindergarten in einem Brennpunkt in Oldenburg geleistet. Julia Heil arbeitet bei der Jugendhilfe Collstede bei Varel und engagiert sich für Jungen im Alter von zehn bis 15 Jahren.

Alle drei wollten sich nach der Schule erst einmal Zeit nehmen, um zu sich selbst zu finden. Kristina Erdélyi hat das FSJ in ihrem Berufswunsch – Psychologin – bestätigt. Sie beginnt jetzt ein Psychologiestudium in Groningen. „Dieses Jahr hat meine soziale Kompetenz, den Umgang mit ungewohnten und schwierigen Situationen gestärkt. Ich bin froh, das FSJ gemacht zu haben“, zieht sie Bilanz. Ole Skripalle dagegen hat sich gegen sein eigentliches Ziel, Lehramt zu studieren, entschieden und macht nun eine kaufmännische Ausbildung. „Das ist im Moment genau das Richtige für mich“, sagt er.

„Ich lerne mich selbst mit meinen Stäken und Schwächen jetzt richtig kennen. Es ist toll, Verantwortung zu übernehmen – und es lässt einen schnell erwachsen werden“, ist die Erfahrung von Julia Heil. Doch nicht nur junge Menschen an einem Wendepunkt ihres Lebens kamen zu Wort. Johanna Muthreich fasste in Worte, was viele Menschen ihrer Generation kennen: „Ich bin letztes Jahr in Rente gegangen. Nach mehr als 30 Jahren im Berufsleben. Da war ich eigentlich schon lebenserfahren. Trotzdem fühlte sich alles neu an. Ich habe erstmal viele Sachen ausprobiert und mich gefragt: wo passe ich gut rein, was liegt mir? Außerdem wollte ich wieder irgendwo dazu gehören! Das habe ich geschafft: Ich mache jetzt einen Englischkurs. Zusammen mit sechs anderen Frauen. Wir haben viel Spaß zusammen. Mein Adressbuch mit den Telefonnummern der alten Kolleginnen und Kollegen habe ich aufgehoben. Damit wir weiter in Verbindung bleiben“, sagte sie im ZDF-Gottesdienst.

Ihr Adressbuch legte sie in einen Rucksack, in dem schon symbolische Gegenstände der drei FSJler lagen: Julia Heil hatte ein Foto ihrer Familie hineingesteckt, Ole Skripalle ein Memory-Spiel, Kristina Erdélyi ein paar Schuhe. „Ihr habt gut gepackt. Das hilft auf dem Weg“, bestätigte Bischof Janssen. Für junge Menschen sei ein Freiwilligendienst eine große Chance. „Viele wurden mit einem ganzen Rucksack voller Erfahrungen gesegnet“, so Janssen, das sei „kostbares Gut im Gepäck für den Lebensweg“. Bischof Janssen mahnte jedoch gleichzeitig: „Was wir uns aufladen, kann auch zur Last auf den Schultern werden.“ Die alttestamentarische Geschichte von Abraham und Sarah, die in hohem Alter von Gott ins gelobte Land geschickt werden und zu einer Reise ins Ungewisse aufbrechen, zog sich als roter Faden durch den Gottesdienst, den der Bischof gemeinsam mit Gemeindepastorin Imke Gießing aus Wardenburg leitete.

In den vergangenen 60 Jahren haben sich laut Bischof Janssen rund eine halbe Million Menschen in sozialen, ökologischen oder kulturellen Arbeitsfeldern für andere eingesetzt. „Ihr tragt aktiv zum Frieden bei in diesem Gedenkjahr der Weltkriege“, sagte er zu den rund 200 überwiegend jungen Besucherinnen und Besuchern des Gottesdienstes, von denen viele seit September am Freiwilligendienst im Oldenburger Land teilnehmen. „Ihr bringt Wärme, ihr schafft Gerechtigkeit inmitten sozialer Kälte.“

Vor anderthalb Jahren hatten die Planungen für den Fernsehgottesdienst begonnen. „Wir legen Themen und Orte unserer Liveübertragungen sehr langfristig fest“, erklärt Elke Rudloff, die Fernsehbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Von der üppigen Natur und der beeindruckenden Seenlandschaft der Ahlhorner Fischteiche sei sie sofort fasziniert gewesen. „Eine tolle Location“, findet sie. Seit Januar hat Rudloff eng mit einer Konzeptionsgruppe vor Ort zusammengearbeitet, in regelmäßigen Treffen wurde der gesamte Ablauf minutiös geplant.

Dass dann am Freitag, dem Anreisetag des Fernsehteams, die Autobahn gesperrt war, der Wagen mit dem Stromaggregat eine Reifenpanne hatte und schwere Gewitter angesagt waren, konnte das professionelle Team nicht wirklich aus der Ruhe bringen. „Diese Tage waren getragen von einer sehr entspannten Atmosphäre“, beschreibt Birgit Carmona Schneider, Mitglied der Konzeptionsgruppe. Der Sonnabend war geprägt von Stellproben, Tonproben, letzten Veränderungen, ehe es gegen Abend ernst wurde: Jetzt stand die Generalprobe an, der letzte Durchlauf vor dem Gottesdienst. „Es macht große Freude, hier zu arbeiten, weil jeder weiß, was er tun muss. Wir wollen am Sonntag den Menschen die frohe Botschaft rüberbringen – dafür setzt sich hier jeder ein“, schildert Bischof Janssen die Stimmung. „Hier zeigt sich mehr als deutlich, dass ein guter Gottesdienst mehr Menschen beteiligt als nur den Pastor oder die Pastorin. Es sind ganz viele Begabungen, die hier ineinandergreifen. Für uns als Team hat der Gottesdienst längst begonnen, denn durch das Miteinander ist eine wunderbare Gemeinschaft entstanden.“

Die Evangelischen Freiwilligendienste mit insgesamt 45 Trägern wurde 1964 ins Leben gerufen. Derzeit arbeiten rund 13.000 Freiwillige im FSJ und dem Bundesfreiwilligendienst BFD in den Evangelischen Freiwilligendiensten sowie etwa 800 Freiwillige in einem der Auslandsdienste. Bereits zehn Jahre zuvor, 1954, hatte das „Diakonische Jahr“ in Nordbayern den Grundstein zu den späteren Freiwilligendiensten gelegt.

Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.

Hier finden Sie den vollen Wortlaut der Predigt von Bischof Jan Janssen im Format PDF.

 

Weitere Informationen zu den Evangelischen Freiwilligendiensten finden Sie im Internet unter: www.ev-freiwilligendienste.de sowie www.freiwilligendienste-ol.de


Den Gottesdienst finden Sie in der ZDF-Mediathek unter: www.zdf.de/gottesdienste/wertvolles-im-gepaeck-evangelischer-gottesdienst-aus-grossenkneten-34842006.html

Der Open-Air-Gottesdienst vom Blockhaus Ahlhorn wurde anlässlich des Doppeljubiläums der Evangelischen Freiwilligendienste live vom ZDF übertragen. Foto: ELKiO/Anke Brockmeyer
ZDF-Fernsehgottesdienst vom Blockhaus Ahlhorn anlässlich des Doppeljubiläums der Evangelischen Freiwilligendienste. Foto: ELKiO/Anke Brockmeyer
Der Open-Air-Gottesdienst vom Blockhaus Ahlhorn wurde live vom ZDF übertragen. Foto: ELKiO/Günther Raschen
Rund 200 überwiegend junge Menschen besuchten den Gottesdienst am Blockhaus Ahlhorn. Foto: ELKiO/Günther Raschen
Viele von ihnen nehmen seit September am Freiwilligendienst im Oldenburger Land teil. Foto: ELKiO/Günther Raschen
Los geht‘s: Höchste Konzentration beim ganzen Team. Foto: ELKiO/Günther Raschen
„Danke allen, die je solch ein Jahr hergegeben haben“, so Bischof Jan Janssen. Alle weiteren Fotos: ELKiO/Anke Brockmeyer
Captivated, die Band der evangelischen Musikschule ConTakte, gestaltete den Gottesdienst musikalisch.
Der Wilhelmshavener Pastor Bernhard Busemann sang den Hannes-Wader-Song „Heute hier, morgen dort“.
„Für meinen Einsatz in der Werkstatt hatte ich gute Schuhe eingepackt, weil ich wusste, dass ich viel auf den Beinen sein würde“, erzählte Kristina Erdélyi (Mitte, mit Julia Heil und Ole Skripalle).
Ihr Adressbuch symbolisierte für Johanna Muthreich ihren Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt.
Johanna Muthreich legt ihr Tagebuch in den Rucksack, der symbolische Gegenstände für den Aufbruch enthält.
Glaube, Liebe Hoffnung – Schlüsselanhänger mit den drei Symbolen wurden im Gottesdienst verteilt.
Jugendliche aus verschiedenen Gemeinden der oldenburgischen Kirche haben die Dreharbeiten mit ehrenamtlicher Hilfe unterstützt.
Regisseurin Marion Rabiga (vorn) und Produktionsleiter Christian Stachel (re.) besprechen am Samstag bei den Proben mit Johanna Muthreich, Kristina Erdélyi, Julia Heil und Ole Skripalle (von li.) noch einmal die Aufstellung.
Ole Skripalle wirft noch einen letzten Blick in sein Textmanuskript, ehe es losgeht.
Ganzer Einsatz, um das Licht perfekt einzusetzen.