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Wie politisch darf sich Kirche äußern? Bundestagspräsidentin Klöckner hat die Debatte neu entfacht. Ihr CDU-Parteifreund Rachel, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), springt ihr bei und warnt wie Klöckner vor Beliebigkeit.

 

Hannover/Berlin (epd). In der Debatte um politische Stellungnahmen der Kirchen springt der kirchenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Rachel, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (beide CDU) bei. Wenn die Kirchen «nur als eine weitere Stimme mit spezifischen Empfehlungen in der Tagespolitik wahrgenommen werden», verlören sie ihre Authentizität und damit ihre einzigartige Wirkkraft, sagte Rachel. Er gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an.

Der Bundestagsabgeordnete sagte dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» (Mittwoch) aber auch: «Dort, wo die politische Dimension von Kirche unmittelbarer Ausfluss der Evangeliums-Verkündigung ist, wirkt sie befruchtend, inspirierend und ist wirksam.» Sie erreiche Menschen weit über die Mitgliedschaft hinaus. «Weil die Botschaft genuin ist. Nur die Kirchen können sie sagen», fügte er hinzu.

Die Katholikin Klöckner hatte sich zu Ostern in der «Bild am Sonntag» von den Kirchen mehr Sinnstiftung und weniger Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen im Stile einer Nichtregierungsorganisation gewünscht. Kirche werde austauschbar, wenn sie zu beliebig werde und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe.

Der theologische Vizepräsident der EKD, Stephan Schaede, widersprach Klöckner. Politik umfasse dem Wortsinn nach alles, was die Polis, das Gemeinwesen, betreffe. «Wir als Kirche sind ein Teil davon und helfen bei dem biblischen Auftrag mit, der Stadt Bestes zu suchen», sagte Schaede der «Bild»-Zeitung (Mittwoch). Die beiden kirchlichen Hilfswerke Misereor und «Brot für die Welt» gehörten zu den stärksten Playern humanitärer Hilfe. «Wir nehmen uns nicht nur das Recht, wir spüren auch die Verpflichtung, uns zu Missständen zu äußern, die gute Politik beheben könnte», sagte Schaede.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, warf Klöckner vor, den Kirchen zu drohen, wenn sie diese mit Nichtregierungsorganisationen vergleiche. «Denn damit wird die Erwartung verbunden, dass sie sich nicht unbequem für CDU und CSU verhalten», sagte er dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» (Mittwoch). «Das ist ein unsäglicher Vorgang. Ich bin irritiert, dass eine Bundestagpräsidentin sich so äußert», sagte Notz.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller attackierte Klöckner scharf und warf ihr den Versuch eines «faktischen Denk- und Sprechverbots für die Kirchen zu politischen Themen» vor. Die religiös motivierte Einmischung in politische und gesellschaftliche Diskurse unterliege nach dem Grundgesetz «keinen inhaltlichen Schranken, die Politiker den Kirchen und Religionsgemeinschaften errichten könnten», schrieb Schüller im «Kölner Stadt-Anzeiger» (Mittwoch). Schon der Versuch wäre verfassungswidrig.

Offenbar sei es die Haltung der Kirchen zur Migrations- und Asylpolitik der Union, die Klöckner aufgebracht habe. Die Kirchen müssten hier aber «Stachel im Fleisch» bleiben, schrieb Schüller in dem Zeitungsbeitrag.