Im schwedischen Höör hat der Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB), Landesbischof Gerhard Ulrich, die europäischen Kirchen zu einem kritischen Umgang mit dem Konsumverhalten in Europa und dessen globalen Folgen aufgerufen. Ulrich sprach bei der europäischen Vorbereitenden Konsultation für die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) zum Thema „Schöpfung – für Geld nicht zu haben“.
Der Landesbischof der Nordkirche forderte einen besseren Schutz für Menschen, deren Existenzgrundlagen durch den Klimawandel zerstört wurden. Diesen Klimaflüchtlingen bliebe oft keine andere Möglichkeit als die Migration: „Sie wollen nicht migrieren. Sie müssen es“, so Ulrich. „Auch sie sind Flüchtlinge. Nicht politisch verfolgt, aber vom Klima genauso bedroht wie andere durch Terrormilizen. Wir müssen den Begriff des anerkannten Flüchtlings unbedingt erweitern, damit auch diese Menschen geschützt werden können.“
Mitverantwortung für die Fluchtursachen
In Deutschland und Europa sieht Ulrich eine Mitverantwortung für die Fluchtursachen der Menschen im globalen Süden: „Unser Konsumverhalten entscheidet, welche Produkte und Dienstleistungen unter welchen Bedingungen hergestellt und angeboten werden“, betonte der Vertreter der elf deutschen LWB-Mitgliedskirchen. Der Wunsch nach billigem Fleisch in Europa führe beispielsweise zu Massentierhaltung, Monokulturen und Verlust von Biodiversität in Ländern des Südens und beschleunige den Klimawandel. „Die dramatischen Auswirkungen auf die Agrarwirtschaft erfahren unsere Partnerkirchen und -organisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika schon jetzt hautnah“, unterstrich Ulrich.
Mit Bezug auf Martin Luther rief Ulrich die LWB-Mitgliedskirchen Europas zu einem Umsteuern auf. „Luther ergreift eindeutig Partei für die Schwachen, die Armen. In unserer heutigen globalisierten Weltwirtschaft heißt das: Verantwortung zu übernehmen für gerechte Verteilung und Teilhabe an den Reichtümern dieser Erde und gegen Ausbeutung und Raubtierkapitalismus.“ Um dieser Aufgabe in Zeiten der Globalisierung gerecht zu werden, seien christliche Netzwerke in aller Welt und konfessionelle Zusammenschlüsse wie der Lutherische Weltbund dringend gebraucht, so Ulrich. Dies werde auch die LWB-Vollversammlung im Mai in Namibia prägen.
An der Vorbereitenden Konsultation in Höör nahmen vom 31. Januar bis 3. Februar rund 90 Delegierte aus den drei europäischen LWB-Regionen teil. Zu den Teilnehmenden gehörten auch Pfarrerin Nele Schomakers aus Delmenhorst und Pfarrer Thomas Adomeit, die beide als Delegierte der oldenburgischen Kirche an der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes vom 10. bis 16. Mai 2017 in Windhuk (Namibia) teilnehmen werden. Die Tagung in Höör diente der Vorbereitung der Zwölften LWB-Vollversammlung. Leitend waren das Hauptthema der Vollversammlung „Befreit durch Gottes Gnade“ sowie die drei Unterthemen „Schöpfung/Erlösung/Menschen – für Geld nicht zu haben“. Vorbereitende Konsultationen finden in allen sieben LWB-Regionen statt.
Gastgeberinnen der Vollversammlung sind die drei lutherischen Kirchen in Namibia. In Windhuk ist auch eine Gedenkfeier zum 500. Jahrestag der Reformation geplant, erwartet werden 800 Teilnehmende, darunter 370 Delegierte aus LWB-Mitgliedskirchen.
Die Vollversammlung, zu der alle sechs bis sieben Jahre Delegierte aus allen Mitgliedskirchen eingeladen werden, ist das höchste beschlussfassende Organ des LWB.
Glaube ruft die Kirchen zum Dienst an der Welt
LWB-Generalsekretär bereitet europäische Delegierte auf LWB-Vollversammlung vor
„Leidenschaftlich engagiert für die Kirche und die Welt – so verstehen wir uns als weltweite Kirchengemeinschaft“, mit diesen Worten umriss Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge, der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), in seiner Ansprache an die Teilnehmenden der Vorbereitenden Konsultation in Höör das Selbstverständnis der Organisation. Junge stellte den LWB vor als „eine Gemeinschaft in Christus, die gemeinsam lebt und arbeitet für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung in der Welt.“
Gründungszweck: Leidenden zur Seite stehen
Der Generalsekretär betonte, bei seiner Gründung 1947 habe eine zentrale Berufung des LWB darin bestanden, die Aktivitäten von Kirchen zu bündeln, den Leidenden zur Seite stehen sowie Flüchtlingen und Vertriebenen zu helfen. „Der LWB wurde gegründet als Antwort auf einen Ruf an die Kirchen, zusammenzufinden und eine von Gewalt geprägte Vergangenheit zu überwinden indem sie Versöhnung wirkten und dem Leid der Menschen entgegentraten im Engagement für Flüchtlinge und die ganze Menschheitsfamilie.“
In der Nachkriegszeit sei es ein Anliegen der lutherischen Kirchen gewesen, mehr zu sein als „Kirchen in ihren je unterschiedlichen Ländern, sie wollten zusammenfinden und gemeinsam Zeugnis geben von der Wandel wirkenden Liebe Gottes. Die erste Berufung des LWB war der Dienst an den Menschen“, so Junge.
Unter Verweis auf eine von LWB, ACT Alliance und Ökumenischem Rat der Kirchen (ÖRK) gemeinsam veröffentlichten Erklärung stellte Junge fest, dass Kriegsflüchtlinge zweifelsohne geschützt werden müssten. Ein solcher Schutz der Schwächsten sei eine moralische Pflicht, die heute im Völkerrecht verbindlich festgeschrieben sei. Ein Flüchtling sei ein Flüchtling und habe als solcher einen Anspruch auf Schutz, ohne Ansehen der religiösen Überzeugung.
Von Frauen und jungen Menschen lernen
Im Rückblick auf den Weg, den die lutherische Kirchengemeinschaft im Lauf ihrer Geschichte zurückgelegt hat, unterstrich der Generalsekretär den Beitrag der jungen Generation und der Frauen. „Die jungen Menschen und die Frauen, und ihre aktive Mitwirkung auf unserem Weg, waren und sind ein Segen“, erklärte er. Der LWB hat für seine Entscheidungsgremien eine Beteiligung von mindestens 40 Prozent Männern, 40 Prozent Frauen und 20 Prozent jungen Menschen festgeschrieben.
Dies habe den Blick der Kirchengemeinschaft geweitet. Die aktive Partizipation der jungen Generation habe zu einer Reihe von Themen ein vertieftes Verständnis erschlossen. „Der Beitrag der Jugend ist der Grund dafür, dass wir die Klimagerechtigkeit als Frage generationenübergreifender Gerechtigkeit so klar im Blick haben“, betonte Junge und dankte dem Globalen Netzwerk junger Reformatorinnen und Reformatoren für dessen wegweisende Beiträge zur Arbeit des LWB.
Die LWB-Mitgliedskirchen hätten sich, so Junge, in mehreren Vollversammlungsbeschlüssen verpflichtet, auf den vollumfänglichen Zugang von Frauen zum ordinierten Amt hinzuarbeiten. Dies sei ein kontinuierlicher Prozess. Die Kirchengemeinschaft sei sich der unterschiedlichen Kontexte und konkreten Herausforderungen bewusst, die sich ergeben könnten, verliere dieses Ziel jedoch nicht aus den Augen.
Vor diesem Hintergrund erklärte der Generalsekretär, der Austausch über die Geschichte von Frauen in Leitungsverantwortung sei integraler Bestandteil des Reformationsgedenkens. „Dieses Jubiläum bietet eine hervorragende Gelegenheit, nicht nur die Geschichte der lutherischen Kirchen und der Reformation darzustellen, sondern auch die Frauengeschichte(n) (Her-Stories), also die Geschichte der Frauen und ihres Beitrags zum Zeugnis der LWB-Mitgliedskirchen und der lutherischen Kirchengemeinschaft insgesamt.