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„Trotz des gesamtgesellschaftlichen Wandels behält die Kirche eine besondere Bedeutung bei der Eheschließung. Die Religiosität bleibt eine anthropologische Grundkonstante.“ Dies unterstrich die renommierte Familiensoziologin Professorin Dr. Rosemarie Nave-Herz aus Oldenburg im Rahmen ihres Vortrages vor dem Pfarrkonvent des Kirchenkreises Delmenhorst / Oldenburg Land Anfang Februar in Sandkrug.

Die Pastorenschaft bekam, wie das Echo zeigte, einen höchst willkommenen Außenblick auf die Kirchliche Trauung. Zunächst ging die Referentin auf den Wandel der Ehe ein. Sie sei kein „rite de passage“ (Übergangsritus) mehr, da sich rein äußerlich nichts ändere, sondern ein „rite de confirmation“. Gemeint ist damit, dass eine schon länger bestehende Partnerschaft in einer gemeinsamen Wohnung auf die Zukunft hin bestätigt werde. Eine informelle Lebensform werde in eine formelle überführt, die Eltern bekommen Schwiegerkinder und die Erbschaftslinien werden neu definiert, so der soziologische Befund.

Nichteheliche Lebensgemeinschaften würden in der Regel nach sieben bis zehn Jahren in die Ehe überführt, so das Forschungsergebnis. Da die Kontinuitätssicherheit nicht mehr gegeben sei, ginge es um die „Absicherung von prinzipiell Unsicherem.“ Ein Motiv für Eheschließungen sei auch, wenn Kinder geboren würden. Die Frau möchte so eine Absicherung als Mutter erreichen und der Mann für die Ausübung seiner Vaterschaft. Dieses Motiv, indem die Heirat wieder zu einem „rite de passage“ werde, könnte allerdings in Zukunft durch das neue Unterhaltsrecht „konterkariert werden“ vermutet Nave-Herz, die weiter sagte: „Rein statistisch betrachtet leben wir in einer Paar-orientierten Gesellschaft, wobei die nach-elterliche Phase am längsten dauert“.

In Hinblick auf die Kirchliche Trauung betonte die Soziologin die emotionale und religiöse Seite der Eheschließung. Im Bundesschnitt heirateten nur etwa die Hälfte der evangelischen Kirchenmitglieder kirchlich. Die „doppelte Bejahung“ der Ehe in Standesamt und Kirche entspreche dem Bedürfnis, die Ehe öffentlich und in einem feierlichen Rahmen einzugehen.

Eine von Nave-Herz durchgeführte Studie ergab vier Grundbedürfnisse, die die Kirchliche Trauung erfüllt. Zum einen sei es das religiöse Bedürfnis, Gottes Segen für den gemeinsamen Lebensweg zugesprochen zu bekommen. Damit werde der Glaube zu einem Einheit stiftenden Moment des Lebens. Als zweites Bedürfnis wurden das Festhalten und die Weitergabe von Traditionen genannt. Kennzeichnend seien dabei allgemeine Orientierungen, die durch Brauch und Sitte vorgegeben und für das Wohlbefinden der Paare wichtig seien. Das dritte Bedürfnis wurde bestimmt als „Konformismus im privaten Bereich“. Gemeint ist damit, sich kirchlich trauen zu lassen, um damit dem Wunsch des Partners oder der Familie zu entsprechen. Als vierte Bedürfniskategorie wurde das Bedürfnis nach „Demonstration und Selbstdarstellung“ genannt. Dabei würde die Kirche als „wirkungsvollster und außeralltäglicher Rahmen für die Trauung angesehen“ In Konkurrenz dazu stünden die zunehmenden Angebote der Standesämter, sich an außergewöhnlichen Orten trauen zu lassen.

Professorin Nave-Herz betonte, ihre Studie habe ergeben, dass bei allen vier Bedürfnissen die Religiosität und das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche von großer Bedeutung seien. Bei fast allen Befragten spielte die Hoffnung ein wichtige Rolle, in der Kirchlichen Trauung Unterstützung für das „Immer – Zusammenbleiben“ zu bekommen.

Die Statistik gibt den Paaren recht: Danach werden kirchlich Getraute weniger geschieden. Dennoch, so die Soziologin, werde nach ihrer Studie das religiöse Bedürfnis von Paaren jedoch oft nicht aufgenommen.  

Michael Lupas, Pastor in Hude, zog als Fazit: „Alle Gründe für die Kirchliche Trauung, so diffus sie auch sind, sind respektabel.“

Einen Anstoß zum kritischen Nachdenken gab den Pastorinnen und Pastoren ein weiteres Ergebnis der soziologischen Befragung: Nave-Herz sprach das Problem der Kirchenferne vieler Paare an. Sie wüssten oft nicht, zu welcher Kirchengemeinde sie gehörten und hätten sich gewünscht, dass die Kirche nicht nur durch den Gemeindebrief auf sie zukomme. Viele hätten Angst, von sich aus den Kontakt zur Kirche aufzunehmen. Doch fast alle sprachen positiv über das Traugespräch. Insbesondere das Gespräch über Sinnfragen habe man als wichtig befunden – den ausbleibenden kirchlichen Kontakt danach jedoch bedauert.

Ein Beitrag von Pfr. Udo Dreyer.

Familiensoziologin Professorin Dr. Rosemarie Nave-Herz aus Oldenburg beim Pfarrkonvent des Kirchenkreises Delmenhorst / Oldenburg Land Anfang Februar in Sandkrug. Foto: Pfr. Udo Dreyer.