Zum Hauptinhalt springen

Die Wünsche für den nächsten Sommer sind bescheiden. „Wir möchten ein Sonnensegel, und zwar von Anfang an“, sagt Lenny Schuchaert. Die Schweißperlen stehen dem jungen Mann auf der Stirn und er kneift die Augen ein wenig zusammen. Die Sonne, von allen sehnsüchtig herbeigewünscht, brennt in den letzten Tagen doch ganz ordentlich. Und für den Teamer, der sich ehrenamtlich bei „Kirche Unterwegs“ auf dem Campingplatz in Burhave engagiert, gibt es kaum eine Möglichkeit, sich dem zu entziehen. Zum Glück gab’s in den letzten Tagen dann doch noch ein Sonnensegel.

Sechs Wochen lang werden Jahr für Jahr entlang des Jadebusens auf den Campingplätzen in Burhave, in Schillig und Hooksiel sowie in Dangast sozusagen mobile Gemeindehäuser und Kirchen errichtet. Sie finden Platz in einem großen weißen Zelt, in dem alle willkommen sind. „Kirche Unterwegs“ steht in großen Buchstaben und mit dem bekannten Symbol – der Sonne – draußen dran. Hier finden Bastelstunden und Lesenachmittage statt, aber auch Andachten gibt es und vor allem die „Gute-Nacht-Geschichte“ an jedem Abend. Die mögen die Jüngsten ganz besonders gern. Kirche Unterwegs ist eine Gemeinde auf Zeit; ein Angebot für alle Campingurlauber, ganz ungezwungen und in völlig ungewöhnlichem Rahmen mit der evangelischen Kirche in Kontakt zu kommen.

Der Zeitraum für „Kirche Unterwegs“ richtet sich jeweils nach den Ferien und auch nach den Freiräumen der Mitarbeitenden. Mindestens 16 Jahre sollten sie sein, außerdem bereit, im Frühling zwei Wochenendschulungen zu durchlaufen und dann im Sommer zehn bis 14 Tage eine Mischung aus Urlaub und ehrenamtlichem Engagement zu erleben.

Auf den meisten Campingplätzen wechseln die Teams in diesem Rhythmus. Diesmal ist „Kirche Unterwegs“ von Anfang Juli bis zum 15. August vor Ort. Nur in Burhave müssen sie das Zelt schon früher abbrechen. „Es war partout kein drittes Team zu finden, das hier den letzten Törn bestreiten würde“, erzählt Diakon Harald Herrmann, der „Kirche Unterwegs Oldenburg“ organisiert.

Junge Leute, die in den vergangenen Jahren das letzte Team hier bildeten, haben das Studium beendet und einen Arbeitsplatz in einem anderen Bundesland gefunden. So gibt es bei „Kirche Unterwegs“ stets ein Kommen und Gehen.

Lenny Schuchaert aus Lemwerder hat zehn Tage lang mit René Rohde die Arbeit in Burhave übernommen. Länger war es diesmal nicht möglich, Lenny hat noch weitere ehrenamtliche Aufgaben während der Sommerferien. Als ich die beiden besuchen will, ist René allerdings schon abgereist – der 17-Jährige ist krank geworden. Auch das kommt vor. Zum Glück kennt Lenny viele junge Leute, so bat der 21-Jährige Wiebke Speckels, hier noch für die letzten Tage einzuspringen. Die 27-jährige Wirtschaftsingenieurin engagiert sich sonst bei Kinderfreizeiten, für die sie einen Teil des Urlaubs opfert und hat von daher viel Erfahrung. Ein Glück für Lenny.

Der Student wurde vor drei Jahren von einer Diakonin angesprochen und ist seitdem mit großer Begeisterung bei der Sache. Ihm gefalle das Konzept, Urlaub und ehrenamtliches Engagement unter einen Hut zu bringen, erzählt er. Das Team wohnt während der Einsatzzeit in Wohnwagen direkt neben dem Kirchenzelt. Neben den festgelegten Zeiten für die Kinderstunde und die Gute-Nacht-Geschichte sowie für einen Abend, an dem auch die Erwachsenen konkret mit einem Grillabend oder ähnlichem angesprochen werden, haben die jungen Leute Freizeit – theoretisch.

„Wenn wir hier draußen sitzen, dann kommen auch die Kinder, das geht ganz automatisch“, erzählt Lenny. Das sei aber auch in Ordnung, die meisten Eltern achteten auch mit darauf, dass es nicht zu viel werde. „Aber Privatsphäre gibt es hier nicht. Wenn man uns sieht, dann denkt jeder, wir sind ansprechbar – das ist eben ganz anders, als wenn Privatleute Camping machen“, berichtet er. Wenn man mal ein paar Stunden ganz für sich brauche, müsse man den Platz verlassen. „Das haben wir auch ein paar Mal gemacht“, sagt der 21-Jährige.

Ihm gefällt vor allem, dass es hier viel Freiheit gebe, Methoden und Materialien auszuprobieren. Lenny studiert in Bochum, Religionspädagogik und soziale Arbeit sind seine Schwerpunkte.

Während wir uns unterhalten radelt Sven Kranz vorbei, der Platzwart. „Lass die Jungs mal hier, die machen gute Arbeit“, ruft er Harald Herrmann zu. Das bestätigen auch Carolin Winning und Sabine Hagen, zwei Mütter, die mit ihren Kindern auf dem Platz zum wiederholten Mal Urlaub machen. Ihre Kinder, Emely (11 Jahre), William (9) und Lea (4), wollten schon im Vorfeld wissen, wann das Team von „Kirche Unterwegs“ vor Ort sei, erzählt Carolin Winning. Zum ersten Mal sei sie auch „total entspannt“, weil die Kinder nun auch allein die Kinderstunde besuchten. So bleibt ein wenig Zeit, sich einmal um sich selber zu kümmern.

„Wenn das Team da ist, entsteht Langeweile gar nicht erst. Meine Kinder gehen hier sehr gerne her, alle anderen Abläufe werden um die Veranstaltungen herum gelegt“, berichtet Sabine Hagen, die ihre Jüngste aber noch jedes Mal begleitet.

Joyce (11 Jahre), Jamal (7) und Joanne (3) erkundigen sich schon mal nach dem Programm für den Nachmittag und Lenny berichtet, dass er nach dem Abendprogramm das Zelt zumachen werde und erst im kommenden Jahr wieder da sei. Und was ist nächste Woche? „Dann werde ich mich sicher langweilen“, meint Emely und zieht schon jetzt die Nase kraus.

Ein Beitrag von Annette Kellin.

Singen, Spaß haben, fröhlich bei einander sein, darum geht es bei "Kirche Unterwegs". Alle Fotos: ELKiO/Annette Kellin
Wenn Lenny die Gitarre rausholt, dauert es nicht lange, bis die ersten Kinder kommen.
In der Bastelstunde entstand unter anderem ein großes farbiges Kreuz, um das sich hier Harald Herrmann (von li. nach re.), Wiebke Speckels, Emely, William, Sabine Hagen, Carolin Winning und Lenny Schuchaert versammelt haben.
Auch ein kleiner Film ist entstanden, der macht allen offenbar viel Freude.
Wiebke Speckels sprang kurzfristig für die letzten Tage ein.
Mit diesem Logo macht "Kirche Unterwegs" auf sich aufmerksam.
Leben im Wohnwagen: Lenny Schuchaert will nächstes Jahr wieder dabei sein.