Zum Hauptinhalt springen

Hannover (epd). Die hannoversche Landeskirche hat am Montag weitere Fälle sexualisierter Gewalt aus den 1950er- und 1960er-Jahren öffentlich gemacht. Damals hat nach Kirchen-Angaben die diakonische Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel bei Hannover in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Pfarramt in Elsdorf im Landkreis Rotenburg/Wümme Heimkinder in Pflegestellen untergebracht. Jetzt gebe es neue Hinweise darauf, dass die Kinder und Jugendlichen auf diesen Gehöften und in den Handwerksbetrieben sexualisierte Gewalt erlitten haben. Beschuldigungen richteten sich auch gegen einen damaligen Kirchenmitarbeiter.

Der Kirchenvorstand und der neue Pastor haben den Angaben zufolge im Juli und September im Pfarrhaus in Elsdorf Akten zu den vermittelten Kindern und Jugendlichen gefunden. «Die Akten umfassen auch Briefe der Jugendlichen, die sie an einen kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf geschickt haben», sagte Kirchensprecher Benjamin Simon-Hinkelmann. «Darin schildern einige von ihnen auch unterschiedliche Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in ihren Pflegestellen.»

Noch habe die Sichtung durch die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche nur ein Zwischenergebnis gebracht, erläuterte Simon-Hinkelmann. Das Leid der Kinder sei damit noch nicht vollständig bekannt. Bereits 2014 hatte den Angaben zufolge eine betroffene Person Anerkennungsleistungen wegen sexualisierter Gewalt durch den kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf beantragt und diese auch bekommen. Der Beschuldigte sei damals bereits tot gewesen. Im vergangenen Februar habe es dann weitere Hinweise gegeben, hieß es.

Der Kirchenkreis Bremervörde-Zeven, zu dem Elsdorf heute gehört, bittet mögliche weitere Betroffene sowie Menschen, die Hinweise geben können, sich bei externen Stellen, bei der landeskirchlichen Fachstelle oder beim Kirchenkreis zu melden. Superintendent Carsten Stock sagte: «Es erschreckt mich zutiefst, was Kinder und Jugendliche offenbar in der Nachkriegszeit an Gewalt und sexualisierter Gewalt erlitten haben. Dass ein kirchlicher Mitarbeiter von den Vorgängen offenbar Kenntnis hatte und es den Verdacht gibt, dass er selbst sexualisierte Gewalt gegenüber einer jugendlichen Person begangen hat, finde ich furchtbar.»

Den Hinweisen werde konsequent nachgegangen, sagte Stock. Sie sollten in ein Aufarbeitungskonzept fließen. Mittlerweile hat der Kirchenkreis den Angaben zufolge ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet. Für die Pestalozzi-Stiftung sagte Vorstand Sebastian Bernschein: «Es ist für uns heute unvorstellbar, dass die Verantwortlichen der damaligen Zeit, im Rahmen ihrer Vermittlung und Begleitung, den Vorwürfen von Gewalt und sexualisierter Gewalt nicht nachgegangen seien sollen und diese Gewalt vielleicht sogar tolerierten.»