Mit einer bewegenden Kerzenandacht haben am Sonntagabend rund 100 Menschen der Opfer einer Mordserie im Delmenhorster Krankenhaus gedacht. «Wir können nicht fassen, was da geschehen ist», sagte der evangelisch-lutherische Kreispfarrer Bertram Althausen bei der interreligiösen Andacht im Theater «Kleines Haus». An der Andacht wirkten auch Vertreter der evangelischen, der jüdischen, der katholischen und der islamischen Gemeinden der Stadt mit.
Der ehemalige Krankenpfleger Niels H. muss sich derzeit vor Gericht für drei Morde und zwei Mordversuche in der Klinik verantworten. In mehr als 170 weiteren Verdachtsfällen wird noch ermittelt. Der Prozess soll nach Angaben eines Gerichtssprechers bis Ende Februar beendet sein. Der Krankenpfleger hatte Patienten ein Herzmedikament in einer Überdosis gespritzt, um anschließend bei einer Wiederbelebung als Held zu erscheinen. Einem Gerichtspsychologen gegenüber hat er Medienberichten zufolge 30 Morde während seiner Arbeit in niedersächsischen Kliniken und Heimen eingeräumt.
Die Menschen in Delmenhorst erlebten Trauer, Ohnmacht und Wut, sagte Althausen. Das gelte auch für die früheren Kollegen des Pflegers. Der Vorsitzende der islamischen Mevlana-Gemeinde, Zafer Ciftci, berichtete, dass nun Exhumierungen geplant seien: «Wir sind irritiert und haben Angst um den Frieden der Verstorbenen.» Er fragte, ob die Unfassbarkeit der Taten dazu geführt habe, dass Kollegen weggesehen hätten und wer noch alles eine Mitverantwortung trage.
Zahlreiche Menschen quäle die Ungewissheit, ob ein Angehöriger gewaltsam zu Tode kam, sagte der katholische Pfarrer Josef Nieberding. Die evangelische Krankenhausseelsorgerin Sabine Spieker-Lauhöfer berichtete von neuer Trauer. «Die Angehörigen haben unter Tränen am Grab Abschied genommen und sind im Laufe der Jahre zur Ruhe gekommen. Doch jetzt beginnt manches von vorn.»
In einem Gebet bat Malik Özdem von der Islamischen Gemeinde um Mitgefühl für die ermittelnden Beamten, Staatsanwälte, Richter und die Verteidiger des Angeklagten. Der methodistische Pastor Rudi Grützke erinnerte an die Arbeiter auf den Friedhöfen. «Ein Grab wieder zu öffnen, ist sicher eine der schwierigsten Aufgaben für sie.»
epd