Wenn ein Mensch gestorben ist, fällt es oft nicht leicht, in Beileidsbekundungen die richtigen Worte zu finden. Worauf es dabei ankommt, wissen Trauerexperten wie Klaus Dirschauer und Thomas Achenbach. Und sie warnen gleichzeitig vor Fettnäpfchen.
Bremen/Osnabrück (epd). Eine leere Karte, ein weißes Blatt Papier: Im Trauerfall fällt es vielen Menschen schwer, die richtigen Worte zu finden, um Angehörigen schriftlich das Beileid auszusprechen. «Es ist die konkrete Begegnung mit dem Tod, auch wenn es der Tod des anderen ist - das macht es nicht einfach», sagt der Bremer Trauerexperte und Theologe Klaus Dirschauer. Zuallererst rät er dazu, sich für das Schreiben Zeit zu nehmen: «Kondolieren unterbricht den Alltag, das macht man nicht im Vorbeigehen.»
«Ich mache mir Gedanken über den Verstorbenen, über seine Angehörigen und meine Verbindungen zu ihnen, dafür brauche ich einfach Zeit», betont der evangelische Pastor, der knapp 200 Kondolenzschreiben auf ihren Inhalt analysiert hat. Eine Erkenntnis daraus: Für ihn ist das Beileid per SMS, WhatsApp oder E-Mail ein No-Go. «Einen Brief, eine Karte kann ich in die Hand nehmen, dafür war auch ich lange nach dem Tod meiner Frau dankbar», berichtet er aus seinen eigenen Erfahrungen.
Aufrichtiges Mitgefühl, tief empfundenes Beileid, herzliche Anteilnahme: Das sind aus Sicht Dirschauers gelungene Kondolenzsätze - am besten handschriftlich formuliert -, die er in den von ihm analysierten Schriftstücken auch oft gefunden hat. Aber wie dann weiter? «Erinnerungen an gestorbene Menschen anzubieten oder aufzuschreiben ist ungemein wertvoll, das muss gar nicht lang sein, jede kleine Zeile ist kostbar genug», sagt Thomas Achenbach, Autor und Trauerbegleiter in Osnabrück.
Erinnerungen zu teilen, kann hilfreich sein - das gilt auch im persönlichen Gespräch. Achenbach hat allerdings erfahren, dass sich viele fragen, ob sie nicht die Schmerzen bei anderen gerade wieder anstacheln, wenn sie einen gestorbenen Menschen erwähnen. «Was man sich klarmachen muss: Wer einen Menschen verloren hat, der ist innerlich permanent mit diesem Verlust befasst, und das meistens für Jahre», erläutert er.
Da könne man gar nichts neu anstacheln, es sei sowieso ständig präsent im Inneren. «Im Gegenteil: Jedes Gesprächsangebot über den gestorbenen Menschen ist etwas Hochwillkommenes und eine Gelegenheit, die die meisten Betroffenen sicher gerne ergreifen werden. Es sei denn, die erste Schockstarre ist noch zu umfassend.» «Loslassen» sei genau das, was die Menschen gerade nicht wollten: «Sie haben ja gerade einen geliebten Menschen verloren und haben gewaltige Angst davor, dass sie auch noch die Erinnerungen verlieren könnten, womit der Gestorbene dann nochmal sterben würde.»
Auch Dirschauer betont, die Erinnerung an den Verstorbenen, Blitzlichter aus dem gemeinsamen Leben, seien beim Kondolieren wichtig. «Die eigene Lebensgeschichte des Schreibenden hingegen ist nicht dran, das ist übergriffig.»
Überdies warnen sowohl der Theologe als auch der Trauerbegleiter vor Floskeln. «Was einem selbst schon abgedroschen vorkommt, geht womöglich in die genau falsche Richtung», bekräftigt Achenbach und ergänzt: «Ein Spruch wie 'Die Zeit heilt alle Wunden' zum Beispiel tut eher weh als dass er hilft.» Mit dem Schmerz bleibe der gestorbene Mensch präsent, erläutert der Autor, der Seminare für Trauernde gibt und unter anderem ein «ABC der Trauer» geschrieben hat. «Meiner Erfahrung nach wünschen sich alle Trauernden, dass ihnen jemand zuhört und sie offen über ihre Gefühle sprechen können.»
Was folgt daraus für die Beileidsbekundung? «Einfach zu fragen: 'Möchtest Du erzählen' und sein Zuhören anzubieten ist das größte Geschenk, das man machen kann», meint Achenbach. Allerdings falle das vielen Menschen schwer. «Die Erfahrung, dass einem die Nachbarn, Kollegen oder Bekannten ausweichen oder dass sie die Straßenseite wechseln, haben rund 90 Prozent meiner Klienten gemacht.» Wer jemandem an den Tod verloren habe, der trage eine Art Stigma in unserer modernen Gesellschaft. «Wie wir heutzutage mit Trauer und Tod umgehen, hat ganz viel an Bodenhaftung verloren, wir haben das komplett verlernt.»
Diesen Eindruck bekräftigt Dirschauer. «Was früher die Umgangsformen durch bestimmte Bräuche, Sitten und Traditionen wie von selbst regelten, trägt nicht mehr.» Doch Anteil zu nehmen, Worte für den Tod zu finden, das sei wichtig. Um Hilfestellungen zu geben, hat der Bremer Theologe ein Buch mit Weisheiten und Zitaten geschrieben, die er - richtig ausgewählt - als «Wortgeschenke» in Kondolenzschreiben sieht: «Ein zitierter Text kann dem Brief wie ein Motto vorangestellt oder auch im Brieftext wiedergegeben werden, natürlich immer mit Quelle.»
Auch die eigene Hilflosigkeit ins Wort zu bringen, ist nach Auffassung von Thomas Achenbach nicht falsch: «'Ich weiß gar nicht, was ich Dir sagen soll, aber ich bin mit Dir zusammen traurig', das ist meistens die beste Strategie. Außerdem biete ich damit eine neue Beziehungsebene an, denn ich kann mich mit dem trauernden Menschen in der Hilflosigkeit treffen, in der er sicher auch gerade ist.»