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"Ein Dialog ist nur sinnvoll, wenn nicht nur Klischees bedient werden, sondern man wagt, auch 'Heiße Eisen' anzufassen", plädierte der evangelische Theologieprofessor Dr. Jürgen Heumann von der Universität Oldenburg für mehr Mut und Offenheit im Umgang miteinander. Nicht nur ein störungsfreies Miteinander solle das Anliegen sein, sondern das gemeinsame Arbeiten an der Demokratie. "Alle Religionen sollten sich zusammensetzen und politische Probleme gemeinsam angehen", forderte er und nannte als aktuelles Beispiel die derzeit diskutierte Unterbringung der Asylbewerber in Oldenburg. Aber auch zu strittigen Themen wie Sterbehilfe oder Präimplantationsdiagnostik müsse es deutliche öffentliche Dialoge aller Glaubensgemeinschaften geben.

Diese Idee untermauerte auch Bekir Alboga, Islamwissenschaftler und Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. Gemeinsam mit Pfarrerin Brigitte Gläser, Leiterin der Akademie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Wilhelm Rillmann, Dialogbeauftragter der Polizeiinspektion Oldenburg-Ammerland, dem Oldenburger Integrationsbeauftragten Dr. Ayca Polat, Tobias Frick vom Integrationsforum, Burkhard Kayser, Leiter der Grundschule Bloherfelde, und Rita Wick, Bildungsbeauftragte des Klinikums Oldenburg, stellte er sich in der Podiumsdiskussion den Fragen des Publikums.

 

"Die tatsächliche Arbeit findet vor Ort in den Gemeinden statt", so Alboga. "Wenn der Dialog der Menschen untereinander stattfindet, braucht man eigentlich keine weiteren Maßnahmen." Man wisse noch viel zu wenig voneinander, ergänzte Ayca Polat. Deshalb wünschte sie sich in ihrer Eingangsrede, "dass diese Veranstaltung eine Initialzündung gibt und der Dialog über diesen Tag hinaus erhalten bleibt."

Um allen Kindern die Teilhabe an Schulbildung und sozialen Angeboten ermöglichen zu können, führe kein Weg an den Religionsgemeinschaften vorbei, ist die Erfahrung von Burkhard Kayser. "Deshalb ist es wichtig, dass sich die Gemeinden auch in den Schulalltag einbringen." Nicht immer könnten die Gemeinden diese Zusammenarbeit leisten, gab dagegen Sara-Ruth Schumann, 1. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, zu bedenken. "In unserer Gemeinde beispielsweise haben 90 Prozent der Mitglieder einen Migrationshintergrund.  Wir brauchen erst einmal Zeit, um sie einzugliedern. Deshalb ist es wichtig zu respektieren, dass oft kein böser Wille dahintersteckt, sondern schlicht Überforderung, wenn die Gemeinden sich nicht so intensiv einbringen, wie es wünschenswert wäre", machte sie deutlich.

Gemeinsam mit einem Großteil des Publikums war Burkhard Kayser sich einig: Religionsunterricht sollte unbedingt konfessionsübergreifend sein. " Meine Idealform wäre ein Religionsunterricht, in dem alle miteinander und voneinander lernen können", sagte er. Und auch in den Ausbildungsberufen müsse interkulturelles Wissen viel stärker verankert werden, so eine Forderung aus dem Publikum. Dies bestätigte Rita Wick. Die Möglichkeit, mit den Patienten über ihre Ängste und Sorgen sprechen zu können und dabei auch die Verschiedenartigkeit der Kulturen zu berücksichtigen, sei sehr hilfreich im Klinikalltag. Dass dieser Aspekt längst vom demografischen Wandel eingeholt worden ist, hatte die Arbeitsgruppe "Körperverständnis" mit Erstaunen festgestellt. Sie wollte sich eigentlich mit dem Körperverständnis von Kindern und Jugendlichen beschäftigen, landete aber thematisch schnell bei der Pflege. Denn sowohl unter den Mitarbeitenden als auch unter den zu Pflegenden seien immer mehr Menschen mit Migrationsbiographie, die es zu berücksichtigen gelte.

 

Angespornt von den gemeinsamen Gesprächen und dem intensiven Erfahrungsaustausch in den Arbeitsgruppen plädierten die Podiumsteilnehmer abschließend für eine unbedingte Fortsetzung des Dialogs. Am besten, brachte es Rita Wick auf den Punkt, funktioniere dies mit gemeinsamen Projekten und praktischen Alltagserlebnissen. Dabei solle nicht nur der interreligiöse, sondern der interkulturelle Dialog im Fokus stehen, betonte Wilhelm Rillmann. Nur so könnten Vertrauen geschaffen und Vorurteile abgebaut werden.

Der interreligiöse Dialog ist Teil des 16. Deutschen Präventionstages, der bis zum 31. Mai in Oldenburg stattfindet. Mehr Informationen unter www.praeventionstag.de

Text und Fotos: Anke Brockmeyer

 

Stellten sich den Fragen des Publikums (v.l.): Brigitte Gläser, Wilhelm Rillmann, Ayca Polat, Tobias Frick, Burkhard Kayser, Rita Wick und Bekir Alboga
Nicht nur Klischees zu bedienen, dafür plädierte der Theologieprofessor Jürgen Heumann
Berichtete über ihre Erfahrungen: Sara-Ruth Schumann, 1. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg (2. v.l.)
Gemeinden sollten sich in den Schulalltag einbringen, forderte Schulleiter Burkhard Kayser