Hannover (epd). In der Diskussion um das Kirchenasyl hat der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Kirchen vor Missbrauch gewarnt. «Ich habe hohen Respekt vor dem großen humanitären Engagement, dass sich im Kirchenasyl ausdrückt», sagte er am Mittwoch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
«Das ist eine Möglichkeit für Menschen in wirklich ausweglosen Situationen. So können sie zumindest hierbleiben, bis sich ihre Situation klärt.» In diesen Fällen sei das Kirchenasyl gerade noch hinnehmbar. Kein Verständnis habe er jedoch dafür, wenn es lediglich dazu genutzt werde, um Dublin-III-Fristen zu überschreiten.
Nach der Dublin-Regelung müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, das sie als erstes erreicht haben. Von Deutschland können sie daher meist binnen sechs Monaten in diese sogenannten sicheren Drittstaaten abgeschoben werden. Es gebe Fälle, die erkennbar und durchsichtig dazu dienten, diese Frist auszuhebeln, sagte Pistorius.
«Kaum, dass die sechs Monate rum sind, werden die Kirchentüren geöffnet. Damit habe ich ein echtes Problem.»
Dabei gehe es nicht darum, dass Flüchtlinge «in Tod und Folter» zurückgeschickt würden, sondern in ein anderes europäisches Land - wenn auch mit möglicherweise niedrigeren Standards als in Deutschland. Zumindest im Einzelfall könne das Kirchenasyl in solchen Fällen an der Grenze zum Missbrauch und dem Unterlaufen rechtsstaatlicher Regelungen liegen. Mit 47 Kirchenasylen im vergangenen Jahr landesweit gebe es jedoch keinen Grund, Alarm zu schlagen, sagte der Minister. «Ich sehe noch keinen Handlungsbedarf. Man muss das aber weiter beobachten.»
Auch die Fälle, in denen wie in Osnabrück oder Göttingen Initiativen die Abschiebung von Flüchtlingen verhinderten, seien kein Massenphänomen. Gleichwohl bedeuteten sie für die Politik eine Gradwanderung, erläuterte Pistorius. «Rechtsstaatlichkeit heißt auch Verhältnismäßigkeit», sagte er. Im Zweifel müsse im Einzelfall einmal hingenommen werden, dass die Abschiebung nicht sofort vollzogen werden könne. Befriedigend sei das aber nicht.
Niemand habe das Recht, «sich auszusuchen», ob er bestehende Gesetze anerkenne und befolge oder nicht, ergänzte er. «Nicht einmal dann, wenn er für sich in Anspruch nimmt, für menschliche Ziele einzutreten. Unsere Rechtsordnung ist demokratisch legitimiert und ihre Regeln sind gerichtlich überprüfbar», sagte Pistorius. «Das gibt allen Menschen den gleichen Schutz.» Für «passive Selbstjustiz» gebe es daher keinen Bedarf.