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„Einen Kaffee für Sie? Bring ich gleich.“ Ein Wurstbrot gibt‘s für diesen Gast ungefragt dazu – er kommt häufig, und die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission wissen: Es ist seine erste, manchmal auch die einzige Mahlzeit des Tages. Ruhig ist es hier in den Räumen der Bahnhofsmission in Oldenburg. Einige Gäste lesen die Zeitung, andere unterhalten sich leise, die Atmosphäre ist freundlich. Ein Reisender tritt ein, bittet um eine Sicherheitsnadel; sein Rucksackriemen ist gerissen. Klar gibt`s hier Sicherheitsnadeln – und mehr noch: „Ich glaube, wir haben sogar noch einen Rucksack“, überlegt eine der drei Kolleginnen, die heute die Frühschicht leisten. Und tatsächlich kehrt sie wenig später mit einem funktionstüchtigen Rucksack zurück.  Und auch dem Gast, der auf einem Zwischenstopp zwischen zwei Zugverbindungen sein Handy aufladen möchte, wird geholfen. Das Mobiltelefon bekommt Strom, der Reisende einen Früchtetee.

Kleine Hilfen
Meist sind es kleine Hilfen, ein paar beruhigende Worte, mit denen die gut 20 Mitarbeitenden der Oldenburger Bahnhofsmission den Gästen das Gefühl geben, willkommen und gut aufgehoben zu sein. Die Ankunftszeiten sind übersichtlich, im Stundentakt zwischen „20 nach“ und „20 vor“ steuern die Züge Oldenburg an. „Dann ist immer einer von uns auf dem Bahnsteig und guckt, wo er helfen kann“, erklärt die Leiterin der Bahnhofsmission, Doris Vogel-Grunwald. Zudem sind die Räume der Mission an die Lautsprecher der Bahn angeschlossen, sodass jede Planänderung unmittelbar auch hier ankommt. Wenn, wie in der vergangenen Woche, der IC nach Hannover– eine der wichtigsten Verbindungen – Verspätung hat und Anschlusszüge nicht erreicht werden können, reagiert man sofort. Wegen der Hitze hatten sich in diesem Fall die Mitarbeitenden zudem mit Wasserkaraffen und Bechern ausgestattet, um den Wartenden etwas zu trinken anbieten zu können. Wer hier arbeitet, muss nicht nur freundlich sein, sondern in erster Linie tatkräftig. „Das ist ein wichtiges Kriterium in diesem Job – nur Mitleid zu haben, bringt keinen weiter, der unsere Hilfe sucht“, macht die Leiterin deutlich.

Unterstützung schon vor der Abfahrt anfordern
Für die Bahnhofsmission ist die Schulferienzeit keineswegs Hochsaison. „Nach den Sommerferien, wenn viele Senioren in den Urlaub fahren, sind wir viel mehr gefragt“, ist die Erfahrung von Doris Vogel-Grunwald. Älteren Menschen beim Umsteigen helfen, ihnen Orientierungshilfe bieten, den Weg zum Taxistand erklären – das gehört zu den täglichen Aufgaben, denen sich die Bahnhofsmission stellt. Wer Hilfe braucht, kann sich schon vor seiner Abfahrt bei der Bahnhofsmission seines Heimatortes melden, von dort aus geht ein Hinweis an alle betroffenen Standorte. Kofferträger allerdings, das macht Doris Vogel-Grunwald ganz klar, sind die Mitarbeitenden nicht. „Das können wir nicht leisten. Viele von uns sind älter als manche der rüstigen Reisenden.“ Sie empfiehlt bei solchen Anfragen immer, einen großen Koffer vorauszuschicken. Doch es sind nicht nur Senioren oder Menschen mit Behinderungen, die die Hilfe der Bahnhofsmission in Anspruch nehmen.

 

Jeden Mittwoch haben die Missionsmitarbeitenden alle Hände voll zu tun, wenn in den Mutter-und-Kind-Kurhäusern an der Nordsee Bettenwechsel ist. Dann muss die kleine Familie von einem Zug zum anderen kommen – samt Buggy, Rucksack, Kuscheltier und Trinkfläschchen. Und nicht selten braucht die Mutter auch noch ein paar aufbauende Worte. „Viele von ihnen sind schon Stunden unterwegs, allein mit mehreren Kindern. Die sind richtig erschöpft.“

Notfallseelsorge mit dabei
Das ist Routine für die Helferinnen und Helfer in den leuchtend blauen Westen. Doch es gibt auch echte Notfälle. Die junge Frau, die nach einem Schwangerschaftsabbruch auf der Rückfahrt im Zug zusammenbricht. Die Mutter, die gerade ihr Baby und die Zweijährige auf den Bahnsteig heben will, als sich die Türen schließen und die Bahn mit den Kleinen weiterfährt. Die drei Mädchen, die erleben müssen, wie sich vor ihren Augen ein Mann vor die einfahrende Lok wirft. „In solchen Fällen sind wir sofort präsent, und wenn es nötig ist, können wir jederzeit auf die Notfallseelsorge der Kirche zurückgreifen“, erklärt Doris Vogel-Grunwald. Denn die Bahnhofsmission in Oldenburg wird von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und dem Diakonischen Werk getragen. Die bundesweite Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission ist eine ökumenische Einrichtung.

Anlaufstation auch für Oldenburger
Nicht nur für Menschen auf der Reise ist die Bahnhofsmission ein Fixpunkt. Auch für Oldenburger in Notsituationen ist der kleine Raum im Bahnhof eine Anlaufstation. „Die Bahnhofsmissionen sind der Seismograph der gesellschaftlichen Probleme“, sagt die Leiterin. Im Moment ist die Wohnungsnot unter jungen Menschen ein Thema, das die Mission massiv registriert. Und auch hier helfen die Mitarbeitenden tatkräftig, unterstützen die jungen Leute dabei, ihr Leben in den Griff zu bekommen, und sind als Anlaufstelle und postalische Meldeadresse präsent. Manchmal hilft es schon, dem Tag eine Struktur zu geben. Und die beginnt vielleicht mit einem Kaffee am Morgen, einer Zeitung und einem Wurstbrot.

 

Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.


Mehr Informationen unter www.bahnhofsmission.de

Hilft Reisenden und Hilfesuchenden gemeinsam mit ihren rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Doris Vogel-Grunwald, Leiterin der Oldenburger Bahnhofsmission. Foto: Anke Brockmeyer
Hilft Reisenden und Hilfesuchenden gemeinsam mit ihren rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Doris Vogel-Grunwald, Leiterin der Oldenburger Bahnhofsmission. Foto: Anke Brockmeyer