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Oldenburg/Schortens (epd). Weil sie in einem Corona-Impfzentrum wirkungslose Kochsalzlösung in Spritzen aufgezogen hat, ist eine ehemalige Krankenschwester vor dem Landgericht Oldenburg wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die Vorsitzende Richterin Melanie Bitter setzte am Mittwoch die Strafe zur Bewährung aus. Der bundesweite und internationale Rummel in den Medien sollte Warnung genug sein, sagte sie. Die Richterin betonte, dass der einzige Beweis für die Tat das sehr frühe Geständnis der Angeklagten sei. Gegen das Urteil können die Prozessbeteiligten binnen einer Woche Revision einlegen (Az.: 3 KLs 18/22).

 

 

 

Der heute 40-jährigen Angeklagten war nach Überzeugung des Gerichts am 21. April 2021 im Impfzentrum Schortens-Roffhausen versehentlich eine Impfampulle zerbrochen. Um den Vorfall zu vertuschen, habe sie sechs Spritzen mit Resten aus anderen Ampullen aufgezogen und mit einer Kochsalzlösung bis zur Wirkungslosigkeit verdünnt. Die Frau habe sich drei Tage später zunächst einer Kollegin anvertraut und dann ihren Vorgesetzten den Vorfall gebeichtet. Weil nicht mehr festzustellen war, wer die gepanschten Spritzen erhielt und unklar war, ob die Angeklagte weitere wirkungslose Spritzen aufgezogen hat, wurden rund 10.000 Menschen zur Nachimpfung aufgerufen.

 

 

 

Das Gericht habe sich von Beginn an mit der Frage beschäftigen müssen, ob der Vorfall lediglich «ein Missgeschick mit üblen Folgen oder der Kreuzzug einer Impfgegnerin» war, sagte Richterin Bitter in ihrer Urteilsbegründung. Die Angeklagte habe impfkritische Posts in den sozialen Medien verbreitet, auch wenn sie selbst keine eigenen verfasst habe.

 

 

 

Hinzu komme, dass zum Zeitpunkt der Tat noch die gefährlichen Alpha- und Delta-Varianten des Coronavirus aktiv waren. «Der Impfstoff war wertvoll und begehrt», sagte Bitter. Die Menschen fürchteten, «dass der Tod gleich hinter der nächsten Ecke lauert». Die Aktion der Angeklagten habe weite Teile der Bevölkerung verunsichert und die Verlässlichkeit des staatlichen Gesundheitssystems infrage gestellt. Daraus habe sich eine erweitere Verdachtslage ergeben.

 

 

 

Doch bleibe trotz umfangreicher Tests und Zeugenbefragungen das Geständnis der einzige Beweis. «Unklar bleibt jedoch das Motiv», sagte Bitter. Der Vorwurf, die Angeklagte habe bewusst Schädigungen in Kauf genommen, um ihre eigenen Ansichten durchzusetzen, habe sich nicht bestätigt. Trotz ihrer Impfskepsis habe sie keine Aufrufe verfasst, sondern als verlässliche Kollegin im Zentrum gearbeitet und dort sogar die Abläufe optimiert. Die Angeklagte hatte ihre Tat mit der Angst vor einem Jobverlust erklärt, doch hätte sie nach Auskunft anderer Zeugen keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen befürchten müssen. Allerdings regierten Menschen nach Fehlern manchmal «einfach bescheuert», räumte die Richterin ein.

 

 

 

Für die Angeklagte spreche neben dem Geständnis, dass es so weit bekannt zu keinen körperlichen Folgeschäden gekommen sei. Auch habe die eigentliche Körperverletzung nur in einem kleinen Piks bestanden. Die Frau sei nicht vorbestraft und müsse seit Bekanntwerden der Tat einem starken öffentlichen Druck standhalten. Außerdem sei ihr seit dem Vorfall die Berufszulassung entzogen.

 

 

 

Die Angeklagte nahm das Urteil blass und bewegungslos entgegen. In ihrem letzten Wort bedauerte sie ihr Handeln: «Ich hätte sofort die Wahrheit sagen müssen.»