Weg von der „Sicherheitslogik“, hin zur „Friedenslogik“: Was das bedeutet und wie dies funktionieren kann, darüber sprach Professorin Dr. Hanne-Margret Birckenbach im Rahmen des Friedensethischen Konsultationsprozesses der oldenburgischen Kirche. Die Politologin und Professorin für Europastudien setzte das Wort vom „gerechten Frieden“ an die Stelle des häufig beschworenen „gerechten Krieges“ und folgte d amit einem „Weg des Friedens“, dem sich die Kirchen der weltweiten Ökumene verpflichtet haben.
Jetzt ging es ums Umsetzen. Nur: wie?
Konflikt als Regelfall: Im Gespräch bleiben
Frieden sei nicht zwangsläufig Harmonie, machte die Referentin am Donnerstag, 1. März, im Gemeindehaus der Ohmsteder Kirche deutlich. Frieden heiße, mit Konflikten umgehen zu können, manches offen zu lassen und auszuhalten, vor allem aber: im Gespräch zu bleiben – ohne Alternative – und sich dabei an den Interessen und Bedürfnisse aller zu orientieren. „Wir müssen unsere eigenen Interessen nicht aufgeben“, betonte Birckenbach. Die aber sollten mit den Interessen anderer „kompatibel“ gemacht werden, so dass alle Parteien „voreinander sicher sind und einander Sicherheit geben.“
Dazu brauche es eine neue Art des Denkens – eine, die Mut erfordert und unbekannte Dimensionen zulässt. Eine solche Art des Denkens bringe es mit sich, dass sich der gewohnte Halt auflöst und der Boden unter den Füßen wankt. Genau das mache es so schwer, einer echten „Friedenslogik“ zu folgen. Professorin Hanne-Margret Birckenbach beschrieb den verstörenden Charakter echten Wandels mithilfe einer Geschichte von Bertolt Brecht. Sie spielt in der Zeit, als das kopernikanische Weltbild die bis dahin geltende Vorstellung einer „Erde als Zentrum des Universums“ ablöste. So wie damals für die „hart arbeitenden Bauern“ Grundlage und Rechtfertigung ihres Bemühens zusammenbrachen, so ist auch der Übergang von der Sicherheitslogik zur Friedenslogik erschütternd. Denn was daraus folgt, greift zutiefst in die Alltagspraxis eines Jeden ein.
Endlosspirale: Gut gegen Böse
Sicherheitslogik fußt, grob gesprochen, auf dem Denken „Ich, das Gute“ und „der Andere, das Böse“. So komme es zu Abgrenzung, zu dem Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit.
Das Fatale: Je mehr man sich schütze – politisch durch Zäune, Grenzen, Aufrüstung und Militär –, umso weniger sicher fühle man sich. Eine Spirale von Angst, Abwehr und Gewalt beginne. Schließlich entwickle sich eine Eigendynamik, die das Gegenteil dessen vorantreibt, was eigentlich beabsichtigt wird. Die ursächlichen Probleme verstärken sich, und selbst die schlimmsten Erfahrungen setzten keine Lernprozesse in Gang.
Befreiung: Radikale Absage an militärische Gewalt
Friedenslogisches Denken hingegen sei eine radikale Absage an militärische Gewalt. Anders als aus der Sicherheitslogik heraus werde dies nicht als Verzicht empfunden, sondern als Befreiung. Die Haltung befreit davon, friedenspolitische Ansätze ständig nachbessern zu müssen, um den „letzten Schritt“ – Gewalt und Militärintervention – zu verhindern. In der Friedenslogik gibt keinen „letzen Schritt“, stattdessen „viel Arbeit“ miteinander und füreinander. Ja, bekräftigt Birckenbach, das sei herausfordernd und koste viel Geld. Teurer aber komme letztlich die militärische Aufrüstung eines jeden Staates, erst recht militärische Einsätze und Kriege.
Als Wissenschaftlerin erlebt Birckenbach die Friedensinitiativen der Kirchen zugleich als Bestätigung ihrer Arbeit und als Auftrag: Die Wissenschaft lebe von der Nachfrage aus der Gesellschaft, sagte sie und dankte den Kirchen ausdrücklich für das Aufgreifen der Thematik.
„Frieden“ bedeute nämlich nicht nur „Abwesenheit von Krieg“. Friedensarbeit heiße, sich in allem zu fragen: Was macht mein Denken, mein Reden, mein Handeln – mit den Beziehungen, mit dem Konflikt, mit den Voraussetzungen? Frieden sei eben nicht ein „Zustand, der unabhängig von anderen erlebt werden kann“. Friedensarbeit sei Beziehungsarbeit. Es brauche Beziehungen, die nicht an Konflikten zerbrechen. Beziehungen, die „vorbereitet sind“ auf Konflikte und sich im Ernstfall bewähren.
Und: Frieden werde eben nicht von „oben“ gegeben. Stattdessen habe jeder Einzelne Anteil daran, Frieden zu schaffen und zu erhalten.
Faktoren: So kann sich Friedenslogik entwickeln
Professorin Birckenbach nannte fünf miteinander verbundene Faktoren, die eine Friedenslogik entstehen lassen:
- Gewaltprävention: mögliche Konflikte frühzeitig wahrnehmen und sich so verhalten, dass Gewalt gar nicht erst entsteht. Hierzu sei es wesentlich, einen „Raum für Beziehungen“ zu schaffen, der es erlaubt, sich über „falsch“ und „richtig“ zu verständigen.
- Konflikttransformation: die Beziehungen der Konfliktparteien so zu verändern, dass sie sich mit Blick auf Interessenausgleich verständigen. Schuldzuweisungen ergeben im friedenslogischen Denken keinen Sinn. „Eigenbeteiligung“ sei der Ansatzpunkt für Veränderungen.
- Dialogverträglichkeit: Konflikte werden mit zivilen Mitteln und offenen Formaten verarbeitet. „Das verlangt Mut und Techniken und die Fähigkeit, in der Schwebe zu lassen, wer recht hat oder nicht“, so die Referentin. Zwangsmittel seien ungeeignet; sie zerstörten Vertrauen und verminderten Kreativität.
- Interessenentwicklung: bereit zu sein für viele Zwischenschritte, um schließlich „im Geist der Bergpredigt“ Politik zu machen. Das heißt: Die eigenen Interessen nicht über die Interessen Anderer zu stellen, sondern sie mit ihnen in Einklang zu bringen, sie „globalverträglich“ zu gestalten. Was vorher „Sicherheit“ war, wird so zu einem Konzept des gemeinsamen Friedens.
- Fehlerfreundlichkeit: Vorkehrungen treffen, um Fehler zu erkennen und einzugestehen. Hinderlich sei Erfolgsdruck, förderlich die Wertschätzung der Arbeit.
Dies alles müsse vorrangig und umfassend gestärkt werden, schloss die Referentin. „Mit großen Etat, Planung und andauernder Kommunikation, langfristig und generationsübergreifend.“
Vertiefende Information: Plattform Zivile Konfliktbearbeitung – Netzwerk der Zivilgesellschaft zur Überwindung von Gewalt: www.konfliktbearbeitung.net/friedenslogik
Ein Beitrag von Laelia Kaderas.