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Hannover/Elsdorf (epd). In den Fällen der Heimkinder, die vor vielen Jahren in Pflegestellen in Elsdorf im Landkreis Rotenburg offenbar misshandelt wurden, sind bisher nach Informationen der hannoverschen Landeskirche Angaben von etwa 100 Betroffenen belegt. «Es sind aber mehr, die genaue Zahl ist noch unbekannt», sagte am Donnerstag Psychologin Julia Nortrup von der kirchlichen Fachstelle Sexualisierte Gewalt in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie ist mit der Prüfung und Aufarbeitung befasst.

In den 1950er- und 1960er-Jahren hat die diakonische Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel bei Hannover in Zusammenarbeit mit dem örtlichen evangelischen Pfarramt in Elsdorf Heimkinder in Pflegestellen auf Höfen und in Handwerksbetrieben untergebracht. Auf dem Dachboden des Pfarrhauses in Elsdorf wurden im Sommer Akten mit alten Briefen von Kindern und Jugendlichen gefunden, in denen es Hinweise auf Gewalt in den Pflegestellen gibt. «Vor Januar sind wir nicht damit fertig, jede Akte zu sichten», sagte Nortrup.

Die Briefe gingen damals an einen kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf, der offenbar selbst sexualisierte Gewalt gegenüber einer jugendlichen Person begangen hatte. Eine betroffene Person hatte deswegen 2014 sogenannte Anerkennungsleistungen beantragt und auch bekommen, der beschuldigte kirchliche Mitarbeiter war zu diesem Zeitpunkt schon tot.

In den Briefen gehe es bisher hauptsächlich um psychische und physische Gewalt, berichtete Nortrup. «Es geht beispielsweise um Schläge, um zu wenig Essen und darum, dass es kein Bett gibt.» Vereinzelt sei auch von sexualisierter Gewalt die Rede. Zwischen den Zeilen tauchten immer wieder «unterdrückte Hilfeschreie» auf.

Warum die Briefe erst jetzt gefunden wurden, ist unklar. «Genau diese Frage hat sich mir auch gestellt, ich kann sie aber leider nicht beantworten», sagte der Bremervörder Superintendent Carsten Stock als zuständiger leitender Theologe der Region auf Anfrage des epd. Scheinbar sei es tatsächlich so, dass die alten Akten jahrzehntelang auf dem Dachboden lagerten und nun im Zuge des Dienstantritts eines neuen Pastors in Elsdorf Anfang Juli von einer Kirchenvorsteherin gefunden worden seien.

«Es gibt im Archiv der Kirchengemeinde weitere Akten zur Unterbringung von Heimkindern von der Pestalozzi-Stiftung», ergänzte Stock. Sie seien in Archivkartons säuberlich geordnet. «Warum diese alten Akten auf dem Dachboden untergebracht waren, kann ich nicht sagen. Ich kann nur vermuten, dass der Dachboden bei vorherigen Übergaben der Dienstwohnung nicht inspiziert worden ist oder wenn doch, niemand auf die Akten aufmerksam geworden ist.»

Die hannoversche Landeskirche hatte den Fund der Briefe am Montag öffentlich gemacht. Den Hinweisen werde konsequent nachgegangen, erklärte Stock. Sie sollen in ein Aufarbeitungskonzept fließen.

Mittlerweile hat der Kirchenkreis Bremervörde-Zeven, zu dem Elsdorf gehört, ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet.