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Der Kirchentag kehrt zurück zu seinen Wurzeln: In Hannover fand 1949 das erste evangelische Laientreffen statt. Frieden, Klima, rechte Hetze und sexualisierte Gewalt in der Kirche sind Schwerpunkte im diesjährigen Programm - das Promifaktor hat.

 

Hannover (epd). Deutschland war ein Land im Umbruch, als der erste Kirchentag 1949 in Hannover stattfand - zerstört von Krieg und Diktatur, geprägt vom Neuanfang. Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde wenige Wochen nach der Verabschiedung des Grundgesetzes das protestantische Laientreffen gegründet, das bis heute den Anspruch hat, gesellschaftliche Debatten anzuregen. 76 Jahre später steht die Gesellschaft erneut vor großen Herausforderungen. Und wieder soll Hannover ein Ort des Dialogs, des Nachdenkens und der Zuversicht werden.

Dort findet vom 30. April bis 4. Mai der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. «Wir sind eine Dialogplattform und wollen Menschen miteinander ins Gespräch bringen», sagt die Generalsekretärin des Kirchentages, Kristin Jahn. Das sei auch schon 1949 so gewesen, als sich Opfer und Täter des Nationalsozialismus in den Straßen Hannovers begegnet seien.

100.000 Menschen will der Kirchentag in den fünf Tagen erreichen. Am ersten Abend des christlichen Laientreffens, an dem traditionell der «Abend der Begegnung» als großes Straßenfest stattfindet, werden laut Organisatoren sogar rund 150.000 Menschen erwartet.

Die Teilnehmerzahl bei Kirchentagen ist in den vergangenen Jahren gesunken, doch das ändert nichts am Promifaktor des Debattenforums. In diesem Jahr wird die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. Der vermutlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat seine Teilnahme abgesagt. Doch dafür könnte der geschäftsführende Regierungschef Olaf Scholz (SPD) einen Besuch abstatten.

Neben der Politik-Prominenz wird auch Besuch aus Übersee erwartet: Die Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde, die derzeit mit ihrem Buch durch Deutschland tourt, wird am vorletzten Tag eine Bibelarbeit leiten und auf einem Podium sprechen. Ihr Thema ist der Mut, den sie selbst schon bewiesen hat, als sie US-Präsident Donald Trump am Tag nach seiner zweiten Amtseinführung in einer Predigt kritisierte. Damit passt sie ganz zum Leitgedanken des Laientreffens: «mutig - stark - beherzt». Die Losung lehnt sich an ein Bibelwort aus dem ersten Korintherbrief im Neuen Testament an. Die Anglikanerin Budde sagte in einem Instagram-Video, sie freue sich schon, in Hannover viele neue Freunde zu treffen und das Vereinende zwischen den Menschen zu suchen.

Dem Diskurs - auch über strittige Themen - will man beim Kirchentag aber nicht aus dem Weg gehen. In dem mehr als 1.500 Veranstaltungen umfassenden Programm zeigt sich das etwa an den vielen Workshops. Generalsekretärin Jahn sagt: «Neben großen Talkrunden in den Messehallen haben wir diesmal mehr Mitmachforen geschaffen: Menschen können dort lernen, wie sie am Gartenzaun mit dem Nachbarn ins Gespräch gehen über unsere Demokratie und unser Zusammenleben. Was sage ich, wenn eine menschenverachtende Parole kommt?»

Auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche gehört zu den kontroversen Themen, die auf diesem Kirchentag mit Schwerpunkten im Programm vertreten sind. Obwohl der Kirchentag als Laienbewegung sich von der Amtskirche abgrenzt, greift er die strukturellen Ursachen für den jahrzehntelangen Missbrauch auch in der evangelischen Kirche auf, etwa mit einem Podium zu Narzissmus in der Kirche.

Klima und Frieden sind Dauerbrenner-Themen beim Kirchentag. Sie bewegen die Kirchentags-Bubble enorm. Die Podien mit den Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer und Carla Hinrichs dürften gut besucht sein. Das Thema Krieg und Frieden ist durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine aktueller denn je. Die evangelischen Friedensgruppen haben sogar parallel zum Kirchentag zu einer Friedenssynode aufgerufen, auf der Kirchentags-Urgestein Margot Käßmann sprechen wird, die natürlich auch einen Auftritt auf dem Kirchentag absolviert. Sie lehnt deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine ab.

Diskussion und Austausch sind vorprogrammiert, sollen aber ergebnisoffen und nicht parteipolitisch gefärbt sein. Generalsekretärin Jahn wünscht sich, es solle jeder nach Hause gehen und sagen: «Ich bin hier heilsam irritiert worden.»