In der ökumenischen Sommerkirche in Horumersiel-Schillig gibt es immer wieder Gottesdienste, die überraschen und zugleich tief berühren. Jetzt hatten die evangelisch-lutherische Pastorin Sabine Kullik und der römisch-katholische Pastor Lars Bratke zu einem Theatergottesdienst eingeladen, bei dem szenische Lesungen aus dem Roman Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer im Mittelpunkt standen.
In der katholischen St.-Marien-Kirche in Schillig waren nur noch wenige Plätze frei, als die Schauspieler Stephanie Baak und René Schack aus Oldenburg im Altarraum zu den Büchern griffen und die Besucher gleich mit ins Geschehen hineinnahmen. Gut gegen Nordwind ist ein Briefroman der modernen Generation. Er beschreibt wie sich Emmi und Leo rein zufällig im Internet begegnen, denn Emmi will eigentlich nur eine Zeitschrift abbestellen. Aufgrund eines minimalen Tippfehlers in der Adresszeile gelangt sie zum Postfach von Leo und es entspinnt sich ein moderner Briefwechsel schneller, spontaner, bruchstückhafter als es mit der guten alten gelben Post möglich gewesen wäre. Die Strompost machts möglich. Langsam kommen sich die beiden näher, lernen sich gegenseitig einschätzen, fühlen sich auch immer wieder ertappt. Es ist ein Kontakt, der lose beginnt und immer enger wird. Ein Kontakt, den es (zunächst) nicht stört, sich nicht zu sehen.
Als anschauliches Bild für den Kontakt zwischen Gott und Mensch nahm das Pastorin Kullik. Die zunehmende Vertrautheit zwischen den Protagonisten im Roman zeigte sehr anschaulich, welche Erfahrungen Menschen mit einem Gegenüber machen können, dass ich nicht sehe, von dem ich mich aber dennoch erkannt weiß, sagte sie in ihrer Predigt. Lieder, Gebete und meditative Gedanken rankten sich um das Thema Begegnung und die Botschaft: Gott ist da, wo Menschen sind und sich für einander öffnen.
Der Gottesdienst wurde über weite Strecken von den Lesungen bestimmt, die Stephanie Baak und René Schack durch ihre Stellung zu einander, mit minimalen Gesten und mit ihrer treffenden Mimik so packend gestalteten dass der Gottesdienst mit einer deutlichen Überlänge von weit mehr als eineinhalb Stunden wie im Flug verging. Die Besucher ließen sich durch diese ganz neue Form des Gottesdienstes sichtlich berühren.
Annette Kellin