Gastpredigt hält Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, Jens Nacke
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg beteiligt sich an den evangelischen Aktionen zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes. Am kommenden Sonntag, 20. Oktober, predigt der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, Jens Nacke, im Gottesdienst in der St. Johannes-Kirche in Oldenburg (Kreyenbrück, Pasteurstraße), Beginn: 10:00 Uhr. Im Gottesdienst ist auch ein Zwischenruf zum Grundgesetzartikel 14 „Eigentum – Erbrecht – Enteignung“ geplant.
Der Gottesdienst in Oldenburg gehört zu einer bundesweiten Aktion der 20 evangelischen Landeskirchen zur Präambel und den 19 Grundrechten des Grundgesetzes sowie zur Jubiläumsinitiative der Kirchen in Niedersachsen „Würde. Auf gutem Grund. 75 Jahre Grundgesetz“.
Am 23. Mai dieses Jahres ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 75 Jahre alt geworden. Das ist auch für die christlichen Kirchen in Niedersachsen ein Grund zum Feiern, denn Christinnen und Christen leben die Werte, auf denen das Grundgesetz basiert. Und sie engagieren sich kritisch und konsequent für Gerechtigkeit, Demokratie und eine soziale Gesellschaft. Das ist umso wichtiger, da aktuell grundlegende demokratische Errungenschaften in Frage gestellt werden.
Neuer Abschnitt in wechselvoller Geschichte
„Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes“. So sagte es der damalige Präsident des Parlamentarischen Rates und erste Bundeskanzler Konrad Adenauer nach der Unterzeichnung des Grundgesetzes vor 75 Jahren. Was das neue Grundgesetz prägte war weniger ein vollkommen neues Verfassungsgesetz – das Grundgesetz baute auf die Weimarer Verfassung wie auf frühere Grundgesetzforderungen auf –, sondern vielmehr, dass man aus den vorhandenen Verfassungen lernte und das neue Grundgesetz als ein unabänderliches Freiheits- und Friedensgerüst gegen die diktatorischen Naziverbrechen formulierte. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ lautete dann auch der 1. Artikel.
Der Ruf nach Freiheit und Einheit war schon früher erklungen. Bereits auf dem Wartburgfest 1817 forderten Studenten und Professoren Freiheit und demokratische Grundrechte. Und die Parlamentarier in der Frankfurter Paulskirche sagten darauffolgend 1848: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“. All diese freiheitlichen Verfassungen und Forderungen haben sich aber nie in Gänze durchgesetzt, sie wurden von Fürsten und Gewalten verhindert oder durch spätere Gesetze und Notverordnungen außer Kraft gesetzt.
Angesichts der Freiheit und Gleichheit wie sie bereits Paulus in seinen Briefen im 1. Jahrhundert anmahnte, ist es verwunderlich, dass über den Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Art. 3, Absatz 2) noch lange gerungen wurde. Es ist dem Mut insbesondere von Frauen zu verdanken, durchzusetzen, dass Gleichheit und Würde für alle galt. Und interessant dazu: Auch ein in Oldenburg Geborener hat am Grundgesetz mitgewirkt: Der SPD-Politiker Otto Suhr (geb. in Oldenburg im August 1894).
Pfarrer Dr. Stefan Welz, Referent für Theologische Grundsatzarbeit der oldenburgischen Kirche, betont, dass es zwar keine direkten Linien zwischen den Einsichten aus dem Evangelium Jesu und dem heutigen Grundgesetz gebe, es sei jedoch offensichtlich, „dass sich genuine frühchristliche Erkenntnisse im heutigen Grundgesetz wiederfinden.“
Laut Welz wird es im Gottesdienst am 20. Oktober auch um folgende Fragen gehen: „Leiten biblische Einsichten und Erkenntnisse am Ende doch zu einem freiheitlichen Grundgesetz, wie wir es – Gott sei Dank – seit Mai 1949 haben? Finden sich biblische Spuren im heutigen Demokratieverständnis wieder? Was bedeutet das Grundgesetz für Christinnen und Christen?“
Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.evangelisch-in-niedersachsen.de/75-jahre-grundgesetz