Gott stehe zuerst an der Seite der Leidenden, gehe mit ihnen bis in die Tiefe und verlasse sie auch im Abgrund des Todes nicht, betonte Pfarrer Jan Janssen, Vertreter im Bischofsamt der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, am Dienstag, 26. Dezember, im Gedenkgottesdienst an die Weihnachtsflut vor 300 Jahren in der Kirche in Wilhelmshaven-Heppens.
Es sei angemessen und konsequent, gerade in den Weihnachtstagen an die verheerende Weihnachtsflut von 1717 zu erinnern, so Janssen. Es wäre zu bequem gewesen, den Gedenktag zu verschieben und es sei gut, die Erinnerung an die hohen Flutmarken zu pflegen.
In der Nacht von Heiligabend auf den ersten Weihnachtsfeiertag 1717 hatte eine verheerende Flut die ganze Nordseeküste getroffen und viel Leid und Tod in die Region gebracht. Die riesige Sturmflut hatte ganze Landstriche unter sich begraben und Tausende Menschen waren zu Tode gekommen. Die Heppenser Kirche war als Sturmflutkirche auf der Wurt ein Ort der Bewahrung. Mit einer Reihe von Gedenkgottesdiensten und Gedenkveranstaltungen erinnern die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und die Ev.-luth. Kirchenkreise Friesland – Wilhelmshaven und Wesermarsch an die Weihnachtsflut vor 300 Jahren.
Dass vor Gott jedes einzelne Menschenleben zähle, machten die Stationen des Gottesdienstes in Heppens deutlich, „wenn wir ihre Namen im Ohr und wenn wir ihre Namenszüge vor Augen haben“, sagte Janssen. Viele Menschen hätten damals die Fluten als Strafe Gottes empfunden. Er traue Gott solche Strafaktionen jedoch nicht zu. Er höre und vertraue auf Gottes Treue, wie sie auch Noah erfahren habe, betonte Janssen. Für ihn stelle sich vielmehr die Frage, wie der Mensch es zulassen könne, Schöpfung und Natur als Lebensgrundlage so zu gefährden.
Kritisch äußerte sich Janssen zum Umgang mit Opferzahlen in den Medien. „Wie steht es mit unserer modernen Humanität, wenn ein Nachrichtensprecher zugeben muss, Untergänge von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer erst ab bestimmten Zahlen von Toten bekannt geben zu dürfen!“, so Janssen. Es gehe darum, jedes einzelne Menschenleben zu würdigen.
Janssen erinnerte in seiner Predigt (zu Matthäus 2,13-21) auch an die Opfer des von einem Erdbeben ausgelösten Tsunamis, der am 26. Dezember 2004 weit mehr als 200.000 Menschen vor allem in Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand in den Tod riss. Mehr als 1,5 Millionen Menschen wurden daraufhin obdachlos.
Das Weihnachtsfest markiere den Aufbruch Gottes zu einem gemeinsamen Weg mit den Menschen, dies werde zu Weihnachten gefeiert, betonte Pfarrer Janssen. „Dieser Weg führt im Meer der Zeit nicht auf eine Insel der Seligen. Aber es ist ein Weg der Solidarität Gottes mit allen Menschenkindern, die leiden und sterben.“
Gottesdienst zwischen Sandsäcken
In Heppens Wilhelmshaven wird in diesen Tagen mit Kunst der Weihnachtsflut von 1017 gedacht. Wer in die Kirche will, muss durch Sandsäcke hindurchgehen. Auch der Altar besteht zurzeit aus Sandsäcken. Diese Kunstinstallation ist mit Beteiligung vieler Wilhelmshavener entstanden, die mit Unterstützung des THW ca. 1.500 Säcke für ein Kirchenkunstwerk gefüllt haben.
Im Gottesdienst in der Heppenser Kirche, der zum Gedenken und als Mahnung für die Zukunft konzipiert war, wurde auch ein temporäres Altarbild präsentiert, das der Künstler Jarno Stiddien zu diesem Gedenktag gestaltet hat. Kalligraphisch eingearbeitet wurden die Totenlisten der Heppenser Kirchenbücher aus dem Jahr 1717 / 1718. Im Gedenkgottesdienst wurden die Namen gleichzeitig von verschiedenen Orten im Kirchenraum gelesen und ergaben so ein Resonanzraum für Gedenken und Kyrie. Jugendliche zündeten zugleich Kerzen für die Flutopfer an.
Die Heppenser Kirche liegt auf einer Wurt und war mit ihren 3,67 Meter über N.N. ein Zufluchtsort für die Menschen. Die Flut ist mit einer Höhe von 4,22 Meter aufgelaufen. Dieses Maß hat auch das temporäre Altarbild, das genau bis zur Flutmarke reicht.
Noch bis zum 14. Januar sind Sandsackinstallation und Flutaltarbild in der Heppenser Kirche zu sehen.
In Heppens überlebten Menschen, die sich in die Heppensr Kirche retten konnten. Als Sturmflutkirche auf der Wurt, dem Heppenser Berg bot sie die einzige Zuflucht in den Fluten. Ein Drittel der Bevölkerung kam ums Leben.
Weitere Gedenkgottesdienste
Neben dem Gedenkgottesdienst „Weihnachtsflut“ mit Pfarrer Jan Janssen am 26. Dezember um 10 Uhr in der Heppenser Kirche Wilhelmshaven fanden am 25. Dezember ein Gedenkgottesdienst zur Weihnachtsflut 1717 mit Kreispfarrer Christian Scheuer in der St.-Magnus Kirche Sande und ein Gedenkgottesdienst um 17:17 Uhr im Weltnaturerbeportal Dangast mit Pfr. Tom O. Brok und Pfr. i.R. Frank Klimmeck sowie ein Gedenk-Läuten der Sturmflutglocke beim Friesendom von Eckard Grenzer durch Pfarrer Jan Janssen statt. Am 26. Dezember um 10 Uhr gab es ebenfalls einen Gedenkgottesdienst in der St.-Lamberti-Kirche Eckwarden.
Am Freitag, 29. Dezember, um 20 Uhr findet in der St.-Florian-Kirche Sillenstede eine musikalische Erinnerung an die Weihnachtsflut von 1717 mit Orgelmusik, Texten und historischen Berichten statt (Marcus Prieser – Orgel; Erzähler / Liturg: Fredo Eilts), der Eintritt ist frei.
Wanderausstellung
Im Gedenken an diese Katastrophe wurde im Weltnaturerbeportal in Dangast eine Wanderausstellung eröffnet, die das Geschehen dokumentiert. Die Ausstellung ist bis zum 14. Januar zu sehen und wurde von der „Akademie Dangast“ organisiert, Michael Remmers, Klaas-Heinrich Peters und Michael Recke sind die Kuratoren.
Hier finden Sie weitergehende Informationen: http://weihnachtsflut1717.de