Liebe Leserinnen und liebe Leser,
da saßen sie vor mir. Zwölf Kinder aus der KiTA meiner Kirchengemeinde. Gespannt, erwartungsvoll schauten sie auf mich, hörten meine Andacht.
„Schaut einmal dieses Bild an...und merkt Euch, was Ihr darauf seht.“
Die Kinder betrachten aufmerksam das Bild, das ich ihnen zeige. Ein Segelschiff, im Hintergrund ein Leuchtturm, zwei Möwen am Himmel.
Nachdem die Kinder das Bild betrachtet haben, falte ich das Bild und halte es über eine große Tonschale, die in der Mitte unseres Kreises auf dem Boden steht. Schweigend entzünde ich ein Streichholz, halte die Flamme an das Bild bis es lichterloh brennt. Dann lege ich das brennende Bild in die Tonschale. Ich warte. Ich wende mich an die Kinder:
„Das Bild ist verbrannt, zur Asche geworden und nicht mehr zu betrachten. Tot, aus und vorbei. Morgen beginnt eine Zeit, in der wir daran denken, dass wir alle sterben müssen. Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zum Staube. Wir sagen: Passionszeit. Wir erinnern uns an den Tod Jesu. Wir erinnern uns, dass alles Leben einmal sterben muss. Menschen, Tiere, Pflanzen. Aschermittwoch. So heißt der Tag morgen. Alles ist vorbei. Auch das Bild, das wir gerade gesehen haben, ist zu Asche geworden.
Doch Halt. Wir erinnern uns: Was war auf dem Bild vom Anfang zu sehen – bevor wir es verbrannt haben? Wisst Ihr es noch?
Und jetzt legen die Kinder los. Gemeinsam erinnern wir uns. In Gedanken malen wir ein neues Bild. Ein Segelboot, im Hintergrund links ein Leuchtturm und oben am Himmel zwei Möwen. „Ja“, sagt Johanna, „das Segelboot war rot!“ Und Malte fügt hinzu: „Und die Segel waren grün!“
„Ihr habt Recht“, sage ich zu den Kindern. „Mag das Bild verbrannt, zu Asche geworden sein, es ist noch da! In unserem Kopf, in unserem Herzen! Und so ist es mit allem Leben, das stirbt. Es ist noch da. Nur an einem anderen Ort. Gott macht alles neu! Er schenkt neues Leben, er malt ein neues Bild! Und deshalb: Mögen Menschen, Tiere, Pflanzen... sterben. Gott bleibt an unserer Seite. Gott hält Dein Leben in der Hand. Und so segne ich euch mit dem Zeichen der Asche und des Kreuzes. Auf eure Hand, auf eurer Stirn male ich das Zeichen – wie ihr es mögt. Es bedeutet: Gott ist mit Dir.“
Etwas aufgeregt, gespannt und ein wenig stolz, dabei zu sein, reichen mir die Kinder ihre Hand oder strecken ihre Stirn nach vorn. Ich tippe meine Finger in die Asche aus der Tonschale und zeichne das „Aschekreuz“ in die Hand oder auf die Stirn der Kinder. Ganz behutsam, ganz vorsichtig... Ich sage: „Auch im Sterben – Gott segnet dich – Amen“.
Am Ende singen wir, sprechen ein Gebet und gehen auseinander. Ich schaue den Kindern nach. Ich sehe: Wie berührt sie in ihre Gruppe zurückkehren … Hände und Stirn werden für eine Weile nicht gewaschen. Mama und Papa sollen es sehen. Ich bin gesegnet. Ich weiß: Gott malt ein neues Bild.
Und wir als Erwachsene? Auch uns gilt die Verheißung. Mitten im Leiden des eigenen Lebens, mitten im Leiden der Welt, im Leiden Jesu halten wir inne. Aschermittwoch. Passionszeit. Alles ist vorbei. Vielleicht haben wir Gelegenheit, uns mit dem Aschekreuz zeichnen zu lassen. Auf der Stirn, in die Hand. Wir hören den alten Satz: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“ (1. Mose 3, 19). In diesem Segen ist Leiden, Tod und Sterben aufgehoben – mit der Verheißung des neuen Lebens. Das Bild bleibt, in unserer Erinnerung, in unserem Herzen. Gott malt ein neues Bild. Deshalb vertraue darauf, was die Kinder beherzt annahmen: „Auch im Sterben – Gott segnet dich – Amen“.
Pfarrer Dr. Stefan Welz
Theologische Grundsatzarbeit
Bischofsbüro