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Nicht nur in Berlin wurde am Donnerstag, 23. Februar, der Opfer rechter Gewalt gedacht. Zu einer eindringlichen und nachdenklich stimmenden Protestandacht hatten sich in der Oldenburger St. Ansgar-Kirche in Eversten am frühen Abend mehr als hundert Menschen versammelt. Unter dem Titel „Fürchte dich nicht“ bekundeten Initiatoren und Gottesdienstbesucherinnen und -besucher ihr klares Nein zum Faschismus. Gemeinsam mit Gemeindegliedern, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und politischen Parteien hatte Pfarrer Thomas Hinne den Gottesdienst geplant. Gedichte, Gedanken und Betrachtungen zum Thema Rechtsradikalismus schufen eine besondere Bandbreite.

„Fürchte dich nicht“ – nicht grundlos hatten die Initiatoren dieses Wort als Leitmotiv für den Gottesdienst gewählt. In der Planungsphase hatte es kurzfristig Überlegungen gegeben, Sicherheitsvorkehrungen gegen rechte Angriffe auf diese Protestandacht zu ergreifen. Doch ganz bewusst ist darauf verzichtet worden. „Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft“, appellierte Pfarrer Hinne an den Mut des Einzelnen. „Wir leben in einer Demokratie, wir sind frei uns zu wehren und uns einzusetzen gegen Nazismus.“

„Was läuft schief in unserer Gesellschaft? Warum trifft Rechtsradikalismus immer wieder auf fruchtbaren Boden?“, fragte Bürgermeisterin Susanne Menge (Bündnis 90/Die Grünen) in ihrer Eröffnungsrede im Blick auf eine profitorientierte Gesellschaft, die bestimmt werde von Geldwertoptimierung und Wachstum auf Kosten der Ressourcen. Längst nicht jeder wisse freiheitliche und demokratische Werte zu schätzen, so Menge. Demokratie werde nur geschätzt, wenn sie Wohlstand bringe, zitierte Menge aus einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung und betonte gleichzeitig, dass nur zehn Prozent der Bundesbürger über 61 Prozent des gesamten Privatvermögens verfügten, die Hälfte der Bürger aber an diesem Wohlstand kaum oder gar nicht teilnehme.

Deutsche, die in ihrer Heimat als „Türkenschwein“ beschimpft würden, weil sie nicht norddeutsch aussehen; die Frage, wie sich das eigene Denken vor Extremen schützen lässt; rechtsradikale Großdemonstrationen, die „atemstockende Angst“ auslösen; Betroffenheit darüber, dass Menschen zu Mordopfern werden, nur weil sie anders sind – es waren viele Aspekte, angestoßen und vorgetragen von Gemeindegliedern, die in diesem Gottesdienst Anlass zum Nach- und Weiterdenken gaben. „Diskriminierung findet manchmal auch fast beiläufig vor unserer Haustür statt“, sagte Christoph Sahm (SPD). „Wir müssen dem Rassismus offen begegnen.“

Brücken bauen, versöhnen, Grenzen überwinden – der SPD-Fraktionsvorsitzende Bernd Bischoff hatte dies als Student versucht, indem er nach Polen reiste. „Es war für mich sehr schwierig, mit der herzlichen Gastfreundschaft umzugehen. Schließlich war mir bewusst, welches Leid die Deutschen diesem Land Jahre zuvor zugefügt haben“, erinnerte er sich und fand klare Worte für rechtsradikales Gedankengut: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Im Vorfeld der Protestandacht hatte SPD-Ratsfrau Jutta Bohne erklärt: „Es hat in der vergangenen Zeit mehrere Vorfälle in Oldenburg gegeben, die Anlass zu der Vermutung geben, rechtsradikales Gedankengut könnte wieder mehr werden“. Sie erinnerte auch an die Schändung des jüdischen Friedhofs vor einigen Wochen, das Mandat der NPD im Oldenburger Rat und die Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Fliegerhorst-Gelände. „Wir wollen das Engagement der Bürgerinnen und Bürger wecken, und zwar nicht parteipolitisch, sondern übergreifend“, so die Politikerin.

„Uns gegenseitig den Rücken stärken und zeigen, dass es einen Zusammenhalt von verschiedenen Seiten gibt“, sei der Hintergrund der Protestandacht, so Pfarrer Thomas Hinne. „Entscheidend dabei ist, dass ein lebendiger Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfindet und dass wir auf die Menschen zugehen, die hier bei uns eine neue Heimat suchen.“

In Berlin fand am 23. Februar ein zentraler Staatsakt zum Gedenken an die Mordopfer der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle statt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände hatten zudem zu einer Schweigeminute um 12 Uhr aufgerufen.

 

Bischof Jan Janssen: Rechtsextremes Denken und Handeln ist mit christlichem Glauben unvereinbar

Im Rahmen einer Schweigeminute und einer kurzen Andacht der Mitarbeitenden des Ev.-luth. Oberkirchenrates der oldenburgischen Kirche im Gedenken der Opfer rechtsradikaler Gewalt hat der Oldenburger Bischof Jan Janssen am 23. Februar vor Fremdenfeindlichkeit gewarnt und dazu aufgerufen, aufmerksam zu bleiben gegen Tendenzen, Gewalt zu verharmlosen. „Wir wollen wach bleiben gegen das schleichende Abstumpfen“, betonte Janssen.

„Wir brauchen nachhaltige Veränderungen in Politik und Gesellschaft zum Schutz derer, die zum Opfer von Ablehnung und Rassismus, Hass und Gewalt werden“, so der Bischof der oldenburgischen Kirche. Gerade Menschen mit anderer Herkunft und anderem Glauben seien auf besondere Fürsorge angewiesen. „Rechtsextremes Denken und Handeln ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar“, betonte Janssen.

Ein Beitrag von Anke Brockmeyer

*Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung finden Sie unter: www.fes.de/aktuell/documents2008/Zusammenfassung_Studie_GPI.pdf

Für ein klares Nein zum Faschismus (von links): Alfred Nehring, Autorengruppe Wortstatt, Christoph Sahm, Bernd Bischoff, Jutta Bohne (alle SPD), Susanne Menge (Die Grünen) und Pastor Thomas Hinne. Foto: A. Brockmeyer