Zum Hauptinhalt springen

Ursprünglich sollte es ein Josua-Oratorium werden, doch an der Figur des Mose kam Ralf Grössler nicht vorbei. Und so spielen beide biblischen Figuren im neuen Gospel-Oratorium „Going Home – auf dem Weg ins Gelobte Land“ des Wildeshauser Kantors eine zentrale Rolle. Das Werk erzählt in vier Teilen die Geschichte vom Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten.

Die Idee für sein zweites Gospel-Oratorium kam Grössler gleich nach der Uraufführung seines erfolgreichen Werkes „Prince of Peace“ 2007. Allerdings nicht beim Musizieren, sondern beim Spülen. Das berichtete der Kantor bei der Vorstellung des Projektes auf einem gemeinsamen Probenabend der beiden Chöre der Alexanderkirche, bei dem er die Chorpartituren im vollen Saal des Walberthauses verteilte.

So fanden fast alle 150 Notenhefte mit den Chorpartituren sofort interessierte Leserinnen und Leser. Die Uraufführung des Stückes steht im Herbst an. Am 5. Oktober soll es in der Alexanderkirche in Wildeshausen erstmals dargeboten werden, aber auch eine Aufführung im Rahmen des „Niedersächsischen Kirchenmusikerkongresses“ in Göttingen ist geplant.

Einen ersten Einblick in das Stück gewährte Grössler aber bereits bei der Vorstellung vor den beiden Chören. Dabei berichtete er auch, von der Entstehung der Stücke und dem Zusammenspiel von Komposition und Eingebung.

Den größten Teil des Stückes hat der Kantor in den Osterferien des vergangenen Jahres geschrieben. Wie schon bei seiner letzten großen Komposition hatte er sich zum Komponieren an die Ostsee zurückgezogen. Dort entstanden im Wohnwagen mit Blick auf das Meer die Stücke. „Ich schreibe diese Stücke nicht alleine. Es fällt mir zu“, betont Grössler. Komposition und Eingebung korrespondierten dabei immer miteinander.

So habe er zum Beispiel eine Melodie komponiert, dann sei ihm die Eingebung gekommen, darauf den Text aus dem Buch Josua 1,9 zu legen – allerdings in der englischen Übersetzung. „Und es passte“, erzählt Grössler den Chormitgliedern und stimmt das Stück gleich an.

Textgrundlage für das Oratorium sind neben Josua-Texten aber auch Choraltexte und Texte des Propheten Jesaja. So hat Grössler unter anderem den Choral „Aus tiefer Not“ und den Psalm 103 in das Werk integriert. Immer wieder greift Grössler auf die englischen Übersetzungen zurück. Zum einen, weil die englische Sprache bei Gospel-Liedern oft unumgänglich sei, zum anderen aber auch aus inhaltlichen Gründen.

Das erläutert er am Beispiel des Chorals „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ von Phillipp Nicolai. Der englische Text beziehe sich mit seiner endzeitlichen Aussage („Awake Jerusalem at last“) klar auf das neue Jerusalem. Zu den Texten aus Bibelstellen und Chorälen kommen aber auch freie, poetische Texte, die Katja Jöllenbeck geschrieben hat. Jöllenbeck singt in beiden Chören der Wildeshauser Kantorei mit.

Für den theologischen Kern war es Grössler wichtig, das Alte Testament durch die Brille des Neuen Testaments zu sehen. Die Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament ist für Grössler das „doppelte Liebesgebot“: das Gebot der Gottesliebe und der Nächstenliebe, das in beiden Büchern zu finden ist. Wie zentral dieses Gebot für das Stück ist, ist auch daran zu erkennen, dass nur dieses Gebot der Zehn Gebote von Grössler direkt zitiert wird. „An diesem zweifachen Gebot hängt für mich das ganze Gesetz“, erklärt Grössler.

Grössler hat sein Oratorium in vier Teile aufgeteilt: Den ersten Teil bildet der Aufbruch des Volkes Israel aus Ägypten, der zweite Teil stellt das Wechselbad der Gefühle unterwegs dar, im dritten Teil erfolgt die Verkündung der Zehn Gebote, und im vierten Teil geht es um die Ankunft. Doch ob es die Ankunft im Gelobten Land ist oder das Leben nach dem Tod, in das alle eines Tages gelangen, lässt der Wildeshauser Kantor offen. Dazu passend hat die Aufteilung des Stückes in vier Teile noch eine zweite Dimension: So symbolisieren die vier Teile (Aufbruch, Unterwegs, Zehn Gebote, Ankunft) latent auch Stationen menschlichen Lebens, als da wären Geburt, Jugend, Gott als Orientierung im Erwachsenenleben und Fragen nach dem Jenseits.

Ein Beitrag von Kerstin Kempermann, Evangelische Zeitung.

In einem Wohnwagen mit Blick aufs Meer arbeitete der Wildeshauser Kantor Ralf Grössler an den Partituren für die Stücke seines neuen Gospel-Oratoriums „Going Home – auf dem Weg ins Gelobte Land“. Fotos: Evangelische Zeitung/Kerstin Kempermann
Die handschriftlichen Noten zu den Stücken des Gospel-Oratoriums „Going Home – auf dem Weg ins Gelobte Land“ entstanden größtenteils an der Ostsee.
Gespannt warteten die Mitglieder der beiden Chöre bei der Vorstellung des neuen Oratoriums von Kantor Ralf Grössler (re.) auf die Verteilung der Notenhefte zu „Going Home“.