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Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat dazu aufgerufen, den Traum von einer anderen, gerechteren Welt nicht aufzugeben. „Wir können dem Wachstumswahn ein ‚weniger-ist-mehr’ entgegensetzen“, betonte Göring-Eckardt, die auch Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, am Freitagabend, 2. Dezember, anlässlich des Adventsempfangs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche.

 

Mit Blick auf das Ringen um Frieden, Gerechtigkeit, die Bewahrung der Schöpfung und den schonenden Umgang mit Ressourcen erklärte die Grünenpolitikerin, es sei möglich, weniger Dreck zu produzieren und weniger zu Schulden machen. „Wir können weniger zerstören und an Ressourcen verbrauchen und nachhaltiger leben! Zum Glück also gibt es immer mehr Menschen, die diesen Tanz um das Wachstums-Kalb kritisch hinterfragen. Denn Wachstumskritik ist alles andere als retro“, so Göring-Eckardt.
 
In der politischen Debatte laufe dieser Prozess des Neu- und Umdenkens unter unterschiedlichen Labels. Bei allem gehe es aber um eine Kultur des Weniger. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise fragte Göring-Eckardt, ob nicht dieses „Mantra nach Wachstum und nach immer mehr genau zu der Schulden- und Finanzkrise beigetragen hat, die uns seit einiger Zeit umtreibt und noch lange vor sich hertreiben wird“.

 

Der Maßstab des Wirtschaftswachstums anhand des Bruttoinlandsprodukts sage absolut nichts darüber aus, wie lebenswert eine Gesellschaft wirklich sei, wie solidarisch sei. Das Gegenteil sei der Fall, so Göring-Eckardt. Wachstum könne gefährlich werden. „Längst leben wir in einer Wegwerfgesellschaft, in der man sich nach ein paar Jahren eben ein neues Produkt kauft und das alte wegschmeißt – weil es sich nicht mehr lohnt, zu reparieren? Dass wir unseren Planeten nicht unendlich ausbeuten können und die Ressourcen eben nun mal begrenzt sind, liegt auf der Hand.“

 

Eine lebenswerte Gesellschaft zeige sich an der gelebten Solidarität und an den Kulturgütern, die sie hervorbringe, betonte Göring-Eckardt. Die gesellschaftlichen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte gingen „auf Bildung, Gesundheit und Kommunikation zurück“ aber nicht auf Wachstum. „Ab einem bestimmten Niveau hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes nur noch einen sehr geringen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung.“

 

In seiner Andacht (zu Mt 11,1-6) mahnte der Oldenburger Bischof Jan Janssen am Freitagabend, dass die Nachhaltigkeit die „drängendste Aufgabe unserer Gesellschaft, ökologisch und kulturell, schon jetzt für unsere Kinder und für kommende Generationen“ bleibe. Das „Hingehen“ sei die erste Bewegung der kirchlichen Arbeit, das „Weitersagen“ die zweite, so Janssen. „Und wir sollen sagen, was wir hören und sehen, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen – das ist nun wahrlich keine missionarische Überforderung!“

 

Es lohne sich, betonte Bischof Jan Janssen vor Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche, Politik und Gesellschaft, „die biblische Botschaft als Grundlage unseres Denkens und Tuns ernst und genau zu nehmen.“

 

In einem Exkurs zum Papstbesuch Ende September in Deutschland betonte Göring-Eckardt, dass die evangelische Kirche gern Gastgeberin gewesen sei. Nach dem Besuch sei in den Medien und vielen Zuschriften – meist von katholischen Christen und Christinnen – viel von ökumenischer Enttäuschung die Rede gewesen. Dies treffe nicht zu. „Wir sind vielmehr dankbar und fühlten uns geehrt, wenn wir auch nicht zufrieden sind – denn zufrieden sein heißt, nichts mehr zu erwarten.“

 

Sie liebe die evangelische Kirche und fühle sich in ihr beheimatet wegen der Freiheit im Glauben und der Freiheit der Kirche, so die Grünenpolitikerin. „Ich glaube, im Kern ist unser Glaube ein wunderschöner Segen Gottes. Er gehört zu den grundlegendsten, schönsten und wichtigsten Dingen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe: Welch ein Reichtum, welch ein Staunen über Gottes Gegenwart, welch eine Weite, die sich dem Herzen öffnet und den Geist frei macht.“

 

Gott rufe die Menschen in die Freiheit, lasse sie aufbrechen in die Zukunft und komme den Menschen selbst dabei entgegen. Das einzige, was wirklich noch wachsen müsse, sei „unser Zutrauen in Gottes Liebe, aus der wir leben und die wir weitergeben dürfen“, betonte Göring-Eckardt.

 

Der alljährliche Adventsempfang der oldenburgischen Kirche wurde musikalisch gestaltet von „Die Vier“ mit Jazzmusik und Oldtimejazz.

 

Hier finden Sie den vollen <media 9225>Wortlaut des Vortrags</media> von Bundestagsvizepräsidentin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, am 2. Dezember 2011, in der St. Lamberti-Kirche Oldenburg zum Thema: "Wir sind getauft und zur Freiheit berufen – Evangelisch Christ-Sein heute".

Hier finden Sie den <media 9226>vollen Wortlaut der Ansprache</media> von Bischof Jan Janssen zu Mt 11,1-6 am 2. Dezember 2011, in der St. Lamberti-Kirche Oldenburg anläßlich des Adventsempfangs 2011 der oldenburgischen Kirche.

 

Adventsempfang der oldenburgischen Kirche (von li. nach re.): Synodenpräsidentin Sabine Blütchen, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Bischof Jan Janssen. Fotos: ELKiO/D.-M. Grötzsch
Adventsempfang in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche
Jazzmusik und Oldtimejazz mit „Die Vier“