Zum dritten Mal hatten die christlichen Kirchen im Oldenburger Land anlässlich des Reformationstages am 31. Oktober zu einer zentralen ökumenischen Veranstaltung eingeladen. Der Reformationstag steht in Niedersachsen seit Einführung als neuem gesetzlichen Feiertag 2018 unter dem Motto: „Reformation neu feiern“. In diesem Jahr war die zentrale ökumenische Feier im Oldenburger Land geprägt von oft wenig beachteten „Kindern“ der Reformation: den täuferischen Freikirchen. Die bekanntesten täuferischen Freikirchen sind Baptisten und Mennoniten. Sie bereiten sich derzeit auf das Jahr 2025 vor, wenn 500 Jahre Täuferbewegung gedacht wird. Das Leitwort des ökumenischen Gottesdienstes in Varel lautete daher: „Gewagt! Mündig leben!“
Auf Grund der Corona-Pandemie konnten nur wenige Menschen am Gottesdienst teilnehmen. Darum wurde der Gottesdienst in einem Live-Stream gesendet. Die ökumenische Veranstaltung ist unter www.kirche-oldenburg.de/reformationstag weiterhin zu sehen. Am Sonntag, 1. November, um 10 Uhr, wird der Gottesdienst vom Lokalsender Oeins ausgestrahlt.
An dem Gottesdienst wirkten die vier Konfessionen mit, die die Ökumene in Varel wiederspiegeln, sagte Bischof Thomas Adomeit von der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg in seiner Begrüßung. Er dankte allen Beteiligten für ihr ökumenisches Engagement. Dass in diesem Jahr das Thema der Täuferdekade in den Blick genommen wurde, zeige, wie bereichernd die konfessionelle Verschiedenheit sei und wie viel Verbindendes es gebe. Gemeinsam „Reformation neu feiern“, bedeute in diesem Gottesdienst, dass sich alle Mitgestaltenden – ob baptistisch, evangelisch-lutherisch, neuapostolisch oder römisch-katholisch – der Frage stellen: „Was heißt es für mich, meinen Glauben mündig zu leben?“ In kurzen Statements beschrieben Mitglieder der verschiedenen Konfessionen, was es für sie bedeutet, als Christin, als Christ in dieser Welt zu leben und ihren Glauben mündig zu bezeugen.
Was es bedeutet, den Glauben mündig zu leben
Für Ralf Splettstößer von der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Varel (Baptisten) gehöre es dazu, „den Mund gegen die Ungerechtigkeiten in dieser Welt aufzumachen“, sagte er in seinem Statement. Mündigkeit bedeute auch, Verantwortung für sein eigenes Tun zu übernehmen. „Mündig sein bedeutet für mich aber auch: Mich selber einschätzen zu können, um meine Begrenztheit zu wissen, darauf verzichten zu können, um jeden Preis der Schnellste, der Tollste, der Beste sein zu müssen.“
„Meinen Glauben mündig zu leben, erfordert für mich einen Spagat“, bekannte Heiner Bruns von der römisch-katholischen Gemeinde. Christsein könne er nur in Gemeinschaft mit anderen leben. Die Kirche bestehe aber aus Menschen, deren Strukturen und Regeln im Laufe der Zeit nicht immer Gottes und Jesu Willen entsprochen haben. Da gelte es solidarisch, aber auch kritisch zu sein. Mit gutem Gewissen. Den Spagat zwischen dem Anspruch des Wortes Gottes und dem Alltag müsse man immer wieder aushalten.
„Wenn ich falle, ist mein Glaube ein Netz, das mich auffängt und hält“, erklärte Petra Herten von der neuapostolischen Gemeinde. Ihr Glaube gebe ihr Maßstäbe für eigenständiges Urteilen, Entscheiden und Wollen schenke ihr die Kraft dementsprechend zu handeln. Deshalb sei sie froh, glauben zu können.
„Glauben leben bedeutet für mich, in Beziehung zu Jesus Christus im Alltag zu leben“, ergänzte Lars Burgard von der Evangelisch-lutherischen Gemeinde in Varel. Diese Beziehung müsse genauso gepflegt werden, wie zu anderen Menschen auch. Seine Beziehung zu Gott pflege er im Gebet und die Bibel böte ihm Halt und Orientierung für sein Leben. Diese gelte sowohl für die großen Fragen in der Gesellschaft, etwa dem Leid der Flüchtlinge wie auch für die ganz persönlichen Fragen des Lebens, etwa die verantwortliche Ausübung seines Berufes oder sein Umgang mit Sorgen und persönlichem Leid.
Zwei Kurz-Predigten
Ein mündig gelebter Glaube setze Glaubensfestigkeit voraus, sagte die Pastorin der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Varel, Maximiliane Kedaj, in ihrer Auslegung des Predigttextes aus dem Epheser-Brief (Eph 4,12b-14). Ein fester Glaube sei weder unbeweglich oder starr. Auch bedeute er keine Übernahme von nicht hinterfragbaren Lebensregeln oder eine Bevormundung durch Glaubensüberzeugungen. Ein mündiger Glaube sei „anders“ fest. Fest, weil er das Ergebnis ernsthafter Suche nach Wahrheit sei. Es sei ein Glaube, der Überprüfung und Erprobung standgehalten habe, „in den sich jemand hinein gelebt, gefragt und gezweifelt habe.“ Das Reformationsjubiläum zu nutzen, um mündigen Glauben ökumenisch zu feiern, sei eine gute Sache, lobte Kedaj, weil die Vielfalt unter Christen Zeugnis der ernsthaften Suche nach Wahrheit, von mündig gelebtem Glauben, sei. Darin habe die Ökumene „ihre unglaubliche Schönheit“.
Monsignore Bernd Winter vom Offialatsbezirk Oldenburg der katholischen Kirche betonte in seinem Predigtteil, dass in allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften der Geist lebendig sei. „Wir wissen uns als Getaufte mit dem Geist Gottes begabt. Und wir wollen in seiner Kraft unsere Gemeinschaften und die Welt gestalten.“ Mündigkeit sei dabei „eine Schlüsselkompetenz für ein gelingendes Leben und auch dafür, dass man von Bedeutung ist für die Mitwelt, für das soziale Gefüge, in dem man sich bewegt“. Diese sollte „von der Liebe geleitet“, „in der Wahrheit zuhause und in allem Wachsen auf Christus hin geordnet“ sein. „In einer solchen Mündigkeit werden wir nicht nur in unserem persönlichen Leben auf ihn hin wachsen, sondern auch unsere Kirchen und Gemeinschaften so weiterentwickeln können, dass Trennendes überwunden wird und wir gemeinsam zur Einheit im Glauben und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, gemeinsam zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht.“
„Reformation neu feiern“
Seit Einführung des Reformationstags als neuem gesetzlichen Feiertag 2018 in Niedersachsen feiern die christlichen Kirchen diesen Tag gemeinsam unter dem Motto: „Reformation neu feiern“.
Mit vier Konfessionen diesen Tag ökumenisch und neu zu feiern, mache deutlich, dass dies nicht ein Tag der Abgrenzung sei, hob der evangelisch-lutherische Pfarrer Tom Oliver Brok hervor. „Vielmehr stehen das Miteinander und die Verständigung zwischen religiösen Denkweisen im Vordergrund. Als ein Zeichen, dass alle Weltanschauungen und Religionen sich achten sollten.“
Wolfgang Adomeit, Bezirksältester im Bezirk Wilhelmshaven der neu-apostolischen Kirche, sagte: „Martin Luther, auf den das Datum des Reformationstages zurückgeht, schrieb von der ‚Freiheit des Christenmenschen‘. Als Christen feiern wir diese Freiheit, mit der wir vor Gott und Jesus Christus stehen. Es ist schön, dass wir auch die Freiheit haben, dieses Fest über Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam zu begehen. Für mich erfüllt sich hier ansatzweise ein Herzenswunsch Jesu, der Gott um das Eins sein seiner Nachfolger anflehte. Das macht mir Hoffnung und Mut.“
Die ökumenische Veranstaltung ist unter www.kirche-oldenburg.de/reformationstag weiterhin abrufbar.