Kirchenvertreter, Ehrenamtliche und andere interessierte Gemeindemitglieder aller Altersgruppen waren gezielt eingeladen worden, um die Zukunft der Kirche in Oldenburg zu diskutieren, Probleme zu benennen und Denkanstöße zu geben. "Es ist wichtig, dass beim Open Space auch Menschen dabei sind, die mit der Kirche nicht so eng verbunden sind und einen distanzierteren Blick von außen bieten können", hob Moderatorin Kerstin Richter die Bedeutung der Teilnehmenden hervor, die nicht in der Gemeindearbeit involviert sind. Wie viele Themen den Mitwirkenden unter den Nägeln brannten, zeigte der Aufruf zur Stoffsammlung: Innerhalb kürzester Zeit hatte sich eine Warteschlange vor den ausgelegten Arbeitsblättern gebildet. Um zu allen Themen Arbeitsgruppen anbieten zu können, mussten zusätzliche Räume geöffnet werden.
Mehr als 40 Themen wurden diskutiert, die Bandbreite reichte von Fragen der Nachhaltigkeit und Ethik bis zum Umgang mit Immobilien und der Kirche als Arbeitgeber. Einige Punkte kristallisierten sich klar heraus. Dazu gehörte die Frage, ob sich die Kirche künftig soziale Aufgaben wie die Diakonie noch leisten könne, und die Schwierigkeit, junge und alte Menschen gleichermaßen mit den gemeindlichen Angeboten anzusprechen. Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang: kinderlose Erwachsene im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, die nicht über Familienangebote in die Gemeinde eingebunden werden können und für die gezielte Projekte erarbeitet werden könnten.
Auch eine deutliche Warnung war nicht zu überhören: Ehrenamtlichen aus Kostengründen Aufgaben zu übertragen, die bisher von hauptamtlichen Kräften übernommen wurden, werde auf Dauer nicht funktionieren. Augenmaß und ein gesundes Gleichgewicht zwischen haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten sei für die Zukunft wichtig. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, das individuelle Potenzial der engagierten Gemeindemitglieder zu erkennen und gezielt zu nutzen.
Die Rolle der Pastoren rückte ebenfalls in den Fokus. Welche Aufgaben werden sie künftig übernehmen können und delegieren müssen? Werden sie eher Manager oder Seelsorger sein? Gerade hinsichtlich eines zu erwartenden Theologenmangels entwickelten die entsprechende Arbeitsgruppen
Lösungsansätze, zu denen unter anderem die klare Entlastung des Pfarramtes von Verwaltungsaufgaben gehörte, aber auch eine ämterübergreifende Aufgabenverteilung und Flexibilisierung des Gemeindeverständnisses. Gleichzeitig forderten die Teilnehmenden des "Open Space" eine stärkere Politisierung der Gemeinden. So könne die Kirche gesellschaftliche Themen, die die Menschen bewegen, eher erkennen.
Einem strittigen Thema gab eine weitere Arbeitsgruppe ein Forum: Hat die evangelische Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Stadt noch eine Zukunft? Die Gruppe plädierte ganz klar dafür und widersprach damit dem Beschluss der Synode von 2006, die Beratungsstelle zu schließen. Möglich sei eventuell, so ein Lösungsansatz der Teilnehmenden, eine gemeinsame Beratungsstelle der Kirchengemeinden, die sich auch für Nichtchristen öffnet.
Eines wurde an diesem Wochenende ganz deutlich: Alle gesellschaftlichen Veränderungen haben Einfluss auch auf die kirchlichen Belange. Der demografische Wandel stellt ebenso eine Herausforderung für den Gemeindealltag dar wie die Einrichtung von Ganztagsschulen mit einer veränderten Freizeitgestaltung der Kinder; Wirtschaftskrisen und Umweltprobleme spiegeln sich nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche wider. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, muss sich die Kirche Themen wie diesen immer wieder neu stellen.
Text und Fotos: Anke Brockmeyer (eye)