150 Menschen mussten zwischen 1941 und 1943 auf beengtem Raum in einem sogenannten «Judenhaus» in Hannover leben. Zeitzeugin Ruth Gröne berichtete bei der Enthüllung einer Gedenktafel von ihrer Kindheit in dem Haus.
Hannover (epd). Mit Ruth Gröne erinnerte am Mittwoch in Hannover noch eine Zeitzeugin an die Geschichte der sogenannten «Judenhäuser» in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Alkoholisierte Gestapo-Beamte hätten Bewohner mit «Gebrüll, Tritten und Schlägen» durchs Treppenhaus gescheucht, sagte die 91-Jährige. «Ich hatte Angst um meinen Vater, die Misshandlungen könnten auch ihn treffen.» Zum Gedenken an das Judenhaus in der Herschelstraße 31 enthüllten Stadt und der Sozialverband Deutschland eine Tafel.
Die Zeitzeugin lebte als Kind in der NS-Zeit zwei Jahre lang mit ihren Eltern in dem Haus. Am 25. Oktober 1941 mussten sie zwangsweise dorthin umziehen. Lange hatte Gröne den Wunsch nach einer Gedenktafel, wie sie berichtete.
Zwischen 1941 und 1943 waren 150 Menschen auf engem Raum in dem Haus untergebracht. Seit 1957 hat der Sozialverband Deutschland (SoVD) auf dem Grundstück seine Landesgeschäftsstelle. «Das Schicksal der Menschen ist untrennbar mit diesem Haus verbunden», sagte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden des SoVD in Niedersachsen, Dirk Swinke, enthüllte er die Tafel, die auf Initiative des Verbandes und der Stadt angebracht wurde.
Onay sagte, die Tafel sei eine von aktuell 150, die in der Stadt an geschichtliche Ereignisse erinnern. Künftig werde die Zahl auf 200 erhöht. Auch an Fassaden anderer «Judenhäuser» solle es weitere Tafeln geben. Swinke fügte an, die Menschen in dem Haus seien dort Kontrolle, Gewalt und Willkür der Gestapo aussetzt gewesen. «Wir haben die Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen.»
Im September 1941 mussten mehr als 1.200 hannoversche Jüdinnen und Juden ihre Wohnungen räumen. Sie wurden gezwungen, in die «Judenhäuser» zu ziehen. Dazu zählte auch das Haus in der Herschelstraße 31. Von 150 jüdischen Bewohnern wurden 85 im Dezember 1941 nach Riga deportiert. Rund 40 mussten in andere «Judenhäuser» umziehen. Bei der Ausbombung des Hauses am 9. Oktober 1943 wohnten dort noch ungefähr 60 Menschen.
Ruth Gröne berichtete, sie und ihre Eltern seien ins Freie gerannt, um nicht zu ersticken oder zu verbrennen. «Wir hatten das Wichtigste gerettet: unser Leben.» Der Vater sei jedoch 1944 verhaftet worden. Er kam später in die Lager Neuengamme und Sandbostel, wo er vor der Befreiung an Typhus starb.