Ein harmonisches Treffen der Losungsleser der Herrnhuter Brüdergemeine in der St.-Bartholomäus-Kirche in Tossens in der Wesermarsch bot am Sonntag den Gläubigen Gelegenheit zum Kennenlernen und Austauschen. Jährlich findet dieses Treffen der evangelischen Freikirche an einem anderen Ort statt. Tossens zählt zur Provinz Neugnadenfeld in der Grafschaft Bentheim mit der dortigen niederländischen Pastorin Saskia Delvendahl-Bloem.
Nach dem Gottesdienst mit Pastorin Delvendahl-Bloem, Kreispfarrer Jens Möllmann und dem Oldenburger Bischof Jan Janssen konnten die Teilnehmenden in der Caféteria der Zinzendorfschule bei leckeren Häppchen und frischem Kaffee ins Gespräch kommen. Die Schule geht auf eine Herrnhuter Gründung zurück, trägt noch heute den Namen des Losungserfinders und pflegt einen engen Kontakt zur Brüdergemeine. Aus Oldenburg, Bremervörde, Bockhorn und der Wesermarsch reisten die Teilnehmenden an.
Die Losungen werden einmal pro Jahr zusammengestellt und herausgegeben und mittlerweile nicht mehr nur in einem kleinen gebundenen Heft vertrieben. Für jeden Tag des Jahres wird durch Auslosen ein Vers aus dem Alten Testament der Bibel gezogen und mit einem weiteren Pendant aus dem Neuen Testament als Lehrtext ergänzt. Angefügt wird dem Ganzen ein weiterer Text aus Liedern oder Gebeten, die meist einen regionalen Bezug zum Erscheinungsland aufweisen.
In 55 Sprachen werden diese Losungen inzwischen übersetzt und weltweit in über einer Million Exemplaren vertrieben. Erst kürzlich wurde beschlossen, die Losungen ab kommendem Jahr ins Ägyptische zu übersetzen, teilte Pastorin Delvendahl-Blohm mit. Auch in elektronischer Form für Computer, Tablet oder Handy sind die Losungen per kostenloser Software inzwischen erhältlich.
Die erste Losung wurde von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf als damaligem Leiter der Brüdergemeine im schlesischen Herrnhut am 3. Mai 1728 gezogen. Das erste Losungsbuch erschien im Jahr 1731 und feiert heute seine 284. Auflage.
Zu dem Treffen in Tossens brachte Bischof Jan Janssen einige ältere Exemplare von 1958 und später mit, die von den Teilnehmenden interessiert begutachtet wurden. Der Hochzeitstag oder Geburtstage boten Anlass, auf den entsprechenden Seiten nach der niedergeschriebenen Losung zu schauen.
Fürchte dich nicht! Dieser Bibelspruch sei die wohl evangelischste aller Tageslosungen überhaupt, war Bischof Jan Janssen in seiner Predigt überzeugt. Fürchte Dich nicht! In der Bibel hörten es schon Petrus, Johannes, Jakobus, ja sogar Abraham und Sarah oder Zacharias und Elisabeth. Maria hörte es, die verzagten Jünger in ängstlicher Stunde oder auch die Hirten auf den Feldern von Bethlehem. Mit diesen Worten trete Gott mitten in die Welt der Menschen, mit diesen Worten klopfe er an und trete mitten in den Alltag. Zwischen Booten und Netzen, Schreibtisch und Nachttisch, Arbeitsplatz und Handy steckt im Wort Gottes Kraft und Wegweisung für den Tag, nahm der Bischof Bezug zu dem Ort des Treffens, der direkt an der Nordseeküste liegt.
Nicht für die Masse seien die Losungen, sie wirkten im Stillen. Im gegenseitigen Ermutigen oder Ermahnen, in tröstlichen oder hilfreichen Begegnungen. Losungen sind keine Rezepte für den Tag, aber sie haben oft ein Überraschungsmoment. Als Wort Gottes können Losungen meinen Kurs neu ausrichten, sogar meiner Lebensbahn Geleit geben, sagte Jan Janssen. Losungen könnten Proviant sein auf dem Weg durch den Tag. Mal eine exotische Kostprobe, mal mit harten Kanten zu kauen, dann wieder nachhaltig nahrhafte Hausmannskost.
Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht, zitierte Bischof Janssen Matthäus Kapitel 4 Vers 4. Lasst Euch von dem Wort Gottes anregen zu neuem Tun und in Bewegung versetzen hin zu anderen Menschen, forderte er die Gläubigen auf, das Wort Gottes wie ein Netz auszuwerfen.
Seit zehn Jahren findet ein Gesprächskreis der Losungsleser der Provinz Neugandenfeld und benachbarter Provinzen alle vier Wochen im Raum Tossens im privaten Umfeld statt. Bis zu zwölf Teilnehmende beschäftigen sich dann mit den Losungstexten. Es wird gebetet und viel gesungen, denn das ist das Markenzeichen der Brüdergemeine. Wir sprechen auch über aktuelle Themen, die uns beschäftigen wie Kriege oder ähnliche Dinge, berichtete Rolf Karpenstein aus Bremervörde. Mit seiner Frau Doris genießt er die monatlichen Gesprächskreise und freut sich, den Kontakt zu seiner alten Heimat aufrecht erhalten zu können.
Er wuchs in Tossens auf und ging dort von 1948 bis 1954 in die Zinzendorfschule. Nach dem Abitur machte er eine zweijährige Ausbildung in der Verwaltung, bevor er den Landkreis verließ und später als Polizist in Bremen arbeitete. Bei einem Klassentreffen nach 50 Jahren in der Zinzendorfschule im Jahr 2004 sei die Idee zu dem Gesprächskreis schließlich entstanden. In seiner Schulzeit gehörten die Tageslosungen zum täglichen Ritual vor Beginn des Unterrichtes.
Ein Beitrag von Beatrix Schulte.