Osnabrück (epd). Der syrisch-libanesische Dichter Ali Ahmad Said Esber alias Adonis hat sich gegen die Kritik zur Wehr gesetzt, er habe den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück wegen seiner Haltung zum syrischen Regime nicht verdient. «Ich habe in einem Brief den syrischen Machthaber aufgefordert, die Macht abzugeben. Was soll ich noch mehr tun?», sagte Adonis am Donnerstag in Osnabrück. «Ich habe mein ganzes Leben gegen die Diktatur gekämpft.» Die Auszeichnung wird dem 86-Jährigen am Freitag im Friedenssaal des Rathauses überreicht. Die Entscheidung der Jury war kurz nach der Bekanntgabe im August 2015 zum Teil auf scharfe Kritik gestoßen, unter anderem von syrischen Oppositionellen, Menschenrechtlern und auch vom Zentralrat der Muslime. Adonis habe sich nicht deutlich genug gegen das Gewaltregime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gestellt, hieß es.
Die Bürgermeisterin der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa, Giuseppina Maria Nicolini, hatte aus Protest gegen Adonis auf den ihr zugedachten Sonderpreis verzichtet. Der Schriftsteller Navid Kermani hatte sich geweigert, die Laudatio zu halten. Adonis hielt seinen Kritikern vor, sie hätten seine Schriften nicht gelesen, und erwähnte insbesondere Kermani. In den Texten habe er sich immer gegen Gewalt, gegen die Unterdrückung der Frauen und gegen Gottesstaaten ausgesprochen.
Er habe sich von seinen arabischen Kritikern gewünscht, dass sie ebenso laut protestiert hätten gegen theokratische Diktaturen, «die Araber und Syrer abschlachten, nur weil sie zufällig als Christen oder Aleviten geboren wurden», betonte der Lyriker. Ebenso hätten sie gegen die Versklavung von Frauen, die Verfolgung der Jesiden, die Zerstörung historischer Stätten und die Einmischung des Westens ihre Stimme erheben sollen.
Den Westen und besonders die USA klagte Adonis an, sie hätten mit der Unterstützung religiös ausgerichteter Regime und Gruppen den Krieg in und um Syrien erst herbeigeführt. Die arabische Welt sei auch weiterhin ein Spielball wirtschaftlicher und geostrategischer Interessen der Amerikaner. Er sehe derzeit nicht, dass auch nur ein Regime oder eine der großen oppositionellen Gruppierungen in der Lage wäre, die Demokratie als Staatsform anzuerkennen, kritisierte der Dichter.
Die Jury unter Vorsitz von Universitätspräsident Wolfgang Lücke hatte die Vergabe des Preises damit begründet, dass Adonis für eine Trennung von Religion und Staat eintrete. Zugleich habe sie sein Engagement für die Gleichberechtigung der Frauen in der arabischen Welt und für eine aufgeklärte arabische Gesellschaft würdigen wollen.