Doppelt so erfolgreich, zehnmal mehr Demokratieerhalt, weniger Tote, Verletzte und Zerstörung. So lassen sich nach wissenschaftlichen Untersuchungen die Ergebnisse von gewaltfreien Kampagnen und Umwälzungen der letzten 100 Jahre im Verhältnis zu gewaltsamen Auseinandersetzungen charakterisieren. Der Religionspädagoge Theodor Ziegler aus der Badischen Landeskirche berichtete am letzten Sonntag, 2. März, auf Einladung des Gemeindekirchenrates in Varel und am Montag, 3. März, auf Einladung des Kirchenkreises und des Evangelischen Bildungswerkes Ammerland in Westerstede den jeweils gut besetzten Auditorien, warum in seiner Kirche eine neue friedensethische Debatte angestoßen wurde.
Wir sahen, dass in der Politik keine zukunftsfähigen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen mehr gefunden wurden. Da haben wir uns gefragt, ob unsere christlichen Wurzeln helfen können, so Ziegler.
Nachdem in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung Christsein und Soldatsein sich ausschlossen, wurde nach der Konstantinischen Wende das Kreuz zum Symbol vieler Heere. Bald seien dann aber auch die Lehre vom gerechten Krieg und damit Kriterien für die Kriegsbeteiligung von Christen entwickelt worden. Kein einziger Krieg wurde durch diese Lehre verhindert, so Ziegler. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei dann das entwickelt worden, was in der EKD-Denkschrift von 2007 festgehalten wurde, die Vorrangigkeit der Option der Gewaltfreiheit. Militärische Gewalt sei lediglich als ultima ratio, als allerletztes Mittel, erlaubt.
Das führte bei uns sofort zu der Frage: Ist die Option der Gewaltfreiheit wirklich vorrangig, solange für militärische Lösungen 1000 mal mehr Geld ausgegeben wird als für den Zivilen Friedensdienst?.
Deutschland könne doch stolz sein auf die friedliche Revolution vor 25 Jahren in der DDR, die insbesondere durch das besonnene und strikt gewaltfreie Auftreten von Christinnen und Christen so erfolgreich wie friedlich verlaufen sei. Aber was wäre passiert so fragte Theodor Ziegler , wenn die Montagsdemonstranten vorne keine Gewalt gerufen hätten, aber am Ende des Demonstrationszuges ihre ultima ratio, eine Abteilung Demonstranten mit Baseballschlägern, mitgenommen hätten?
Gewaltfreiheit kann nur die einzige Option sein. Sie funktioniert nur dann, wenn sie die einzige Option ist. Das sei nun der Ausgangspunkt der Diskussion in der Badischen Landeskirche. Es bei dieser Feststellung zu belassen, sei aber zu kurz gegriffen. Vielmehr habe die Kirchenleitung nicht nur eine breite Diskussion in allen Kirchenkreisen auf den Weg gebracht, sondern auch konkrete Maßnahmen beschlossen, um dem Vorrang für das Zivile näherzukommen.
So soll die Option untersucht werden, ob internationale Polizeikräfte, der UNO unterstellt, nicht sehr viel besser internationales Strafrecht gegen marodierende Soldaten anwenden können als entsandte Truppen, die diese nur in Kämpfe verwickeln. Kirchliche Mitarbeitende sollen in gewaltfreier Konfliktaustragung qualifiziert werden, damit Alternativen gelebt und sichtbar werden.
Natürlich sind wir nicht einer Meinung in all diesen Fragen, aber es gibt niemanden, der es bedauert, dass wir uns auf den Weg zu einer neuen Friedensethik gemacht haben. Selbst die Militärseelsorge, die militärische Gewalt als ultima ratio nicht in Frage stelle, begrüße die friedensethische Debatte und habe den innerkirchlichen Beschlüssen, die die Vorrangigkeit der Option der Gewaltfreiheit voranbringen sollen, ausdrücklich zugestimmt.
Lohnt sich die Diskussion überhaupt? Hat der Stein, den Sie im Badischen ins Wasser geworfen haben, schon Kreise gezogen? wollte ein Zuhörer in den lebhaften Diskussionen wissen. Theodor Ziegler schmunzelte: Offensichtlich. Gleich an zwei Orten in der oldenburgischen Kirche wird jetzt über Perspektiven einer neuen evangelischen Friedensethik diskutiert.
Im Kirchenkreis Ammerland findet am 31. März 2014 die nächste Veranstaltung in der Reihe Reformation und Politik in Barßel statt. Dr. Geiko Müller-Fahrenholz, Pastor, ehemaliger Hochschullehrer in Mittelamerika und Exekutivsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, referiert über Bedingungen für gerechten Frieden. Beginn der Veranstaltung im Pfarrheim St. Ansgar in der Barßeler Marienstraße 12 ist um 20.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.