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Ich heiße Annalene Heubach, bin 20 Jahre alt und ehrenamtliche Mitarbeiterin der Evangelischen Jugend Oldenburg (ejo) in Ohmstede. Im August 2011, nach meinem Abitur, habe ich mich aufgemacht, um für ein Jahr als Volontärin in der Schule Talitha Kumi in Palästina zu arbeiten. Vom Berliner Missionswerk bin ich in diesen Dienst entsandt worden und es ist auch der Träger der Schule.

Talitha Kumi ist eine evangelisch-lutherische Schule für palästinensische Mädchen und Jungen. Sie liegt ungefähr 10 km südlich von Jerusalem im Ort Beit Jala in den Palästinensischen Autonomiegebieten – der Westbank. Dort liegt die Schule an einer interessanten Stelle, nämlich zwischen der C-Zone und der A-Zone. Die Westbank ist in drei Zonen unterteilt: A, B und die C Zone. In der A-Zone liegt die Militär- und Zivilkontrolle in palästinensischen Händen. Diese Zone macht ca. 3 Prozent des Westjordanlandes aus und umfasst vor allem Städte und somit auch Bethlehem. Die A-Zone ist für Israelis nicht zugänglich. Die B-Zone steht unter palästinensischer Zivil-, aber israelischer Militärverwaltung. In die B-Zone fallen viele palästinensische Landregionen und sie macht ca. 27 Prozent des Westjordanlandes aus. Die C-Zone ist gänzlich unter israelischer Kontrolle und umfasst die weniger besiedelten Gebiete, die Außenbereiche von Städten und unter anderem auch das Netz der Siedlerstraßen.

Dadurch, dass die Schule mit dem einen Tor zur C-Zone und mit dem anderen zur A-Zone liegt, bietet das Gelände einen Raum zur Begegnung. Die Schule möchte palästinensischen Mädchen und Jungen in einem konfliktgeladenen Umfeld einen sicheren Platz zum Lernen bieten.

Ungefähr 800 Christen und Muslimen können das Tawjihi (palästinensisches Abitur) oder auch die deutsche internationale Abiturprüfung machen. Ein wichtiger Aspekt ist es, den Respekt vor der anderen Religion aufzuzeigen.

„Talitha Kumi“ ist aramäisch und bedeutet: „Mädchen, steh auf!“ (Mk 5,21–24). Dieser Aufruf Jesu ist bis heute Aufgabe und Programm für die älteste evangelische Schule in Palästina, die 1851 gegründet wurde. Diesem Leitspruch entsprechend gibt es ein Mädcheninternat, in dem ca. 20 Mädchen wohnen. ).

Als Volontärin arbeite ich für ein Jahr in der Schule und so sieht ein gewöhnlicher Tag für mich aus:
Vormittags bin ich im Deutschunterricht einer 3. und 6. Klasse. Hier ist es meine Aufgabe mit für Ruhe zu sorgen und Ansprechpartner für Fragen zu sein. Die Kinder sind hier um einiges unruhiger und brauchen sehr viel Aufmerksamkeit. Als Ausländerin und der arabischen Sprache noch nicht mächtigen Person ist es manchmal sehr schwierig, mit den Schülerinnen und Schülern umzugehen und es können leicht Missverständnisse entstehen.

Dies merke ich auch in meinen kleinen Gruppen von 3-5 Schülern der 8. und 9. Klasse. Mit ihnen lerne ich Deutsch, angefangen beim Alphabet, da viele neu in Talitha sind.

Hier habe ich die Möglichkeit, eigenen Unterricht vorzubereiten und durchzuführen. Dies macht mir viel Spaß, obwohl die Gruppen nicht einfach sind und besonders in der 9. Klasse einiges an Konfliktpotential vorhanden ist. Man merkt am Verhalten der Kinder ganz deutlich, dass sie in einer Welt, die von Konflikten, Krieg und Besatzung geprägt ist, aufwachsen.

Teilweise ist es echt schwer, sich in der Gruppe durchzusetzen und es kostet sehr viel Kraft. Selbst in meinen Kleingruppen von 3-5 Personen ist es schwer, dass Ruhe herrscht.

Schnell lernt man Wörter wie uskut („sei leise“) ta’al („komm her“), hallas („lass das sein“) qwayes („gut“) oder mumtaaz („perfekt“); so fühlen sich die Schülerinnen und Schüler eher angesprochen. Umso mehr freut man sich, wenn eine Stunde gut verläuft und man kleine Verbesserungen und Fortschritte feststellt. Es macht mir aber trotzdem viel Freude, den Unterricht vorzubereiten und durchzuführen, auch wenn er meist anders verläuft als geplant. Viele Schülerinnen und Schüler schätzen es sehr, dass man sich Zeit für sie nimmt.

In der ersten großen Pause (nach der 3. Unterrichtsstunde) machen wir mit den Kindern der 4. und 5. Klassen Pausenspiele. Die Kinder haben einen enormen Bewegungsdrang und sie lieben es zu spielen.

Nachmittags bin ich im Internat und helfe dort bei den Hausaufgaben. Besonders in Deutsch oder Englisch. Bei den Mädchen, die hier an der Schule das deutsche Auslandsabitur machen, helfe ich auch in Fächern Mathematik, Physik, Geographie oder Biologie, denn diese haben sie auf Englisch oder Deutsch!

Im Internat bieten wir Volontäre auch Freizeitangebote, wie Bastel-, Sport-, oder Spielaktionen an oder unternehmen mit allen einen Ausflug. Dies macht sehr viel Spaß und man schließt die Mädchen und sie einen schnell in sein Herz.

Einmal in der Woche gehe ich abends zum Arabischunterricht. Es ist sehr wichtig, die Sprache zu lernen, denn so versteht man die Kultur am besten.

Meine Lehrerin ist eine Frau, die in einem der Flüchtlingscamps in Bethlehem wohnt. In Bethlehem gibt es drei Flüchtlingscamps. Eines davon liegt direkt an der Mauer, die die Palästinensischen Gebiete von Israel abgrenzt. Die ca. acht Meter hohe Mauer mit ihren finsteren Wachtürmen gibt einem das unbehagliche Gefühl permanenter Beobachtung. An der Mauer und an vielen anderen Stellen im Camp sieht man Graffitis, die die Geschichte, das Leben, das Leid und die Hoffnung der Palästinenser erzählen.

In meinem Volontariat bekomme ich zum einen eine Vorstellung über das Leben der palästinensischen Bevölkerung unter der Besatzung, andererseits auch über das Leben in Israel, da ich als Ausländerin das Privileg habe, mich auf beiden Seiten frei bewegen zu dürfen. So kann ich anders als viele Palästinenserinnen und Palästinenser täglich und wann ich möchte nach Jerusalem oder Israel, kann dort Urlaub machen oder einfach nur einen Tag nach Tel Aviv an den Strand fahren. Umso erschreckender ist es, dass viele meiner Schülerinnen und Schüler noch nie in Jerusalem waren. Und es liegt doch so nahe. Von Talitha aus kann man es sogar sehen.

Ich bekomme das alltägliche leben der Palästinenserinnen und Palästinenser mit, wie sie um das Wasser kämpfen, das von Israel kontrolliert wird oder die Schikanen, die sie an den Checkpoints ertragen müssen.

Aber auch auf israelischer Seite das überall präsente Sicherheitspersonal- vor jedem Einkaufsladen oder den Busstationen. Dies spiegelt die tief sitzende Angst der Israelis wieder, wobei es seit sieben Jahren relativ ruhig ist, es keine Selbstmordattentate mehr gab.

Das gegenseitig verfestigte Bild von einander machen Begegnungen sehr schwierig. Die Palästinenserinnen und Palästinenser in der Westbank kennen Israelis meist nur in der Gestalt von Soldaten, oder Siedlern, die ihr Land besetzen und die Israelis sehen in den Arabern die „Attentäter“.

Es gibt Hoffnung, wenn man im Gästehaus von Talitha Kumi junge Israelis und Palästinenser in einer Dialoggruppe zusammen antrifft und beide Visionen für die Zukunft haben.

Die landeskirchliche Kollekte, die im August in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg gesammelt wird ist u. a. für Talitha Kumi bestimmt und unterstützt damit die Erziehung und Bildung der palästinensischen Jungen und Mädchen. Bildung ist der erste Schritt, um Kindern und Jugendlichen eine Zukunft zu geben.

Ein Bericht von Annalene Heubach (Talitha Kumi/PA)

 


Hier finden Sie weitergehende Informationen:

www.talithakumi.org 

www.diakonie-oldenburger-land.de/index.asp?ID=2157


www.diakonie.de/bundesfreiwilligendienst-7859.htm 

www.bundesfreiwilligendienst.de

www.berliner-missionswerk.de 

Pausenspiele Foto: Christian Heubach
Mädcheninternat Foto: Annalene Heubach
Mauer im Flüchtlingscamp Foto: Annalene Heubach
Bildungszentrum Talitha Kumi Foto: Annalene Heubach
Quelle: www.btselem.org