Die 7. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die vom 20. bis 26. September in Florenz tagte, hat sich mit einer Stellungnahme zur Lage in Europa an ihre Mitgliedskirchen und an die Öffentlichkeit gewandt. Das Papier erkennt bisherige Bemühungen zur Krisenbewältigung an und hält fest, dass es keinen Königsweg einer Lösung gebe. Entscheidungen müssten sich aber daran messen lassen, wie sie den betroffenen Menschen und Gesellschaften dienen sowie den europäischen Einigungsprozess erhalten.
Die GEKE-Vollversammlung fand im Convitto della Calze, einem ehemaligen Stift mit eigener Kirche, statt. An ihr nahmen rund 220 Personen, darunter allein 95 Delegierte aus dem Protestantismus Europas von Schottland bis Finnland, von der Ukraine bis Frankreich, von der Schweiz bis nach Oldenburg, teil.
Die GEKE trifft sich als Vollversammlung etwa alle sechs Jahre und war dieses Mal von der Waldenserkirche sowie den lutherischen und methodistischen Kirchen Italiens eingeladen worden. Sie ist das Organ für das Miteinander des europäischen Protestantismus vorwiegend reformierter, methodistischer und lutherischer Kirchen und versteht sich als Gottesdienstgemeinschaft in Wort und Sakrament.
In ihrer Stellungnahme zur Lage in Europa zeigten sich die Kirchen der GEKE überzeugt, dass nur mit Mut zur Wahrheit über das Ausmaß und die Konsequenzen der gegenwärtigen Krise Handlungsspielräume für die Zukunft gewonnen werden können. Es sei notwendig, aber auch befreiend, sich unbequemen Wahrheiten zu stellen. Eine Konzentration der Krisenbewältigungsstrategien auf Sparprogramme und Haushaltskonsolidierung nehme die sozialen Folgen der Krise nicht ausreichend wahr, kritisiert die Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Sozialpolitische Zielsetzungen blieben bisher weit hinter Einsparungsprogrammen zurück.
Auch die Steuerpolitik sei bisher gegenüber Sparmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Investitionen der öffentlichen Hand in den Bildungsbereich zur Bekämpfung von allem der Jugendarbeitslosigkeit und eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen, auch befristet, erscheinen als sinnvolle Maßnahmen, die Lasten gerechter zu verteilen. Es sei christliche Überzeugung, dass der Stärkere mehr leisten kann als der Schwächere.
Aus dem evangelischen Verständnis von Freiheit und der untrennbar damit verbundenen Verantwortung leiten die GEKE-Kirchen ihre Forderung ab, das Prinzip von Risiko und Haftung auch in der Finanzwirtschaft wiederherzustellen. Sichtbare Schritte in diese Richtung könnten eine Finanztransaktionssteuer und eine europäische Bankenunion sein. Abgesehen von aktuellen Aufgabenstellungen wirft das Papier auch die Grundsatzfrage nach einem geeigneten Wirtschaftsmodell auf. Die soziale Marktwirtschaft sei nach evangelischem Verständnis nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Werteordnung. Mehr Verteilungsgerechtigkeit, stabile Sozialsysteme und nachhaltiges, die Schöpfung erhaltendes Wirtschaften müssten daher gegenüber Wirtschaftswachstum und Marktlogik ebenfalls berücksichtigt werden.
Wie Pfr. Dr. Oliver Dürr aus Molbergen, Delegierter der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, berichtete, waren weitere Themenschwerpunkte Fragen der spezifischen Ökumene unter evangelischen Kirchen. Es gab Vereinbarungen mit den anglikanischen Kirchen zur weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit. Die Frage, wie etwas das Bischofsamt verstanden werden müsse, war ebenso Thema wie die dramatische Situation der Christinnen und Christen in Syrien, die zwischen Assadregime und einer immer mehr aus dem Ruder laufenden und sich zusehends radikalisierenden Oppositionsbewegung in großer Sorge leben, so Dürr.
Von großer Bedeutung war laut Dürr die Verabschiedung von Lehrgesprächsergebnissen über die Ausbildung von Pfarrern und Pfarrerinnen in den Mitgliedskirchen und über Fragen des gemeinsamen evangelischen Bekenntnisses. Zuletzt sei es auch noch um die Feiern zum 500. Jahrestag der Reformation 2017 auf Europaebene gegangen und um Zukunftsfragen nach der Verbindlichkeit und Sichtbarkeit von Kirchengemeinschaft unter all den seit Jahrhunderten sich eigenständig entwickelnden Kirchen in Europa.
Zur Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) Leuenberger Kirchengemeinschaft gehören 106 protestantische Kirchen in Europa (und in Südamerika). Lutherische, reformierte, unierte, methodistische und vorreformatorische Kirchen gewähren einander durch ihre Zustimmung zur Leuenberger Konkordie von 1973 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Weitere Informationen finden Sie unter: www.leuenberg.net
Die Stellungnahme zur Lage in Europa steht in deutscher Sprache zum Download zur Verfügung unter: www.cpce-assembly.eu