„Wir leben in einer Welt. Das merken wir am Klimawandel und an der Migration, da gibt es keine Grenzen“, begrüßte Pastor Reiner Backenköhler die Gäste am Donnerstag, 14. Juni, in der St. Elisabeth-Kirche in Hude zum Vortrag „Fluchtursache Klimawandel“. Es war die vierte Veranstaltung der Vortragsreihe „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.
Das Wetter im Süden bringe Menschen in Bedrängnis, die Migration bringe Menschen im Norden in Schwierigkeiten. Backenköhler mahnte. „Hier bleibt die Frage nach Gerechtigkeit. Einerseits der Wohlstand – andererseits die Menschen, die flüchten müssen, auch wenn sie lieber in ihrer Heimat leben wollen. Die Diskussion um Grenzen betrifft uns. Daher ist es wichtig, gemeinsam etwas zu ändern.“
Er stellte Sophia Wirsching vor, Referentin für Migration und Entwicklung beim evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“, die sich für bessere Lebensbedingungen weltweit einsetze. Die Politikwissenschaftlerin und Soziologin könne über viele eigene Erfahrungen berichten, da sie einige der die betroffenen Länder besucht habe.
Informativ und kurzweilig führte die Referentin durch das Thema „Flucht durch Klimawandel“. „Die Folgen der Klimaveränderung schränkt die Menschenrechte stark ein. Das Thema Klimawandel hat viel mit dem Thema Flucht zu tun“, so Sophia Wirsching. Sie untermauerte ihren Vortrag mit Bildern, Zahlen und Fakten, zusammengestellt von „Brot für die Welt“, (Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.).
Millionen Menschen können nicht mehr in ihrer Heimat leben
„Der überwiegende Teil der fast 70 Millionen Flüchtlinge bleibt im eigenen Land“, klärte Wirsching auf. Es sei ein Irrtum anzunehmen, dass Deutschland oder Europa das Ziel der Geflüchteten sei. Die Hälfte aller Flüchtlinge seien Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Referentin zeigte zu ihren Ausführungen Landkarten, Statistiken und Bilder von Dürre oder Überflutungen, die als Folgen des Klimawandels anzusehen seien.
„Der Klimawandel ist kein zukünftiges Problem, sondern heute schon Realität“, betonte Wirsching. „Denn die Klimafolgen sind Gründe, warum Menschen ihre Heimat dauerhaft aufgeben mussten und müssen. Die am stärksten betroffenen Gebiete befinden sich in Entwicklungsländern.“
Durch Katastrophen, wie z. B. Überschwemmungen, Wirbelstürme aber auch Trockenheit und Dürre hätten im Jahr 2017 Menschen in 135 Ländern ihre Heimat verlassen müssen. „Diese Menschen wollten nicht weg, können aber nicht zurück und ziehen überwiegend in ihrem eigenen Land an andere Orte. Seit 2008 haben Wetterereignisse 175 Millionen Menschen entwurzelt. Wir bemerken eine deutliche Zunahme und Intensität“, stellte Sophia Wirsching die Fakten vor. Mit einer Grafik aus dem Jahr 2014 zeigte sie, dass es kein Land gibt, das nicht betroffen sei.
Überschwemmungen und Dürre
Lange bevor Inseln verschwinden, „ist durch Überschwemmungen dort kein Leben mehr möglich und gibt es dort kein Süßwasser mehr.“ Auch etliche der heutigen sogenannten Urlaubsparadiese seien betroffen.
Die Referentin ging auf das sog. 2-Grad-Ziel ein, bekannt durch die tägliche Berichterstattung in den Medien. Diese Zahl dürfe nicht überschritten werden, eine Steigerung bis maximal 1,5 Grad globaler Mitteltemperatur wäre anzustreben, um gefährliche Folgen für die menschliche Gesellschaft und natürliche Ökosysteme abwenden zu können. „Bei einer 2-Grad Temperatur-Erwärmung müssen 280 Millionen Menschen ihre Heimat aufgeben“. Große Städte, wie zum Beispiel New York, Miami oder Mumbai seien bedroht, unzählige weitere Inseln würden überschwemmt, wenn der Meeresspiegel ansteige.
Sophia Wirsching empfindet „die Situation ist desolat. Bei Überschwemmungen bleiben Salzwiesen zurück und Landwirtschaft ist nicht mehr möglich.“ Am Beispiel Bangladesch zeigte sie, dass Millionen Menschen ins Landesinnere flüchten mussten. Sehr viele seien durch zu viel Salzkonsum im Wasser und den angebauten Lebensmitteln krank geworden. Auch in den Niederlanden würde Land überschwemmt, doch würde dort der Staat für eine Lösung sorgen. Das sei in Bangladesch nicht so.
„In vielen Regionen der Welt sehen wir die Not gar nicht. Diese Menschen werden nicht gerettet.“ Denen fehlten das Wissen, das Geld und auch die nötigen Hilfsmittel. „Diese Menschen flüchten nicht in die EU oder nach Deutschland. Die Geflüchteten, die hier ankommen, sind privilegiert, denn sie sind versorgt.“
Keine Überschwemmungen, sondern Wassermangel aus verschiedenen Gründen verursache in vielen Regionen der Welt eine große Trockenheit und damit Hungersnot. Die Frage nach Migration stelle sich nicht überall. Zum Beispiel würden in China oder Mexiko die Menschen durch Grenzen und Mauern an Flucht gehindert.
Hilfe bei Migration
Sophia Wirsching erläuterte, dass durch Projekte von „Brot für die Welt“ und andere Organisationen versucht werde, Migrantinnen und Migranten zu stärken. Nach Ausbildungen und Umschulungen würden Menschen in gesicherten Verhältnissen leben können. Es gebe Umsiedlung von ganzen Gemeinden in Risikogebieten, teils durch Naturkatastrophen, aber auch durch Habgier, wegen Bodenabbau oder geplanten Luxushotels.
„Extreme Wetter und schleichende Veränderungen können Menschen auslöschen“, fasste die Referentin zusammen. Humanitäre Hilfe und rechtzeitiges Erkennen von Risiken sei wichtig. „Die bedrohten Menschen wollen die Bedrohung häufig nicht wahrhaben. Sie leben nach dem Motto; „Gott wird es schon richten.“
Spontane Hilfe sei nicht weitreichend genug. Und in der Politik sei das Thema Migration und Klimawandel „am letzten Zipfel“ angesiedelt. „Dringend müssen Klimawandel und Migration thematisiert werden“, beendete Sophia Wirsching ihren Vortrag. „Was passiert mit uns Menschen. Darüber müssen wir alle nachdenken.“
Lebendige Diskussion
Die Möglichkeit nachzufragen und eigene Gedanken zu äußern, nutzten viele der Interessierten in der St. Elisabeth-Kirche. Ein Besucher wies auf die persönliche Verantwortung hin. „Wir sind nicht bereit zu verzichten, das müssen wir erkennen.“ Ein sofortiger Ausstieg sei schwierig, bemerkte Andrea Feyen, Beauftragte für Umwelt, Klimaschutz und Energie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. „Veränderung ist immer schmerzhaft.“ Verantwortung müsse von politischer Seite geregelt sein. Angeklagt wurde von einer Besucherin das ständig geforderte und gelobte Wachstum: „Irgendwann geht es doch nicht mehr. Wir müssen uns bescheiden.“
Diskutiert wurde weiterhin, dass das Umweltthema in der Entwicklungsplanung eine zu geringe Rolle spiele. Humane Hilfsprojekte müssten mit langfristigen Projekten verknüpft werden. Jeder einzelne Mensch könnte sein Verhalten überprüfen und Verantwortung übernehmen.
Gut gelinge dies den Jugendlichen während ihrer Konfirmandenzeit, berichtete Pastor Reiner Backenköhler. Dabei spiele „Brot für die Welt“ mit seinem Bildungsauftrag eine wichtige Rolle. „In ihrer Projektarbeit wählen die Jugendlichen gerne Klima- und Wasserprojekte.“ Er sieht bei den Jüngeren ein starkes Bewusstsein für die Umwelt.
Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/hintergruende-zur-flucht
Pastor Olaf Grobleben, Beauftragter für Ethik und Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, wies auf die nächste Veranstaltung der Vortragsreihe hin. Er ist Mitinitiator des Friedensethischen Konsultationsprozesses „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ in der oldenburgischen Kirche.
Im September folgt der Vortrag: Faire Handelsbeziehungen für mehr Gerechtigkeit“. Referent ist Sven Giegold, Mitglied des EU-Parlaments, Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Montag, 17. September 2018, 20:00 Uhr, im Gemeindehaus an der St. Matthäus-Kirche, Schulstraße 5, 28935 Rodenkirchen.
Ein Beitrag von Bärbel Romey.