Wie lange dauert die Produktion eines vierminütigen Filmbeitrages? Länger, viel länger als der Laie sich das vorstellt. Im Falle der Ferienpastorin Bettina von Haugwitz im Center-Parcs von Tossens einen ganzen Tag. „Das wird anstrengend“, glaubt die Pfarrerin, hat aber die feste Absicht, den Tag zu genießen.
In dem Filmbeitrag soll der Tagesablauf einer Ferienpastorin geschildert werden. Zu sehen sein wird er beim, Regionalmagazin „buten un binnen“, einer bestens bekannten und viel gesehenen Vorabendsendung mit aktuellen Tagesinformationen. (Info unter: www.butenunbinnen.de)
Ein dreiköpfiges Filmteam von Radio Bremen kommt am späten Vormittag im Center-Parcs in Tossens an und legt gleich los. Denn Bettina von Haugwitz begrüßt gerade die vielen Kinder der Bastelaktion, bei der kleine Eistüten mit Glitzersteinen und bunten Federn versehen werden. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung trotz des regnerischen Vormittags. Die Kids lassen sich die Laune nicht vermiesen.
Moderatorin, Buchautorin und Filmproduzentin Ulla Hamann verfolgt das bunte Treiben, schickt ihren Kamera- und ihren Tonmann mal hierhin und mal dorthin. Vorher wurde noch schnell das Mikro am Ausschnitt der Pfarrerin befestigt, der Tonmann hangelt trotzdem mit seinem orangefarbenen Mikrophon an einem langen Stativ nach den Worten, die den Mund von Bettina von Haugwitz verlassen. Das Stimmengewirr stellt ihn vor besondere Herausforderungen. Keiner weiß, ob es gelingen wird, die Stimme der Pfarrerin aus dem lauten Gemurmel der Kinderstimmen herauszufiltern.
Die Idee zu dem Bericht sei vor einiger Zeit aufgrund einer Pressemitteilung entstanden, erklärt Ulla Hamann. Nun werde die Grundidee für den Filmbeitrag zwar verfolgt, aber es gebe auch Raum, um auf aktuelle Situationen spontan zu reagieren. „Das erste Bild ist entscheidend für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Man muss den Fisch sofort ködern, die Leute sind sonst weg“, erklärt sie scherzhaft, worauf es beim Film ankommt. Die veränderten Sehgewohnheiten der Zuschauenden erforderten schnelle Schnitte und das bedeute, dass viele kleine Szenen gedreht werden müssten, die später am Schneidetisch zusammengesetzt werden.
Die Journalistin Ulla Hamann ist Wahlbremerin und vielen als inoffizielle „Miss Radio Bremen“ bekannt. In den 1980er-Jahren gehörte sie als einzige Frau zum Gründungsteam des neuen Regionalmagazins „buten un binnen“ von Radio Bremen, für das sie immer noch als Reporterin arbeitet. 30 Jahre lang moderierte Hamann das Vorabendmagazin sowie den Wochenrückblick und das Talkformat „Up’n Swutsch“.
Ferienpastorin für drei Wochen
Mit einem einfachen Bild erklärt Pfarrerin Bettina von Haugwitz den Kindern stets die Aufgabe der Kirche. Sie spricht von der Muscheldose, die sie in den Händen hält und aus der sie dann kleine weiße oder braun gemusterte Kalkhüllen der Schalentiere hervorzieht. Die kennen die Kinder im besten Fall schon von einem Strandspaziergang und haben sie vielleicht selbst schon gesammelt. „In einigen Muscheln leben Einsiedlerkrebse, die sich hier mit der Hülle umgeben und so vor Feinden schützen“, erklärt die Ferienpastorin dann gerne. Die Kirche sei früher genauso ein Rückzugs- und Schutzort für die Menschen gewesen, in der sie vor Wetterunbilden oder Feinden Zuflucht suchten.
„Und auch heute noch sind Kirchen Räume, in denen ihr Schutz finden könnt und in die ihr euch zurückziehen könnt“, gibt Bettina von Haugwitz den Kindern diesen Tipp mit auf den Weg. Bei der heutigen Kennenlern-Aktion im Kinder Klub des Center-Parcs von Tossens hat sie auch einen Rücksack mitgebracht, aus dem sie nacheinander ein Paket Taschentücher, ein Kartenspiel und einen bunten Schal herauszieht, der sich als Stola für den Pastor herausstellt. Den Kindern erklärt sie das liturgische Gewandstück, was es damit auf sich hat und hängt ihn einem Mädchen probeweise um.
Familienurlaub der etwas anderen Art
Die hessische Pfarrerin ist Ferienpastorin in Butjadingen an der Nordseeküste Niedersachsens. Sie ist bereits zum zweiten Mal hier vor Ort und sie verbringt drei Wochen in den Sommerferien in dem Feriengebiet, ohne jedoch selber richtig Ferien zu machen. Zumindest nicht die ganze Zeit. 2016 hat sich Bettina von Haugwitz erstmalig an der Nordseeküste für die Stelle der Ferienpastorin bei der oldenburgischen Kirche beworben. Es habe ihr sehr gut gefallen und sie habe das erste Mal in ihrem Leben die Nordsee und das Wattenmeer gesehen, erinnert sich von Haugwitz gerne. Es sei eine neue Erfahrung gewesen, die Ferienpastorei war für sie neu und ebenso der anders strukturierte Kirchenkreis in der Wesermarsch.
Für eine Wiederholung dieser Aktion im Jahr 2017 sprach aus ihrer Sicht die Tatsache, dass sie schon einige Kontaktpersonen im Ferienressort und in den umliegenden Kirchengemeinden kannte und daran anknüpfen konnte. „Ich sehe hier jeden Tag neue Leute, das ist der große Unterschied zu meiner normalen Pfarrstelle.“ In der Kirchengemeinde Niedermittlau und im benachbarten Neuenhaßlau im Großraum des hessischen Frankfurt ist sie seit 20 Jahren als Pfarrerin tätig. Auch ihr Mann ist Pfarrer und hat sie in dem Vorhaben bestärkt und unterstützt. Während er im vergangenen Jahr noch die gesamte Zeit mit vor Ort war, gibt es in diesem Jahr einen regelrechten Familientausch. Mal ist der Sohn mit seiner Freundin und dem Enkel da, dann der andere Sohn mit den Eltern, dann wieder die Schwester mit ihren Kindern.
Offenbar wollen nun deutlich mehr Familienmitglieder in den Genuss eines Urlaubsaufenthaltes an der Nordseeküste kommen. Denn die Unterkunft wird der Pfarrerin zu sehr günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt, da dem Unternehmen Center-Parcs die Anwesenheit eines Pfarrers oder Pastoren direkt vor Ort wichtig ist. Sie habe zwar viele Aktionen, an denen sie teilnehme, erklärt von Haugwitz, aber es gebe durchaus auch Tage, an denen sie nicht vor Ort sei und dann mit ihrer Familie die Gegend erkunden könne.
„Ich bin einfach da und laufe mit“
An vielen Kinder- und Familienveranstaltungen wie Wattwanderungen, Bastelaktionen oder dem Besuch eines Bauernhofes nehme sie aber teil. Sie sei dann einfach mit dabei und für die Teilnehmenden ein Ansprechpartner, wenn es gewünscht werde. „Viele Gespräche finden allerdings zwischen Tür und Angel statt“, weiß von Haugwitz. Sie bedauert, dass sie keinen Raum für intensivere Gespräche im seelsorgerischen Bereich zur Verfügung habe. Dennoch sei es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Ich bin einfach da und laufe mit.“ Die Menschen sollten sie ungezwungen wahrnehmen und sehen, dass Kirche einfach da ist. Es herrsche immer eine freundliche Ebene zu den Besuchern und ab und an gebe es auch intensivere Kontakte. „Viele Kinder sind offen und freundlich, manchmal auch zurückhaltend und kritischer mir gegenüber“, schildert von Haugwitz ihre Eindrücke. Sie selber ist Mutter von vier Kindern und liebt ebenso den Umgang mit den fremden Kindern sehr.
Richtige Power-Mädchen
Die beiden Schwestern Naemi (3 Jahre) und Lisa (6 Jahre) hat sie in ihrer Woche des Aufenthaltes in Tossens schon gut kennengelernt. „Das sind zwei richtige Power-Mädchen“, sagt Bettina von Haugwitz und zwinkert dem Vater Michael Heinrich zu. Kennengelernt hat von Haugwitz die aus dem Westerwald stammende Familie bei der Welcome-Night, als sie zwanglos ins Gespräch kamen. In den folgenden Tagen liefen sie sich immer mal wieder über den Weg und hielten kurz für einen Plausch inne. Viele Urlauberinnen und Urlauber erlebe sie halt nur für kurze Zeit, dann trennten sich ihre Wege wieder.
Ohnehin vermische sich die Vorstellung von einer Ferienpastorin und einem Ferienseelsorger. Ein Ferienseelsorger benötige eben ein bestimmtes Setting, ein geeignetes Umfeld und einen ungestörten Raum für Gespräche. Die Arbeitsumstände einer Ferienpastorin seien doch sehr anders als die übliche Amtsausrüstung. Es gebe kein Büro und keine übliche Kirchenarbeit. Und doch gibt es für die Pfarrerin so etwas wie eine normale Aufgabe: Sie macht für zwei Sonntage die Urlaubsvertretung eines hiesigen Pastors und leitet den sonntäglichen Gottesdienst.
Ferienpastorei könnte zur Tradition werden
Bereits zum dritten Mal initiiert die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg eine vom 3. Juli bis 27. August währende Ferienaktion, bei der insgesamt drei Pfarrer/Pfarrerinnen auf der Ferienhalbinsel Butjadingen ihr Ferienpastorat antreten und an verschiedenen Programmpunkten des Ferienanbieters Center-Parcs und des Tourismus-Service Butjadingen teilnehmen. Die Kirche kommt sozusagen zu den Menschen.
In der Ferienzeit genießen die Urlauberinnen und Urlauber nicht nur die schöne norddeutsche Landschaft mit ihren kulturellen Besonderheiten, sie stellen sich offenbar auch Sinnfragen und suchen manchmal den Kontakt zu Geistlichen. Es ist eine fruchtbare und gelungene Kooperation, die von allen Seiten aktiv vorangetrieben und positiv begleitet wird. Sie alle ziehen an einem Strang und wollen den Urlaubern ein zusätzliches Angebot zu den bereits vorhandenen touristischen aber auch kirchlichen Angeboten offerieren.
Ein Beitrag von Beatrix Schulte