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„Ohne Nahrung kein Leben, aber ein Leben ohne gemeinsames Essen, das wäre eine eher traurige Angelegenheit“, sagte Pfarrerin Brigitte Gläser zur Begrüßung anlässlich des Symposiums „Essen und Gesellschaft“. Die Leiterin der Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und Organisatorin des Symposiums betonte: „Um Essen im Alltag, beim Abendmahl, in den religiösen Traditionen, aber auch um Lust und Frust beim Essen soll es heute gehen.”

Rund 100 Oldenburger Theologie-Studierende, ihre Lehrenden und interessierte Gäste waren am Sonnabend, 1. Juni, in den Bibliothekssaal der Universität Oldenburg gekommen, um die Professorinnen Dr. Eva Barlösius und Dr. Andrea Bieler zu hören und sich auszutauschen. Zu diesem öffentlichen gemeinsamen Seminartag für angehende Religionslehrerinnen hatte Dr. Ulrike Link-Wieczorek, Professorin für Systematische Theologie vom Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik Oldenburg, eingeladen.

„Was dürfen wir essen? Mit wem dürfen wir essen? Wie sollen wir essen? Rituelle Essenspraktiken spielen in allen Religionen eine große Rolle“, erklärte Andrea Bieler, Professorin für Praktische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Die Religionen geben zu diesen Fragen jeweils unterschiedliche Regeln vor, so etwa für das koschere Essen im jüdischen Glauben oder die christliche Fastenzeit. „Das christliche Abendmahl ist eine Einladung“, sagte Bieler. „Im ‚minimierten Essen‘ der Hostie symbolisieren Essen, Trinken, Beten und Erinnern die Erfahrung der Freundlichkeit Gottes.“ Gleichsam werde beim Thema Essen Ambivalenz erlebt, betonte die Theologin. „Magersüchtige Mädchen erzählen manchmal von geradezu spirituellen Erfahrungen beim Hungern, eine Erinnerung daran, dass das Fasten zur Passionszeit gehört.“

„Dicke Kinder bekommen schlechtere Noten als dünne und haben schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz“, erläuterte Professorin Eva Barlösius gleich zu Beginn ihres Vortrags. Das sei durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt. In einem Forschungsprojekt hat sich die Soziologin an der Uni Hannover nun damit beschäftigt, wie die Jugendlichen selbst ihr Dicksein erfahren. „Wir haben dazu mit deutschen und türkischen Mädchen und Jungen zwischen elf und sechzehn Jahren gesprochen“, so Barlösius. Unter anderem sollten die Jugendlichen erzählen, wie sie sich das Leben in einem Schlaraffenland vorstellen, wo Dicke angesehen sind und Dünne nicht. Ein Traum? „Nein, alle befragten Jugendlichen lehnten eine solche Vorstellung ab. Sie konnten es sich nicht anders denken, als dass Dicke auch dort verspottet würden.“

Ein dramatisches Ergebnis, findet Barlösius, die von einer „Normierung der Körper“ spricht. Dies bestätige eine Befragung von Managern: Die Frauen und Männer waren in der Mehrheit davon überzeugt, dass ihre Chancen, ins gehobene Management aufzusteigen, heute in hohem Maße von ihrem Aussehen abhängig seien.

Im Anschluss an die Vorträge folgten ein Podiumsgespräch und Gruppendiskussionen, in denen Studierende und Lehrende die Zusammenhänge zwischen den Themen Essen, Gesellschaft und Religion weiter vertiefen konnten.

Kooperationspartner der Veranstaltungsreihe „Essen und Gesellschaft“ sind die Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, die Klima-Allianz Oldenburg, MISEREOR, die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, das Bibliotheks- und Informationssystem der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, das Ökumenische Zentrum Oldenburg, das Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik sowie das Cine k.
 
Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe „Essen und Gesellschaft“ finden sich unter: www.akademie-oldenburg.de und bei der Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Haareneschstraße 60, 26121 Oldenburg, Telefon 0441 / 7701 431

Die Wanderausstellung „Hunger im Überfluss“ (Konzeption: Bündnis FAIRhandel(n), Aachen) zeigt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Essen und Gesellschaft“ im Foyer der Uni-Bibliothek noch bis Donnerstag, 27. Juni, das Ausmaß und die Ursachen der Hungerproblematik in der Welt und stellt kreative Lösungen vor (Eintritt frei, Montag bis Freitag 8 bis 24 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr)


Sie setzten sich am 1. Juni im Bibliothekssaal der Uni Oldenburg mit den Zusammenhängen von “Essen und Gesellschaft” auseinander (von li. nach re.): Ulrike Link-Wieczorek, Professorin für Systematische Theologie an der Uni Oldenburg und Gastgeberin des Symposiums, Eva Barlösius, Professorin für Soziologie, der Moderator des Symposiums Stefan Buss (Pfarrer i. R.), Andrea Bieler, Professorin für Praktische Theologie, und Pfarrerin Brigitte Gläser, Leiterin der Evangelischen Akademie und Mitorganisatorin der Veranstaltungsreihe “Essen und Gesellschaft“ (v.l.). Alle Fotos: Akademie/Antje Wilken
Professorin Andrea Bieler sprach über Essensrituale und -Regeln in verschiedenen Religionen.
Professorin Eva Barlösius befragte dicke Jugendliche im Forschungsprojekt “Dick sein”, wie sie ihren Alltag erleben.
In der Podiumsdiskussion ging es unter anderem um Körperbilder in der Gesellschaft (von li. nach re.): Professorin Ulrike Link-Wieczorek, Professorin Andrea Bieler, Pfarrer i. R. Stefan Buss, Professorin Eva Barlösius sowie Pfarrerin Brigitte Gläser.