Helmstedt/Ludwigsburg (epd). Rund 10.000 Jugendliche entscheiden sich in Deutschland jedes Jahr anlässlich ihrer Konfirmation auch zur Taufe in der evangelischen Kirche. Dies sei die größte Zahl an Kircheneintritten im Vergleich zum gesamten Erwachsenenalter, sagte der Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg bei Stuttgart, Wolfgang Ilg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese jungen Menschen setzten sich häufig sehr viel stärker als andere mit den Inhalten auseinander, um über den eigenen Glauben entscheiden zu können. «Da passiert viel mehr.»
Ilg forscht seit rund 15 Jahren zu Jugendarbeit und Gemeindepädagogik. Zwischen Heranwachsenden, die als Säuglinge oder Kinder getauft wurden und denen, die sich im Jugendalter dazu entschieden, seien «deutliche Unterschiede» zu erkennen, sagte der Theologe. So spielten Geschenke und die Erwartung der Familie bei den bereits Getauften eine stärkere Rolle bei der Entscheidung zur Konfirmation. Die noch nicht Getauften hätten dagegen einen stärkeren Wunsch, Fragen zum Glauben zu klären und nach der Konfirmation eine höhere Motivation, sich langfristig in der Kirche zu engagieren.
Für die Jugendlichen sei in der Konfirmandenzeit vor allem wichtig, Gemeinschaft zu erleben, sagte Ilg. Durch die Corona-Pandemie habe die digitale Konfirmandenarbeit zwar einen regelrechten Boom erlebt, viele Jugendliche seien allerdings vor allem dankbar für die kreativen Angebote der Gemeinden gewesen, um etwa im Freien Begegnungen zu ermöglichen. «Camps und Freizeiten waren mancherorts nicht möglich, und darunter hat die Konfi-Zeit sehr gelitten.»
Um das sich wandelnde Verhältnis zur Kirche nach der Konfirmation zu beobachten, befragte der Wissenschaftler in einer Langzeitstudie in regelmäßigen Abständen mehrere hundert Jugendliche, die 2013 konfirmiert wurden. Nach der Konfirmation gebe es insgesamt eine «schleichende Distanzierung», die stärker werde, wenn die jungen Erwachsenen den Heimatort zum Studium oder für die Ausbildung verließen, sagte er. Am neuen Wohnort sei es oft schwer, Anschluss zu einer Kirchengemeinde zu finden. Hinzu kämen mit dem ersten Einkommen auch die Abzüge für die Kirchensteuer.
Er empfehle den Kirchen daher dringend, Kontakt zu den Jugendlichen zu halten und die Potenziale der Jugendarbeit auszuschöpfen, sagte Ilg. Für die 20- bis 30-Jährigen gebe es bislang nur wenig attraktive Angebote. Allerdings gebe es durchaus kreative Ideen wie Alumni-Treffen für Konfirmanden zu Weihnachten oder per Zoom-Konferenz. Auch schrieben in einigen Gemeinden die Konfirmanden Briefe an ihr erwachsenes Ich und erhielten diese dann Jahre später, um zu neuer inhaltlicher Auseinandersetzung einzuladen. Dass die Konfirmation auch nicht getaufte Jugendliche anspreche, könne die Kirche als Ermutigung verstehen, dass sie für Jugendliche durchaus attraktive Angebote bereithalte.