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Mit dem Evangelischen Buchpreis 2013 wurde am Mittwoch, 15. Mai, die in Berlin lebende Autorin Jenny Erpenbeck ausgezeichnet. Sie erhielt den mit 5.000 Euro dotierten Preis für ihren fünften Roman „Aller Tage Abend“ (Knaus-Verlag 2012). Der Vorsitzende des Evangelischen Literaturportals, der Oldenburger Bischof Jan Janssen, überreichte Erpenbeck den Evangelischen Buchpreis 2013 in der Alten Handelsbörse in Leipzig. Die Laudatio hielt die Literaturwissenschaftlerin Verena Auffermann.

In der Begründung der Jury heißt es, dass der Titel des Romans „Aller Tage Abend“ weniger ein Faktum setze als vielmehr ein Fragezeichen. Was lasse trotz der Erfahrungen vom Vorabend einem neuen Tag entgegengehen, was entgegen der Hoffnungslosigkeit neu anfangen? Jenny Erpenbecks neuer Roman beginne schonungslos mit dem plötzlichen Kindstod eines Säuglings. Sprachgewaltig lasse die Autorin eine Welt am Anfang des 20. Jahrhunderts im jüdisch-christlichen Milieu Galiziens erstehen: Die stumme Trauer der erst achtzehnjährigen Mutter, das Auseinanderdriften der Eheleute, die Reaktionen der wegen der Heirat mit einem Nicht-Juden entzweiten Familie.

 

Jenny Erpenbeck verfüge über eine wunderbare Sprache, so Janssen. Kunstvoll webe die Autorin Redewendungen, Bibel- und Literaturzitate ein und verknüpfe diese mit der Alltagssprache der Personen. Bewundernswert gelinge es ihr, jedes Kapitel in eine eigene, die Leserschaft fesselnde Form zu gießen. Mit „Aller Tage Abend“ hat Jenny Erpenbeck einen in Inhalt und Form herausragenden Roman über diese Grundfragen der menschlichen Existenz geschrieben.

Für den Oldenburger Bischof Jan Janssen nimmt Jenny Erpenbeck mit ihren fünf „Büchern“ und vier „Intermezzi“ den Faden des Erzählens immer neu auf und „zieht uns damit in den Bann.“ Dabei bleibe die Fragilität der menschlichen Existenz immer im Bewusstsein, jedes Buch ende mit einem durchaus möglichen, denkbaren Tod, jedes Intermezzo behauptet die Möglichkeit des (Über-)Lebens. Der fünfte Roman von Jenny Erpenbeck begeistere auch deswegen, weil die großen Bögen seiner Lebensläufe von Galizien über Wien und Moskau bis nach Berlin in einer sehr emotionalen Dichte erzählt werden, die die Lesenden fesselt und an den Fragen der Autorin unmittelbar beteiligt.

In seiner Ansprache anlässlich der Preisverleihung betonte Bischof Jan Janssen, dass dieses „wunderbare Buch“ in seiner Haltung des Fragens bereits dem Interesse des Ev. Literaturportals entspreche, mit einem Buchpreis eine breite, offene Lesekultur zu fördern. Dabei habe der Roman bei allem Realismus doch nichts Resignierendes. „Der intensive Konjunktiv in jedem wohltuenden Intermezzo widerspricht der Realität der Leidensgeschichten und – das ist die Hoffnung der Christenmenschen – lässt Raum für Visionen, die in biblischen Verheißungen lebendig sind“. Erpenbeck gebe mit ihren Requisiten der Worte und dem Gerüst auch religiöser Rituale nicht nur Halt, sondern ermögliche einen Ausblick, so Janssen.

Jenny Erpenbeck, 1967 in Ost-Berlin geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Buchbinderin und studierte Theaterwissenschaften. Neben der Regiearbeit an verschiedenen Theatern debütierte sie 1999 als Schriftstellerin mit der „Geschichte vom Alten Kind“. Sie hat neben Erzählungen und Romanen auch zwei Theaterstücke geschrieben. Ihre Prosa wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Solothurner Literaturpreis und dem Heimo von Doderer-Literaturpreis, beide 2008 für den Roman „Heimsuchung“. Jenny Erpenbecks Werke wurden in 18 Sprachen übersetzt.

Der Evangelische Buchpreis

Das Evangelische Literaturportal – Verband für Büchereiarbeit und Leseförderung – ist der Dachverband von rund 900 evangelischen Büchereien in Deutschland. Seit 1979 vergibt das Evangelische Literaturportal den mit 5.000 Euro dotierten Evangelischen Buchpreis. Gesucht werden nach eigenen Angaben Bücher, „die anregen über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken.“ Für 2013 hatten Leserinnen und Leser 128 Titel vorschlagen. Die Jury wählte neben dem Preisbuch 14 weitere Titel für die Empfehlungsliste aus: Romane, Kinder- und Jugendbücher und Sachbücher. Der Jury gehören vier ehrenamtlich Mitarbeitende evangelischer öffentlicher Büchereien, zwei Jugendliche, eine Diplombibliothekarin, ein Theologe und die Geschäftsführung des Ev. Literaturportals an.

Lesende haben die Möglichkeit auf das Buch hinzuweisen, dem sie die Auszeichnung mit dem Ev. Buchpreis wünschen. Mit der Verleihung des Ev. Buchpreises soll diese Leseempfehlung in die Büchereien und an eine größere Leserschaft zurückgegeben werden. Mit diesem Verfahren unterscheide sich der Ev. Buchpreis von anderen „Experten-Preisen“, so das Evangelische Literaturportal. Es gehe um die Förderung einer breiten Lesekultur.

Linktipp: www.eliport.de

Verleihung des Evangelischen Buchpreises 2013 in der Alten Handelsbörse in Leipzig an Jenny Erpenbeck (Bildmitte) Foto: Matthias Oelke
Vor der Alten Handelsbörse in Leipzig (von li. nach re.): Bischof Jan Janssen (Oldenburg), Vorsitzender des Ev. Literaturportals, Jenny Erpenbeck (Autorin) und Landesbischof Jochen Bohl (Dresden). Foto: Matthias Oelke
Alte Handelsbörse in Leipzig Foto: Matthias Oelke