Im Vorfeld der Wahlen der Leitungsgremien in Kirchengemeinden, die im Frühjahr 2024 stattfinden, legen die evangelischen Kirchen in Niedersachsen „Hinweise für den Umgang mit extremistischen Positionen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ vor. Sie richten sich an die amtierenden Leitungsgremien, die in den kommenden Wochen über die Zulassung von Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl entscheiden. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Zulassung von Kandidatinnen und Kandidaten spielt auch die Frage eine Rolle, inwieweit Menschen, die extremistische Positionen und solche gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vertreten, ein kirchliches Amt, z. B. im Gemeindekirchenrat, Kirchenvorstand oder Presbyterium, innehaben oder sich für ein solches Amt bewerben können. Gleiches gilt für Personen, die Parteien, Vereinigungen und Initiativen angehören, die für solche Inhalte stehen.
Der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Thomas Adomeit (Oldenburg), sagt: „Für uns als evangelische Kirchen ist klar, dass kirchliche Leitungsämter nur Menschen übernehmen können, die unsere grundlegende Haltung als evangelische Kirche teilen: Alle Menschen sind von Gott zu seinem Bilde geschaffen (1. Mose 1,27). Darauf beruht nach biblischem Verständnis ihre Würde als Menschen. In der Gottesebenbildlichkeit gründen auch die mit der Würde gegebenen unveräußerlichen Menschenrechte, die für alle Menschen in gleicher Weise gelten und im Grundgesetz formuliert sind. Das bedeutet: Wenn sich jemand rassistisch, antisemitisch, islamfeindlich, queerfeindlich oder demokratiefeindlich äußert, kommt diese Person für ein kirchliches Leitungsamt nicht in Frage.“
Abgestimmt auf ihre jeweilige Gesetzgebung stellen die fünf Kirchen, die zur Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen gehören, ihren Kirchengemeinden Hinweise zur Verfügung. Diese enthalten neben den rechtlichen Bestimmungen auch theologische Grundlegungen im Hinblick auf den Umgang mit extremistischen Positionen. „Auch jenseits von Wahlen ist es wichtig, dass sich kirchliche Leitungsgremien mit den immer stärker werdenden extremistischen Haltungen in unserem Land beschäftigen“, sagt Thomas Adomeit. „In öffentlichen Debatten müssen wir als kirchliche Vertreterinnen und Vertreter klar Position beziehen gegen alle Formen von Extremismus und Menschenfeindlichkeit.“
Die Mitglieder der fünf konföderierten Kirchen (Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Reformierte Kirche, Schaumburg-Lippe) werden im Frühjahr 2024 ihre Leitungsgremien neu wählen. Aktuell läuft die Werbung von Kandidatinnen und Kandidaten. Die noch amtierenden Leitungsgremien in den Kirchengemeinden prüfen dann die Wahlvorschläge und stellen die Wahlaufsätze auf.
Die Handreichung ist abrufbar unter: https://www.kirchemitmir.de/damfiles/default/kirche_mit_mir/kirche_oldenburg/downloads24_oldenburg/Umgang-mit-extremistischen-Positionen-ELKiO.pdf-aaf11dea9e0678b23c4b1b2082df1074.pdf
Zu den Empfehlung „Hinweise für den Umgang mit extremistischen Positionen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ hat Bischof Thomas Adomeit ein Gespräch mit Jörg Nielsen vom Evangelischen Pressedienst (epd) geführt. Der Wortlaut des Interviews ist im folgenden Beitrag nachzulesen:
Adomeit: Wir wollen keine Extremisten in den Kirchenvorständen
Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen wollen bei den Kirchenvorstandswahlen im Frühjahr verhindern, dass Menschen mit extremistischen Einstellungen in das Ehrenamt kommen. Dazu haben sie eine Empfehlung für die Gemeinden veröffentlicht. Wenn etwa AfD-Anhänger kandidierten, sei das in jedem Fall zu überprüfen, sagte der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen fügte an, die innere Haltung zu Grundwerten sei entscheidend.
epd: Herr Adomeit, die AfD hat bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen Erfolge gefeiert, weitere Wahlergebnisse dieser Art sind erwartbar. Können Sie diesen wachsenden Anteil in der Bevölkerung von kirchlichen Ämtern fernhalten?
Thomas Adomeit: Das ist keine Frage von Zahlen. Eine Nähe zu einer extremistischen Partei oder Vereinigung, die sich rein rechtlich im Moment noch im verfassungsgemäßen Rahmen bewegen, ist für mich allein nicht aussagekräftig. Da gehört für mich auch die persönliche Haltung dazu. Diese innere Haltung spielt dann schon eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob jemand ein kirchliches Amt übernehmen kann oder nicht. Wer die Partei nicht nur aus Protest wählt, sondern sich deren Programmatik anschließt, ist dann für uns auch nicht wählbar. Einerseits für ein kirchliches Amt zu kandidieren und andererseits sich demokratiefeindlich, islamfeindlich oder fremdenfeindlich zu äußern - das passt nicht zusammen.
epd: Bedeutet dies, dass Menschen, die rechtsextremen Parteien nahestehen oder gar Mitglied sind, als Kandidaten ausgeschlossen sind?
Adomeit: Wir werden genau schauen, dass wir unseren kirchlichen Auftrag erfüllen können. Das christliche Menschenbild ist das für uns leitende Bild. Es gibt aber Menschen, die sich diesem Menschenbild nicht nähern wollen oder können und durch ihre Haltung deutlich machen, dass sie unsere Werte als Kirche nicht teilen. Und dann ist es in der Tat so, dass wir diese Menschen nicht in die Verantwortung bringen werden, eine Kirchengemeinde zu leiten.
Wir erleben gerade ein Umschwenken von Protestwählerinnen und -wählern zu programmatischen Wählerinnen und Wählern. Wenn jemand, der oder die einer extremistischen Partei nahesteht oder deren Mitglied ist, und deren Parteiprogrammatik offen kommuniziert, ist das auf jeden Fall ein Anlass, diese Kandidatur grundsätzlich zu überprüfen. Das eint uns als Kirchen und wird auch in den jeweiligen rechtlichen Bestimmungen unserer Kirchen deutlich.
epd: Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen haben zum Thema jetzt eine Handreichung veröffentlicht, was ist die Kernaussage?
Adomeit: Für uns als evangelische Kirchen ist klar, dass kirchliche Leitungsämter nur Menschen übernehmen können, die unsere grundlegende Haltung als evangelische Kirche teilen: Alle Menschen sind von Gott zu seinem Bilde geschaffen. Darauf beruht nach biblischem Verständnis ihre Würde als Menschen. In der Gottesebenbildlichkeit gründen auch die mit der Würde gegebenen unveräußerlichen Menschenrechte, die für alle Menschen in gleicher Weise gelten und im Grundgesetz formuliert sind. Uns ist von Jesus ans Herz gelegt, uns um die Schwächsten in der Gesellschaft zu kümmern.
epd: Müsste sich die Kirche vielleicht häufiger und klarer zu Demokratiefragen melden?
Adomeit: Ich glaube, dass wir an allen Stellen unserer Gesellschaft daran arbeiten müssen. Die Demokratiebildung muss wieder einen höheren Stellenwert erlangen, als wir bisher gedacht haben. Das ist für mich die Lehre aus den Wahlen in Hessen und Bayern. Und die Umfragen zeigen ja, dass eine Partei wie die AfD auch in Niedersachsen steigende Umfragewerte hat. Das heißt, auch hier werden wir uns diesem Thema stellen, Haltung zeigen und Menschen von unserer Haltung überzeugen.
epd