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Was bedeutet „Befreit durch Gottes Gnade“ für die lutherischen Kirchen und Gesellschaften in Europa? Auf welche Weise bieten die Erfahrungen und Herausforderungen der Regionen neue Perspektiven für das Engagement der Kirche im Gemeindeleben und in der Sorge um die Schöpfung?

Dies waren einige der Fragen, die die europäischen Mitgliedskirchen des lutherischen Weltbundes (LWB) anlässlich der diesjährigen Kirchenleitungskonsultation vom 11. bis 14. Mai im norwegischen Trondheim erörterten. Die Norwegische Kirche und die Evangelisch-Lutherische Freikirche Norwegens richteten die Konferenz gemeinsam aus, deren Schwerpunkt auf dem Motto der Vollversammlung des LWB 2017, „Befreit durch Gottes Gnade“, lag.

„Das Motto der Zwölften Vollversammlung des LWB bot einen soliden Rahmen, um über konkrete und wichtige Themen im Zusammenhang mit der Gesellschaft und den aktuellen Herausforderungen für das christliche Zeugnis in der Region nachzudenken“, sagte Dr. Eva Sibylle Vogel-Mfato, Gebietsreferentin für die Region Europa des LWB.

Zu den 80 Teilnehmenden des diesjährigen Treffens gehörten Leitende von Kirchen und Synoden, Ökumenereferentinnen und -referenten, theologische Ausbilderinnen und -ausbilder sowie Frauen- und Jugendkoordinatorinnen und -koordinatoren aus den 40 europäischen Mitgliedskirchen des LWB.

Während der Konferenz fanden Diskussionen im Plenum und in Gruppen zu Themen wie dem Beistand für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer, der Begleitung der von der Ukrainekrise Betroffenen und von Menschen in anderen Krisengebieten, der Solidarität mit von solchen Katastrophen wie dem Erdbeben in Nepal betroffenen Menschen und der Unterstützung von Flüchtlingen weltweit statt.

LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge gab in einer Präsentation Orientierungshilfen in Hinblick auf das 500. Reformationsjubiläum 2017 sowie für die im gleichen Jahr stattfindende Zwölfte Vollversammlung des LWB im namibischen Windhoek.

 

Perspektiven für ein kirchliches Zeugnis in der heutigen europäischen Gesellschaft

„Wovon wurden wir befreit, und wie nutzen wir diese Freiheit“. Das war die Frage, die am 12. Mai auf der europäischen Kirchenleitungskonferenz des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Trondheim, Norwegen erörtert wurde.

Deutsche, norwegische und polnische Teilnehmende der Podiumsdiskussion berichteten darüber, wie sie die Befreiung als unterschiedliche Erfahrungen persönlichen und gemeinschaftlichen Heils erlebt haben.

Pfarrerin Siv Limstrand von der Stadtmission der Offenen Kirche Trondheim berichtete über die Osterfeierlichkeiten, an denen auch die am stärksten marginalisierten Mitglieder ihrer Gemeinde teilgenommen haben – Flüchtlinge, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Drogenabhängige.

„Der Karfreitagsprozession in unseren Strassen folgten Menschen, die Betrug, Erniedrigung und Folter erlebt haben“, sagte Limstrand. „Wir folgten demselben Kreuz. Wir waren das Kreuz. Wir konnten die Solidarität fühlen, die von dem Kreuz ausging.“

Limstrand ging auch auf die Neigung der Menschen ein, in der Finsternis des Karfreitags zu verharren, und erklärte: „Das Osterlicht ist stärker. Widerstand, Hoffnung und Mut wachsen immer und immer wieder.“

 

Versöhnte Verschiedenheit
Bischof Jan Janssen von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg schloss mit einer nach außen gewandten ökumenischen Sicht auf die Befreiung. In seiner Beschreibung des Zusammenwirkens unterschiedlicher Traditionen in Deutschland und der Beziehungen zu Partnern in Ghana und Togo erklärte er: „Wir danken Gott für diese Befreiung aus unserem eigenen Haus und Heim, die den Horizont bis zu unseren weit entfernten Nachbarn für uns geöffnet hat“

„Die Saat des Evangeliums ist aufgegangen, wenn daraus auch manchmal Gewächse hervorgegangen sind, die sich nicht unbedingt in unsere eigenen Traditionen einfügen“, sagte Janssen. „Die Vielfalt der Schöpfung und die vielen unterschiedlichen Sprachen des Glaubens sind ein Geschenk Gottes, der uns befreit, damit wir uns in versöhnter Verschiedenheit begegnen.“

 

Beziehungen zwischen Kirche und Staat
Svein Arne Lindø schlug einen Bogen vom Persönlichen zum Politischen und beschrieb als Vorsitzende des Nationalrates der Norwegischen Kirche die Reformen, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in dem Land verändern.  

„Unsere Beziehungen gestalten sich jetzt anders, aber wir werden nach wie vor vom Staat finanziert.“

Trotz einer Verfassungsänderung im Jahre 2012 bleibt die herausragende Rolle der evangelisch-lutherischen Staatskirche Norwegens weiterhin bestehen. Gleichzeitig wird allen anderen Religionen und Glaubensgemeinschaften in gleicher Weise Unterstützung zugesagt. Für 2017 wird anlässlich des 500. Reformationsjubiläums eine größere verwaltungstechnische Unabhängigkeit der Kirche vom Staat angestrebt.

„Könnten wir das als eine neue Reformation in Norwegen bezeichnen?“, fragte Lindø.

Neue soziale und wirtschaftliche Zwänge
In seiner Präsentation und als Antwort auf eine Frage aus dem Publikum erzählte Bischof Jerzy Samiec von der Evangelischen Kirche der Augsburger Konfession in Polen über die dramatischen Veränderungen des Kirchenlebens vor und nach dem Niedergang des Kommunismus. Die Befreiung brachte einigen wenigen große Reichtümer, aber vielen Menschen Armut und Arbeitslosigkeit. Die jüngeren Generationen haben viel zur Erweiterung des Horizontes derjenigen beigetragen, die hinter dem Eisernen Vorhang aufgewachsen sind, aber der materielle Erfolg hat einen zu hohen Stellenwert.  

„Natürlich hatten wir unsere Probleme unter dem Kommunismus“, sagte Samiec. „Jetzt haben wir die Freiheit, und wir müssen versuchen, die Menschen zu erreichen um zu sehen, wie sie unsere Kirche brauchen.“

Ein Beitrag des freien Journalisten Ryan Rodrick Beiler aus Norwegen.

Teilnehmende der europäischen LWB-Kirchenleitungskonferenz vor der Nidaros-Kathedrale in Trondheim, Norwegen. Alle Fotos: LWB/Ryan Rodrick Beiler
Teilnehmende der europäischen LWB-Kirchenleitungskonferenz vor der Nidaros-Kathedrale in Trondheim, Norwegen. Alle Fotos: LWB/Ryan Rodrick Beiler
Der Oldenburger Bischof Jan Janssen sprach über Ökumene und versöhnte Verschiedenheit.
Die Oldenburger Synodenpräsidentin Sabine Blütchen gehörte zu den Teilnehmenden der Tagung in Trondheim.
Teilnehmende vor der Nidaros-Kathedrale in Trondheim.