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„Vielleicht begegnen wir Gott nur an Orten des Grauens, wo sich der Tod eingeschlichen hat“, stellte Oberkirchenrätin Annette-Christine Lenk in der Andacht zum Auftakt des Tages der Notfallseelsorge der Ev.-luth. Kirche in Oldenburg in der Kapelle des Evangelischen Bildungshaus in Rastede heraus. Damit sprach sie Unverhergesehenes an. Nachrichten die das Private, die Familie durchrütteln. Immer dann sind Menschen, so genannte Notfallseelsorger, beistehend vor Ort, um bei einschneidenden Ereignissen, dem Verlust von Familienleben, Hilfe zu geben. Ein Thema mit vielen Facetten, das bis in tiefste emotionale Bereiche führen kann.

„Bleiben wir im Gespräch mit Gott. Lassen wir es uns zurufen, dass auch wir uns auf Gottes Wort verlassen dürfen und Gott uns im Frieden geleitet zu den Menschen, die uns in ihrer Not brauchen und lasst uns gemeinsam hoffen, dass er selbst immer mit uns geht und wir ihm begegnen. Denn: wir sind von guten Mächten wunderbar geborgen“, predigte die Oberkirchenrätin als Einstimmung zum Tag der Notfallseelsorge.

„Erste Hilfe“ für die Seele geben über 130 Pfarrinnen, Pfarrer und Ehrenamtliche unter dem Dach der oldenburgischen Kirchen. Ein Dienst, eine Berufung, mit denen die Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger Menschen und Hinterbliebenen beistehen, wenn die unvermittelt ein Todesfall oder ein Unfall trifft.

Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den neun Notfallseelsorgeteams bzw. Kriseninterventionsteams der Notfallseelsorge in den sechs Kirchenkreisen der Ev.luth. Kirche in Oldenburg waren der Einladung zum Tag der Notfallseelsorge nach Rastede gefolgt.
Als Einstieg hielt Polizeidirektor Wilfried Grieme, Personalleiter für Einsatz und Verkehr sowie zugleich Stabschef für besondere Einsatzlagen, einen Impulsvortrag. Er berichtete über einen großen Hilfsbedarf.

Für Polizeibeamte sei die Überbringung von Todesnachrichten an Hinterbliebene eine der schwierigsten Aufgaben. „Das kann nicht jeder“, so Grieme. Pfarrer Udo Dreyer Koordinator des Teams Delmenhorst betonte, dass immer viel Wert auf die Entlastung der Polizeibeamten bei Überbringung der Nachricht gelegt werde. „Ein Hinweis wie: ,Ich bleibe noch hier‘, bringt die spürbare Entlastung für die Beamten und die Zeit für die Betroffenen in Stille die Nachricht mit Hilfestellung zu verarbeiten“, so Dreyer.

Gleichzeitig erinnerte Grieme an immer neue Herausforderung durch Terrorismus  oder Massenunfälle wie das Zugunglück in Enschede oder Gewaltausbrüche wie beim G20-Gipfel in Hamburg. „Daraus entsteht vermehrter Hilfsbedarf der Hinterbliebenen, aber auch der Einsatzkräfte“.
Als Beispielfür das Unfassbare schilderte Grieme das Fernbleiben eines Beamten nach der Nachtschicht. Vorausgegangen waren besonders schwere Vorkommnisse. Am Ende wurde mit Hochdruck nach dem Kollegen gefahndet und er  schließlich auch gefunden. Vor den Augen seiner Kollegen schoss sich der Beamte dann aber  eine Kugel durch den Mund in den Kopf. „Das Entsetzen war riesig unter den Kollegen. Wir haben die Notfallseelsorge in die Dienststelle geholt, denn die Lage war außer Kontrolle“, sagte Grieme. Bei aller Ausbildung würden Beamte auf derartige  Vorkommnisse kaum geschult. „Sie sind darauf nicht vorbereitet und einfach überfordert.“

Grieme: Derartiges zeige Notwendigkeit der Zusammenarbeit von psychosozialen Notfall-Versorgungskräften auf. Ein Zusammenwirken, das erweitert werden müsste. Angedacht sei mittlerweile ein regelmäßiger Austausch zwischen Polizei und allen beteiligten Kräften. Denn:  „Ihre Arbeit in der Notfallseelsorge hat einen unsagbaren Wert“, unterstrich der Polizeidirektor zum Abschluss seines Impulsreferats.
Pfarrer Maic Zielke war als Konförderationsbeauftragter für Notfallseelsorge eigens aus Braunschweig nach Rastede gekommen. „Ich bin beeindruckt von der Vielzahl der angereisten Beauftragten. Wir sind nicht alleine und wir stehen Menschen bei, die traumatische Erlebnisse verarbeiten müssen.“

Zielke berief sich auf gleiche Standards in der Bunderepublik und hob aber hervor, dass die Ausbildung eine deutlichere Entwicklung nehmen müsste. „Es gibt Teams, die schon 20 Jahre im Dienst sind. Hier muss für Nachwuchs gesorgt werden. Das auch vor dem Hintergrund, von zahlenmäßig immer weniger werdenden Pfarrinnen und Pfarrern sowie Diakonen“, so Zielke. Damit sah er das Ehrenamt weiter gefordert. Schon heute werden die Pfarrer durch Malteser Hilfsdienst, Johanniter und DRK personell unterstützt. Daneben erinnerte Zielke an das von der EKD beschlossenen Seelsorge-Geheimnisgesetz. Das funktioniere im Vieraugenprinzip sehr gut. „Sind aber Hospitanten dabei, greife das Gesetz nicht unbedingt.“

Auf Zusammenarbeit setzt da auch das Team Friesland-Nord. Hier wird mit dem DRK kooperiert. Sieben Notfallseelsorger (NFS, Pfarrer und Diakone) und drei ehrenamtliche NFs arbeiten mit. Fredo Eilts, der zusammen mit Stefan Grünefeld in Rastede dabei war  und mit ihm das Team koordiniert, sah ebenfalls das Probleme bei der Ausbildung von Hospitanten. Nicht immer sei das Seelsorge-Geheimnisgesetz bindend.
Auch ein Punkt der bei der Intensivierung der Notfallseelsorge-Ausbildung berücksichtigt werden muss. Oberkirchenrätin Lenk hat die Schirmherrschaft für die in diesem Jahr geplante Ausbildung der Ev.-luth. Kirche Oldenburg übernommen. Diese Ausbildung für Haupt- und Ehrenamtliche von April bis September ist an fünf Wochenenden geplant.

Kai Wessels schilderte die Entstehung und Arbeit der Notfallseelsorge Wilhelmshaven, die er zusammen mit Frank Moritz koordiniert. Zugleich ist er Sprecher aller Koordinatoren. Am 1. September 1997 wurde das Team gegründet. In den 20 Jahren konnten 1.225.000 Stunden bei 800 Einsätzen geleistet werden. Zehn evangelische Notfallseelsorge (NFS) und bis zu zwei katholische NFS sind auf Bedarf möglich. 650 Einsätze sind dokumentiert. Bis zu zehn Einsatzkräfte sind bei größeren Lagen vor Ort. „Wir sind Begleiter in der Not und Gesprächspartner und Helfer zugleich. Wir arbeiten mit dem Maltester Kit-Team eng zusammen“, schilderte Wessels. Nacheinander stellte sich auch die anderen Teams und deren Notfallseelsorge-Systeme vor.

Mit Austausch und Musik des Ensembles „Balg und Bogen“ mit Barbara Andrae (Akkordeon) sowie Volkmar Stickan (Cello) endeten die Impulsreferate und Vorstellungen. Nach der Mittagspause ging es in die fünf Workshops. Inhalte waren „Kultur und Gesellschaft“ mit Dörte Keske, Transaktionsanalytikerin und Notfallseelsorgerin. „Erfahrungsaustausch/Kollegiale Beratung unter NotfallseelsorgerInnen“ unter der Leitung von Kai Wessels, Koordinator für Notfallseelsorge im kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven war ein weiteres Angebot. „Psychotraumatologie“ mit Maic Zielke und „Information zur Notfallseelsorge-Ausbildung 2018“ mit Julia Neuschwander, Leitung Referat Seelsorge, sie arbeitete auch die Tagung aus waren weitere Themengebiet. „Nach dem Tod – Kirchliche Rituale, Aussegnung und Gebet“ standen im fünften Workshop mit den Pastoren und Koordinatoren im Kirchenkreis Ammerland und Oldenburger Münsterland, Michael Kühn und Christian Jaeger im Mittelpunkt.

Peter Kratzmann

Rund 50 Beauftragte der neun Notfallseelsorgen kamen zum Tag der Notfallseelsorge in das Evangelische Bildungshaus in Rastede.
Kai Wessels (Sprecher der Koordinatoren), Oberkirchenrätin und Schirmherrein Annette-Christine Lenk, Julia Neuschwander (Leitung Referat Seelsorge) und Polizeidirektor Wilfried Grieme von links.
Konförderationsbeauftragter für Notfallseelsorge, Pfarrer Maic Zielke, hielt wie Grieme ein Impulsreferat.
Das Duo Barbara Andrae und Volkmar Stickan unterhielt zwischen den einzelnen Programmpunkten. Fotos: ELKiO/ Peter Kratzmann