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Die hannoversche Synode hat am Freitag intensiv über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche debattiert. Beteiligt waren auch Betroffene, am Rednerpult und im Publikum. Rücktrittsforderungen an Landesbischof Ralf Meister hallten noch nach.

Loccum/Kr. Nienburg (epd). Nancy Janz steht als erste am Rednerpult in der Kirche des geschichtsträchtigen Klosters Loccum bei Nienburg. Mit einem persönlichen Bericht eröffnet sie die Debatte der hannoverschen Landessynode über den Umgang mit Missbrauch in der Kirche. Sie erzählt, wie sie als Jugendliche von einem späteren Pastor der hannoverschen Landeskirche sexualisierte Gewalt erlitten hat. «Ich war 17 Jahre alt.»

Die heute 44-Jährige ist Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In Loccum wirbt sie für einen Kulturwandel in der Kirche, für den sie sich auf vielen Ebenen einsetzt. Wie andere Betroffene hat sich Nancy Janz früh an Kirchenvertreter gewandt. Weil sie kein Gehör gefunden habe, habe der Täter weitermachen können, berichtet sie. Mit dem Missbrauch habe er ihr auch ein Zuhause im Glauben genommen. «Er nahm mir die Hoffnung auf eine Beziehung zu Gott.»

Zwischen zwei mächtigen Säulen der Klosterkirche verfolgen im Publikum weitere Betroffene die Debatte. Unter ihnen ist Lisa Meyer, die maßgeblich eine Aufarbeitung ihres Falles in der Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück vorangetrieben hat. Sie war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon mehrfach schwer missbraucht worden. Nachdem eine Studie zu dem Fall Versäumnisse der Kirche offenbart hat, hatte sie den Rücktritt von Landesbischof Ralf Meister gefordert.

Sie halte einen Rücktritt weiter für nötig, «noch mehr denn je», sagt sie am Rande der Tagung. Der Bischof zeige noch immer keine Haltung, proaktiv gegen Missbrauch in der Kirche anzugehen. Die Kirche reagiere nur. «Das Band ist sehr zerschnitten», sagt sie. Meister und sie haben einander zur Begrüßung die Hand geschüttelt. Zu einem Gespräch ist es noch nicht gekommen.

Viele Rednerinnen und Redner richten vom Podium aus den Dank an die Betroffenen. Der Theologische Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Ralph Charbonnier, skizziert, welche Schritte die Landeskirche bisher gegangen ist, um den Umgang mit Missbrauchsfällen zu verbessern. Wie der Bischof räumt auch er Versäumnisse ein. Er kündigt weitere Schritte an wie eine deutliche Aufstockung des Personals in der Fachstelle Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche.

Der Vorsitzende des Landessynodalausschusses, Jörn Surborg, sagt: «Wir sind alle der Überzeugung, dass wir alle Verantwortung tragen.» Er stellt sich damit auch erneut hinter Meister, der noch einmal unterstreicht, er wolle im Amt bleiben. Er nehme die Stimmen der Betroffenen sehr ernst, sagt der Bischof. Doch mit einer institutionellen Chaoslage sei niemandem gedient.

Rücktrittsforderungen an den Bischof hatten bereits den Anfang der Synodentagung am Mittwoch geprägt, nachdem ein Brief von Missbrauchsbetroffenen bekanntgeworden war. Eine der Verfasserinnen ist Kerstin Krebs. «Es gibt noch immer Prozesse, die strukturell dazu führen, dass es Betroffenen schwer gemacht wird, sich zu beteiligen», sagt sie am Rande der Tagung. So habe sie erst zwei Tage zuvor davon erfahren, dass sie vor Ort an der Synode teilnehmen kann. Wie andere Betroffene ist sie dennoch bereit, als Ansprechpartnerin im Gruppengespräch mit den Synodalen zur Verfügung zu stehen.

Der Vater eines von Missbrauch betroffenen Kindes sagt anschließend: «Ich fand den Austausch in der Gruppe sehr ehrlich.» Zugleich kritisiert er, dass die Aufarbeitung in der Kirche habe noch nicht wirklich begonnen habe. Der Fall in seiner Familie sei erst zwei Jahre her. Er habe auf allem Ebenen mit Kirchenvertretern gesprochen. «Es ist nicht zu erkennen, dass sie ihre Macht dazu nutzen, um einzuschreiten.»

Nancy Janz will in der Kirche für Verbesserungen eintreten. Aus ihrer persönlichen Sicht müsse Bischof Meister nicht zurücktreten, sagt sie. «Ich möchte, dass Beschlüsse gefasst werden. Ich möchte, dass sich etwas verändert.» Sie zählt auch auf den weiteren Prozess in der EKD, an dem sie selbst mitwirkt. Menschlichkeit und Mitgefühl gegenüber den Betroffenen seien nötig, denn diese seien verletzt, wütend und voller Misstrauen. An die Synode appelliert sie: «Seien Sie Brüder und Schwestern. Machen Sie die Tür auf.»