Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, hat am 20. Jahrestag des Mauerfalls die gewaltfreie Revolution in der DDR gewürdigt. «Der Wille zur Freiheit, der Mut Einzelner, aufzustehen gegen Unterdrückung und Unrecht, kommen an diesem Tag zum Ausdruck», sagte sie am Montagabend in Hannover in einem Dankgottesdienst: «Dass Gebete und Kerzen eine Diktatur in die Knie zwingen könnten, haben wir selbst nicht zu hoffen gewagt.»
Der 9. November wäre deshalb ein geeigneter Nationalfeiertag, sagte die hannoversche Landesbischöfin. «Während wir am 3. Oktober umständlich zu erklären versuchen, was es mit diesem Datum auf sich hat, versteht sich der heutige Tag von selbst.» Der 9. November erinnere aber auch an die Reichspogromnacht 1938 gegen die Juden und andere Ereignisse in Deutschland, bei denen Menschen um Freiheit gerungen oder dabei versagt hätten.
Der frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, berichtete in der hannoverschen Marktkirche, dass die ostdeutschen Bürgerrechtler selbst vom Erfolg der friedlichen Revolution überrascht worden seien. «Der Fall der Mauer lag nicht innerhalb unseres Horizontes, obwohl der Glaube die Horizonte weit steckt», sagte der frühere Rostocker evangelische Pfarrer: «Da hat uns ein Geist überholt, den wir zum Teil selbst geschaffen haben.»
Menschen, die versiert darin gewesen seien, Angst zu haben, den Mund zu halten und sich wegzuducken, seien plötzlich auf die Straße gegangen und hätten «Wir sind das Volk!»gerufen. Dieser scheinbar banale Satz habe Untertanen in Bürger verwandelt. «Wir waren wie Träumende, wie Fliegende», sagte Gauck. «Wir standen auf, und plötzlich bewegte sich etwas.» Dass sich dies in der eigenen Stadt abgespielt habe, habe die Bürgerrechtler fast noch mehr bewegt als später der Fall der Mauer selbst: «Noch bevor die Mauer fiel, war die Freiheit heimisch geworden auf den Straßen der Unterdrücker.»