60 Jahre Diakonisches Jahr, 50 Jahre Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ): Aus Anlass dieses Doppeljubiläums hatte das Diakonische Werk Oldenburg als Träger der Freiwilligendienste in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg am Mittwoch, 21. Mai, Leitungskräfte und Mitarbeitende aus den FSJ-Einsatzstellen ins Gertrudenheim Oldenburg eingeladen. Das Motto der Veranstaltung: Ein Freiwilligendienst schreibt Geschichte(n). Und ohne Freiwillige kein Erfolg.
In der vergangenen Woche wurde das Jubiläum des FSJ bereits mit einem großen Aktionstag und vielen jungen Leuten in der Oldenburger Innenstadt gefeiert. Aber ohne Sie, die Leiterinnen und Leiter, die Anleiterinnen und Anleiter der FSJ-Einsatzstellen, wäre das alles nicht möglich, begrüßte Theo Lampe, Referent des Diakonischen Werks Oldenburg, die Konferenzteilnehmenden. Die Bedeutung des FSJ fällt mir immer wieder in Gesprächen mit den unterschiedlichsten Menschen auf, die mir sagen, dass sie die Arbeit der Diakonie kennen zum Beispiel weil die Tochter ein FSJ absolviert hat oder sie selbst einen Zivildienst, stellte Pfarrer Thomas Feld, Theologischer Vorstand des Diakonischen Werks Oldenburg, fest. Junge Leute zeigen mit ihrem Engagement im FSJ, dass sie helfen wollen, dass sie sich mit den jeweiligen Trägern identifizieren wollen, so Feld weiter, und ihr Engagement tut auch unseren Einrichtungen gut.
FSJler bereichern unsere Arbeit
Die FSJler bereichern unsere Arbeit, bekräftigte Hans-Gerd Kohring, Leiter des Gertrudenheims, in dem das Treffen stattfand. Einige Freiwillige sieht man dann später bei ihrer Ausbildung hier im Haus wieder oder auch als neue Mitarbeiter, so seine Erfahrung.
Zum Podiumsgespräch und Erfahrungsaustausch bat Theo Lampe dann ehemalige FSJler sowie Einsatzstellenleiter auf die Bühne. Mit dabei war auch Martin Schulze, Geschäftsführer der Evangelischen Freiwilligendienst gGmbH Hannover. 1954 wurde die weibliche evangelische Jugend erstmals dazu aufgefordert, ein Jahr für die Diakonie zu wagen, erzählte er von den Anfängen der Freiwilligenarbeit. Schon damals habe es begleitende Seminare und Kurse gegeben, die zu der Zeit jedoch stark auf Themen wie Hauswirtschaft und Familie ausgerichtet gewesen seien.
Die freiwillige Arbeit fand schnell immer größeres Interesse, und so trat 1964 trat das Bundesgesetz zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres für Menschen zwischen 16 und 27 Jahren in Kraft, das den Teilnehmenden die Möglichkeit zur Orientierung bei gleichzeitiger sozialer Sicherung und Bildung garantiert. Seither hat sich die Freiwilligenarbeit stetig weiterentwickelt, betonte Schulze. Seit dem Wegfall des Zivildienstes haben wir mehr Teilnehmende denn je. Und mit neuen Möglichkeiten wie dem Bundesfreiwilligendienst und dem Freiwilligen Jahr in den Bereichen Ökologie, Kultur und Sport findet sich wohl für jeden Interessenten ein passender Platz.
Lange waren die Freiwilligen vorwiegend weiblich, heute gibt es rund 30 Prozent männliche Teilnehmer. Auch bei uns leisten mehr Männer ein FSJ als früher, bestätigte Ralf Schöll, Pflegedienstleiter im Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg. Die jungen Leute sind uns sehr wichtig. Viele kommen, weil sie sich beruflich orientieren wollen und in den Gesundheitsberuf hineinschnuppern möchten. Gerade im Pflegebereich hat die Spezialisierung sehr zugenommen, da entlasten Freiwillige unsere Pflegekräfte, wenn sie sich einfach mal neben einen Menschen setzen und Zeit schenken.
Berufliche Perspektive steht heute mehr im Mittelpunkt
Dass Teilnehmende ein FSJ gezielt für die Berufsorientierung nutzen, hat auch Thomas Zellner, Leiter des Evangelischen Kinderdorfes Johannesstift in Vechta, festgestellt: Manche kommen nach dem Studium zu uns zurück. Andere sagen aber auch: Das Jahr war schön, aber jetzt mach ich doch etwas anderes. Fenni Lambers, Pädagogische Leiterin der Freiwilligendienste im Diakonischen Werk Oldenburg, bestätigte diese Einschätzung: Die berufliche Perspektive steht heute mehr im Mittelpunkt, man will Pluspunkte für den Lebenslauf sammeln. Früher wollten viele nach dem Abi eher mal etwas anderes kennenlernen.
Ich wollte damals einfach neue Erfahrungen machen. Es war für mich zudem aufregend, in den Westen zu gehen und zu sehen, wie die andere Seite von Deutschland mit dem Glauben lebt, erzählte Antje Voss, ursprünglich aus Rostock, die ihr FSJ im damaligen Missionarischen Zentrum in Oldenburg ableistete und heute als Logopädin in Hamburg arbeitet. Im FSJ habe ich erfahren, dass ich gut organisieren kann, dass ich keine Angst habe, auf Menschen zuzugehen und dass ich für 600 Leute Suppe kochen kann. Ich bin in dieser Zeit sehr selbstbewusst geworden und habe auch meinen heutigen Beruf im FSJ gefunden, berichtete sie.
Diese Arbeit macht Sinn
Für Anja Kramer, heute Pastorin in Oldenburg, war das eigene FSJ ebenfalls für den späteren Beruf wichtig: Ich habe in der Sozialstation in Oldenburg gearbeitet und war begeistert. Ich hatte das Gefühl: Diese Arbeit macht Sinn. Beim späteren Pauken im Theologie-Studium wusste ich ganz genau, wofür ich lerne.
Man erfährt im FSJ allerdings auch von Beginn an, dass man für soziale Arbeit mit Menschen wenig Geld bekommt, gab Antje Voss zu bedenken. Auch wer in diesem Bereich hoch qualifiziert ist, verdient meist nicht viel. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft erfährt, dass soziale Arbeit mehr kosten darf, weil sie sehr wertvoll ist.
Ich wünsche mir, dass sich noch mehr Menschen sagen: Dieses Jahr gönn ich mir auch ohne auf einen konkreten beruflichen Nutzen zu schauen, kommentierte Theo Lampe die Beiträge in der Podiumsdiskussion, sprach aber auch die Interessen der Einsatzstellen an: Wie sähen diese in Zeiten des Pflegenotstandes aus?
Ein Interesse gibt es auf beiden Seiten bei Teilnehmenden und Einsatzstellen, antwortete darauf Martin Schulze. Weil sich diese Interessen so gut ergänzen, sind die Freiwilligendienste so erfolgreich. Früher ging es fast ausschließlich um die Arbeit mit Alten, Kranken und behinderten Menschen, heute ist zum Beispiel die Arbeit in Schulen im Kommen eine Entwicklung, die auch auf den Interessen der Freiwilligen beruht. Die begleitenden Seminare machten das FSJ zu etwas Besonderem, so Schulze: Das FSJ sei damit weit mehr als nur eine Art Praktikum.
Ein Freiwilliges Soziales Jahr sei nie irgendein weiteres Jahr
Whats another year, zu deutsch: Was ist schon ein weiteres Jahr erinnert sich noch jemand an diesen Grand-Prix-Song von 1980?, fragte Bischof Jan Janssen die rund 60 Konferenzteilnehmenden zum Abschluss des Tages. Ich war damals 17 Jahre alt, und mir kamen zwölf Monate, 52 Wochen, 365 Tage unüberschaubar lang vor. Ein Freiwilliges Soziales Jahr sei nie irgendein weiteres Jahr, betonte Janssen weder für die Freiwilligen noch für die Einsatzstellen und ihre Mitarbeitenden. Darum wünsche ich Ihnen, dass Sie das Jahr als reiche, erfüllte Zeit erleben, als Kostbarkeit, damit auch weiterhin viele Freiwillige ein solches Jahr bei Ihnen verbringen können, gab der Bischof, der gleichzeitig Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland für Freiwilligendienste ist, den Konferenzteilnehmenden mit auf den Weg. Ich danke Ihnen für die Begleitung junger Menschen, für Ihre Fürsorge und für Ihre Geduld.
Info:
1954 startete das Diakonische Jahr mit 25 weiblichen Freiwilligen. Die Teilnehmerzahlen und Plätze bei kirchlichen Trägern und anderen Wohlfahrtsverbänden nahmen stetig zu, und zehn Jahre später wurde der gesetzliche Rahmen mit dem Bundesgesetz zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres geschaffen. Derzeit leisten jährlich bundesweit mehr als 100.000 Menschen einen Freiwilligendienst. In der Evangelischen Kirche wird das Freiwilligenprogramm von der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend e.V. und der Diakonie Deutschland getragen.
Weitere Infos gibt es unter www.ev-freiwilligendienste.de
Ein Beitrag von Antje Wilken.