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Hannover (epd). Der niedersächsische Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke hat eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung angemahnt. Andernfalls werde die Pflege im Alter zu einem «kapitalen Armutsrisiko», sagte Lenke dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die Bundestagswahl am Sonntag. «Wir steuern im Moment sehenden Auges auf ein großes Problem zu», erläuterte Lenke. «Eine vorausschauende Politik muss sich daran erinnern lassen, dass der Staat Lebensrisiken zwar nicht wegnehmen kann, wohl aber abpuffern muss.» Er finde es «verblüffend», dass dieses Thema trotz des demografischen Wandels im Wahlkampf nahezu keine Rolle spiele.

Lenke untermauerte seine Sicht mit Zahlen aus Niedersachsen. Dort sei der Eigenanteil für einen Platz im Pflegeheim nach aktuellen Berechnungen auf durchschnittlich 2.639 Euro pro Monat im ersten Jahr des Aufenthalts gestiegen. Die Rente eines Mannes in Niedersachsen liege dagegen derzeit im Schnitt nur bei 1.366 Euro, und Frauen hätten noch einmal rund 250 Euro weniger. «Da klafft eine Riesen-Lücke», betonte Lenke. «Die können Sie erstmal mit Ersparnissen schließen - die sind bei so einer Lücke aber meist ziemlich schnell weg.» Am Ende werde ein pflegebedürftiger Mensch in absehbarer Zeit in der Sozialhilfe landen.

Der Diakonie-Chef plädierte dafür, die Pflegeversicherung zu einer Pflege-Vollversicherung mit begrenztem Eigenanteil weiterzuentwickeln. Bislang gebe es für die Pflegekosten einen festen Betrag von der Pflegeversicherung. «Alles, was darüber hinaus geht, zahlen Sie aus dem eigenen Portemonnaie.» Dieses Verhältnis müsse umgekehrt werden: Fixiert werden müsse ein verlässlicher Eigenanteil. Alles darüber müsse die Pflegeversicherung abdecken.

Das könne jedoch nur gelingen, wenn die Einnahmen auf eine breitere Basis gestellt würden. «Es wird Steuergeld in diese Versicherung fließen müssen», sagte Lenke. Zudem müsse die Beitragsbemessungsgrenze für die Pflegebeiträge überprüft werden. Zusätzlich könnten neben dem klassischen Arbeitseinkommen auch andere Einkommensarten wie Kapitalerträge oder Mieteinnahmen bei der Beitragsberechnung herangezogen werden.

Eine weitere Möglichkeit sei, eine Art Bürgerversicherung für die Pflege zu schaffen, die auch Selbstständige, Beamte und Spitzenverdiener mit einbeziehe. Skeptisch zeigte sich Lenke gegenüber der Forderung nach privater Vorsorge. «Die kann sich nicht jeder leisten. Wer nur 1.500 Euro verdient, wird es schwer haben, davon etwas zur Vorsorge zurückzulegen.»

Die Politik habe in den vergangenen Legislaturperioden lediglich «an kleinen, filigranen Stellschrauben gedreht» und keinen großen Wurf gewagt, sagte der Diakonie-Chef. «Alles, was es gab, waren Reförmchen, die nicht an den Kern herangingen.» Das genüge nun nicht mehr.