Kirche und Internet dürfen keine Gegensätze sein, sondern müssen sich ergänzen. Davon ist der «Elektropastor» Christoph Martsch-Grunau überzeugt. Wenn die Kirche Menschen erreichen wolle, müsse sie ins Internet, wo die Menschen sind.
Delmenhorst (epd). Auf dem Schreibtisch drängen sich zwei Monitore, ein professionelles Mikrofon, eine Tastatur und jede Menge Kabel. In bunten Farben flimmern Stimmaufzeichnungen als grafische Anzeigen über die Bildschirme, die Christoph Martsch-Grunau gerade zu einem Podcast verbinden will. Der 33-Jährige ist evangelischer Theologe und nennt sich «der Elektropastor». Seine Mission: «Ich will die Kirche und die digitale Welt zusammenbringen.»
Martsch-Grunau ist in der digitalen Welt Zuhause. «Wäre ich nicht Pastor geworden, hätte ich wohl Informatik studiert», sagt der zweifache Familienvater. Seit Jahresbeginn arbeitet er in der Delmenhorster Heilig-Geist-Kirchengemeinde. Zugleich ist er der erste Pastor im neu geschaffenen «Digitalpfarramt» seines Kirchenkreises Delmenhorst - einzigartig in der oldenburgischen Landeskirche.
Gerade am Anfang der Corona-Zeit sei deutlich geworden, dass die allermeisten Kirchengemeinden noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind. Viele Pastorinnen und Pastoren hätten sich bemüht, mit Video- oder Audioaufzeichnungen ihre Gottesdienste eins zu eins für ihre Gemeindemitglieder auf eine DVD zu brennen oder auf Youtube einzustellen. «Tolle Initiativen - aber oft wenig ausgereift», sagt Martsch-Grunau. «Eigentlich sind wir zehn Jahre zu spät dran.»
Der «Elektropastor» berät die Gemeinden, wie es anders gehen könnte: Dabei wolle er nicht die gewohnten Gottesdienste gegen digitale ausspielen: «Vielmehr sollten wir die vielen Möglichkeiten nutzen. Wichtig ist die Frage, wen will ich mit welchen Inhalten erreichen?» Jugendliche und junge Leute seien eher auf Instagram oder Youtube unterwegs. Erwachsene seien oft an Podcasts interessiert. Eine Veranstaltung auf Zoom lade alle vor den Geräten zum direkten Mitwirken ein - ein Gottesdienst auf Youtube könne dagegen nur mit Chats oder Emojis kommentiert werden. «Die Methode muss sich nach dem Ziel richten, nicht umgekehrt.»
Das Internet könne die gewohnten Gottesdienste digital bereichern, erläutert der Elektropastor begeistert. Erst kürzlich habe er für eine Trauung die Schwester der Braut aus Guatemala via Internet zur Hochzeit dazugeschaltet. «So konnte die Schwester über Tausende Kilometer hinweg die Feier live begleiten und ihre Segenswünsche überbringen.»
Eine andere Idee sei, beispielsweise drei Kirchengemeinden via Internet zu einem gemeinsamen Gottesdienst zusammenzuschalten. «Aus der einen Kirche kommt die Predigt, aus der anderen die Musik und aus der dritten die Gebete. Am Ende ist es egal, in welcher Kirche ich sitze, oder ob ich die Feier im Wohnzimmer auf einem Tablett-Computer verfolge.»
Er selbst ist im Internet auf seiner Webseite www.elektropastor.de und den sozialen Medien wie Twitter, Instagram und Co. als @elektropastor zu finden. Auf den gängigen Streamingdiensten können seine Predigten zusammen mit einem Lied und einem Gebet als 9 bis 13 Minuten lange Podcasts abgerufen werden. Neu ist seine Podcast-Reihe mit dem Titel «Wer glaubt den sowas?». Dabei berichten ganz normale Gemeindemitglieder in einer lockeren Plauderei von ihrer persönliche Glaubensgeschichte.
Angesichts des massiven Mitgliederschwunds in den Kirchen ist für Martsch-Grunau der Weg in die digitale Welt unerlässlich. «Die Kirche muss dahin gehen, wo die Menschen sind. Und gerade die 20- bis 40-Jährigen sind im Internet.» Die Gemeinden seien nicht mehr die zentralen sozialen Netzwerke eines Dorfes oder eines Quartiers. «Wenn wir an Leute herankommen wollen, die nichts mit der Kirche - aus welchen Gründen auch immer - zu tun haben, müssen wir diesen Weg mitgehen.»