Zum Hauptinhalt springen

Die Jüdische Gemeinde in Delmenhorst lud am Freitag, 9. November, gemeinsam mit der Stadt und den christlichen Kirchen zum Gedenken an die Reichspogromnacht im Jahr 1938 ein. Und die Synagoge wurde so voll, dass die Teilnehmenden sogar in den Gängen und im Vorraum stehen mussten.
  
In seiner Begrüßung warnte Pedro Becerra, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Delmenhorst, davor, dass "antisemitische Äußerungen wieder gesellschaftsfähig geworden sind". Er sei empört, dass sich Schändungen von jüdischen Friedhöfen regelmäßig wiederholten. Die Aufbruchsstimmung der Vergangenheit sei für viele Juden inzwischen einer wachsenden Verunsicherung gewichen.
  
Auch Oberbürgermeister Axel Jahnz schlug mit einem wachsamen Blick für die Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft einen Bogen von der Pogromnacht vor 80 Jahren zu dem Antisemitismus der heutigen Zeit. Judenfeindliches Mobbing an deutschen Schulen sei für ihn alarmierend. Hinzu kämen Angriffe auf Juden, von denen viele gar nicht an die Öffentlichkeit gelängen.
  
Kreispfarrer Bertram Althausen wies in seiner emotionalen Rede darauf hin, dass das jährliche Pogromgedenken nicht nur ein Ritual bleiben dürfe. Es sei ein Auftrag, das "Nie wieder!", das die Generation nach dem Krieg ausgerufen hatte, auch heute umzusetzen. "Der Faschismus taucht wieder auf. Die Wölfe legen ihren Schafspelz ab. Machen wir nicht den Fehler, das nicht ernst zu nehmen. Wir müssen nicht Angst haben vor der Vielfalt in unserer Gesellschaft, sondern vor der Einfalt! Nie wieder! heiße dabei "nicht nur nie wieder brennende Gotteshäuser!", sondern auch nie wieder still sein! und nie wieder mitmachen!"
  
Rabbinerin Alina Treiger dankte den Rednern der Gedenkveranstaltung und fügte in aller Klarheit hinzu, dass das Gedankengut der AfD, ihr Fremdenhass und Rassismus für die jüdische Gemeinde inakzeptabel seien. Niemals werde jemand aus der jüdischen Gemeinde Mitglied in der AfD sein können.
  
Auch in Delmenhorst brannte in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Synagoge. Die Feuerwehr wollte löschen, doch die Polizei hinderte sie daran. Zwei Jahre später, 1940, war das jüdische Leben aus der Stadt verschwunden. Wer es nicht schaffte rechtzeitig zu fliehen, wurde von den Nationalsozialisten in Vernichtungslager deportiert. Nach 1945 brauchte es lange bis in Delmenhorst erst 1997 wieder eine jüdische Gemeinde entstand. Heute zählt sie 167 Mitglieder.
  
Unter den etwa 150 Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung waren auch eine neunte Klasse der Realschule Delmenhorst. Die SchülerInnen führten den anschließenden Gedenkmarsch an, der die Teilnehmenden von der Synagoge zum jüdischen Friedhof führte. Dabei trugen sie gut sichtbar ein Banner mit dem Aufdruck: „Gegen das Vergessen“.

Gedenkmarsch zum jüdischen Friedhof; links: Kreispfarrer Bertram Althausen und Rabbinerin Alina Treiger.
Zuvor mahnt Kreispfarrer Althausen in der Synagoge: Nie wieder!
SchülerInnen der Realschule Delmenhorst gedenken auf dem jüdischen Friedhof der Opfer der Reichspogromnacht. Fotos: Matthias Gabriel