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„Wo wird der ‚Vorrang für zivil’ wirklich in die Tat umgesetzt?“ Diese Frage durchzog den Vortrag des Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, Anfang dieser Woche in Bad Zwischenahn. „Vorrang für zivil“ sei einer der Schlüsselbegriffe in der Friedensdenkschrift der EKD aus dem Jahr 2007, so Brahms.

Renke Brahms maß den Umgang von Bundesregierung und Parlament mit den aktuellen Krisen an dieser Forderung und zog eine ernüchternde Bilanz. Von „Vorrang für zivil“ sei in der Praxis wenig zu merken. Schon bei der Mandatierung würde der Bundestag nur über die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten, nicht aber über den Umfang der zivilen Kräfte ausführlich beraten und beschließen. „Ein Gesamtkonzept ist so gut wie nie festzustellen.“

Dabei könnte und sollte besonders Deutschland international mehr Verantwortung und mehr Initiative gerade im zivilen Bereich zu übernehmen. „Wir haben in unserem Land eine friedliche Revolution erlebt“, sagte Brahms. Deutschland könne sich – sogar mit dem Gewicht eigener Erfahrungen – bei internationalen Konflikten stärker für den Vorrang des Zivilen und der gewaltfreien Konfliktbearbeitung einsetzen.

Seit einigen Jahre orientiere sich die internationale Staatengemeinschaft an einer „Responsibility to Protect“, die drei Bereiche beinhalte: Prävention, um gewaltsame Eskalationen zu verhindern, Reaktion, um unmittelbaren Schutz herzustellen und Wiederaufbau, um neue Konflikte zu vermeiden. Die Politik sei in diesem Dreischritt aber fast nur auf die Reaktion mit Militär eingestellt.

 

Die Kirchen hätten – so Brahms – mit ihren Hilfswerken in der ganzen Welt Experten vor Ort, die die Situation bestens einschätzen könnten. Sie könnten sinnvolle Präventionsmaßnahmen vorschlagen und so Konflikte entschärfen, noch bevor es zu Gewaltausbrüchen komme. „Wenn wir die Bundesregierung beraten könnten – wir hätten da schon Vorschläge.“ Das Militär müsse nicht sofort in jeden Konflikt geschickt werden. Frieden brauche Gerechtigkeit und Recht, betonte der EKD-Friedensbeauftragte.

„Wir brauchen einen neuen friedensethischen Dialog“ sagte Brahms, der auch leitender Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche ist, und regte zudem eine fraktionsübergreifende Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages an. In der anschließenden Diskussion mit dem gut besuchten Auditorium im Haus Feldhus zeigte er sich erfreut über die Sondierungen im Ammerland, ob auch in der oldenburgischen Kirche ein solcher Dialog auf den Weg gebracht werden könne.

Das Evangelische Bildungswerk und der Kirchenkreis Ammerland setzen – mit Unterstützung des Freiheitsraum Reformation aus Oldenburg – die Reihe „Reformation und Politik“ am Mittwoch, 21. Mai, fort mit einem Vortrag zur Theologie der Befreiung von Klaus Hagedorn, dem Leiter des katholischen Forums St. Peter in Oldenburg. Titel des Vortrags: „Das Wort Gottes muss in der Realität Fleisch werden! – Oscar Romero und seine Theologie der Befreiung“. Veranstaltungsort ist die Ev. Kirchengemeinde Reekenfeld, Schleusenstraße 157, Beginn: 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

 

Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, bei seinem Vortrag in Bad Zwischenahn.
Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, bei seinem Vortrag in Bad Zwischenahn. Foto:Evangelisches Bildungswerk