Jesus Christus spricht:
Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Johannes 8,12
Vor etwa einem Jahr wurde in der chinesischen Millionenstadt Wuhan der erste Lockdown als Maßnahme gegen den dortigen Ausbruch der Corona-Pandemie eingeführt. Zum damaligen Zeitpunkt war es noch unvorstellbar, dass dies zehn Wochen später auch bei uns so kommen würde. Seitdem versucht die Menschheit, irgendwie damit zurecht zu kommen. Und hofft darauf, das Virus eines Tages besiegen zu können.
In der Hoffnung, dass sich die Lage endlich wieder zum Besseren ändert, schaue ich jeden Morgen gebannt auf die neuesten Infektionszahlen. Seit Wochen mache ich das schon so. Als ob das etwas bringen würde. Seit Monaten aber zählen wir nicht nur die steigenden oder sinkenden Neuinfektionen. Wir zählen auch die infolge der Pandemie Verstorbenen. In Deutschland haben wir inzwischen die Schwelle von 50.000 Toten deutlich überschritten. Spätestens seit November wissen wir, dass die Pandemie mehr Menschen sterben lässt, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Im Moment ist es so, als ob jeden Tag mehrere Passagierflugzeuge über Deutschland abstürzen würden.
Hinzu kommt, dass das Sterben mit Corona ein einsames Sterben ist: keine Sterbebegleitung, kein Abschiednehmen von den Liebsten, kein Mensch, der einem die Hand hält bis zum letzten Atemzug. Das ist nicht nur für die Sterbenden selbst furchtbar. Es hinterlässt auch bei den Angehörigen Gefühle von Schuld und Ohnmacht. Und ähnlich geht es den Pflegenden in Krankenhäusern und Seniorenheimen. Solche Erfahrungen können dazu führen, nicht fertig zu werden mit dem Tod eines nahestehenden Menschen. Und selbst gewohnte Rituale bei Beerdigungen sind Corona-bedingt nur eingeschränkt möglich.
Deshalb wird seit längerem in der Öffentlichkeit danach gefragt, ob wir nicht ein eigenes Corona-Gedenken für die vielen Tausenden an Verstorbenen brauchen. Damit wir als Gesellschaft auch wahrnehmen, was wirklich mitten unter uns geschieht. Ein Ritual, eine Feier, mit der wir zum Ausdruck bringen: wir vergessen keinen. Damit auch öffentlich deutlich wird: jeder einzelne Mensch ist wichtig. Niemand ist verzichtbar: die Alten nicht, die Kranken nicht, die Kinder nicht, Schüler*innen nicht – NIEMAND!
In der vergangenen Woche hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Zeichen eines gemeinsamen Gedenkens für die mehr als 50.000 Opfer der Corona-Pandemie zur Aktion #lichtfenster aufgerufen. Seit vorigen Freitag stellt der Bundespräsident an jedem Abend gut sichtbar ein Licht in ein Fenster seines Amtssitzes, dem Schloss Bellevue in Berlin. Bis zum kommenden Samstag sind wir alle sind aufgerufen, es ihm gleich zu tun. Auf diese Weise können wir ein Zeichen setzen, dass wir als Gesellschaft gemeinsam trauern, dass wir die Toten und das Leid der Hinterbliebenen nicht vergessen. In seinem Aufruf schreibt Frank-Walter Steinmeier:
„Wir stellen ein Licht ins Fenster. Ein Licht der Trauer, ein Licht der Anteilnahme, ein Licht des Mitgefühls.
Für zu viele Menschen in unserem Land sind diese Corona-Wochen schrecklich dunkle Wochen. Viel zu viele müssen um Angehörige trauern. Viel zu viele kämpfen auf den Intensivstationen und in den Pflegeheimen um ihr Überleben. Viel zu viele müssen um geliebte Menschen bangen.
Diese Dunkelheit ist nicht abstrakt, nicht irgendwo weit entfernt. Sie trifft unsere Verwandten und Freunde, unsere Kollegen und Nachbarn, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger – jeden Tag.
Wir stellen ein Licht ins Fenster, weil wir wissen: Überall in unserem Land leiden Menschen.
Wir trauern mit den Angehörigen. Wir wünschen den Kranken schnelle Genesung. Mit unseren 'Lichtfenstern' rufen wir einander zu: Die Toten der Corona-Pandemie sind für uns keine bloße Statistik. Auch wenn wir ihre Namen, ihre Familien nicht kennen – wir wissen: Jede Zahl steht für einen geliebten Menschen, der uns unendlich fehlt.
Deutschland stellt ein Licht ins Fenster, weil jedes 'Lichtfenster' uns miteinander verbindet. Unser Licht spendet Wärme, unser Licht zeigt Mitgefühl in einer dunklen Zeit. Stellen wir also ein Licht ins Fenster – und geben wir acht aufeinander.“
Als Kirchen begrüßen wir nicht nur die Aktion #lichtfenster. Wir befürworteten auch eine zentrale Gedenkfeier für die Verstorbenen der Corona-Pandemie, die der Bundespräsident für die Zeit nach Ostern angekündigt hat. „Nicht nur die Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, warten auf eine solche öffentliche Trauerfeier“, erklärte EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm. „Tausende Menschen sterben in diesen Tagen auf den Intensivstationen oder zu Hause. In den Nachrichten erfahren wir täglich ihre Zahl. Hinter jedem Todesfall steht eine ganz persönliche Geschichte von Hoffen und Bangen, von Abgründen, die sich auftun, wenn der Kampf um das Leben eines lieben Menschen verloren ist“, erinnert der Ratsvorsitzende.
Mit den Lichtern wolle man Anteilnahme und Solidarität bekunden. „Lasst uns in unseren Gedanken und Gebeten an der Seite derer stehen, die Schmerz und Ohnmacht beim Verlust eines Menschen erlebt haben“, erklärte Bedford-Strohm.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hofft ebenfalls auf die aktive Beteiligung vieler Menschen an der Aktion: „Wir Christen gedenken jeden Freitag des Todestages Jesu. In dieses Gedenken schließen wir die Opfer der Pandemie ein.“ Bischof Bätzing hat zur Aktion ein Gebet verfasst und lädt ein, es beim Anzünden einer Kerze zu sprechen:
„Gott, guter Vater,
du bist den Menschen nahe, in guten und in schweren Tagen.
Dein Licht leuchte auch jetzt, in diesen schweren Tagen und Wochen der Pandemie.
Lass dieses Licht Zeichen der Hoffnung für uns alle sein.
Wir beten für die Verstorbenen, die der Pandemie zum Opfer gefallen sind und für deren Angehörige.
Wir beten für die Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Krankenhäusern und Heimen.
Wir beten für die Kranken und Einsamen.
Sei du ihnen Licht.
Sei du uns Licht.
Herr gib unseren Verstorbenen die ewige Ruhe.
Und das ewige Licht leuchte ihnen.
Lass sie ruhen in Frieden.
Amen.“
Auch wir, jede und jeder einzelne, kann eine Kerze anzünden, ein Licht ins Fenster stellen. Es wäre schön, wenn sich möglichst viele daran beteiligen. In Christus selbst haben wir im vollen Wortsinn ein leuchtendes Vorbild: er ist unser Licht der Welt. Ein Licht, das tröstet und Hoffnung verbreitet, inmitten aller Dunkelheit. In Christus hilft es uns, nicht die Orientierung zu verlieren. Es steht für die Zusage Gottes: wir sind nicht allein. Amen.